Studie zeichnet Meinungsbild zur Synthetischen Biologie
Wie steht die Öffentlichkeit zur Synthetischen Biologie? Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungshauses Allensbach und der Leopoldina liefert hierzu erstmals Daten.
„Synthetische Biologie – ?“: Rund 82 Prozent der Befragten in einer repräsentativen Umfrage können mit diesem Begriff wenig bis gar nichts anfangen. Vielmehr löst die Wortkombination bei den Meisten spontan Abneigung aus. Das ändert sich, sobald es durch alltagsnahe Anwendungsbeispiele anschaulich wird. Hier liegt ein Schlüssel für eine verbesserte Kommunikation neuer Forschungsgebiete und Technologien. Dieses Fazit zieht zumindest die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und das Institut für Demoskopie Allensbach nach einer Befragung von mehr als 2000 Bürgern, Wissenschaftlern und Journalisten zur Synthetischen Biologie. Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Studie wurde am 28. Januar in Berlin vorgestellt.
Die Synthetische Biologie ist ein junger Wissenschaftszweig, in dem Forscher wie Ingenieure daran gehen, um biologische Systeme oder Organismen zu verändern und sie mit Eigenschaften auszustatten, . Für die einen ist es eine Weiterentwicklung der Gentechnologie, für die anderen eine ganz neue Herangehensweise. Der Begriff „Synthetische Biologie“ hat sich dabei erst in den vergangenen Jahren etabliert, und er hat bereits mehrfach für Schlagzeilen gesorgt.
Erstmals empirische Zahlen
Wie wird die neue Technologie in der Bevölkerung, bei Wissenschaftlern selber und bei Journalisten wahrgenommen? Zwar hätten die wissenschaftlichen Akademien bereits 2009 ein zum Meinungsbild hätten aber bisher nur sehr wenige empirische Daten vorgelegen, so der Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Jörg Hacker, in Berlin. Diese Lücke wollten Leopoldina und Allensbach nun mit einer im Jahr 2013 durchgeführten repräsentativen Umfrage schließen. Die Ergebnisse der Erhebung stützen sich auf 23 Interviews mit Wissenschaftlern, eine quantitative Befragung von 106 Wissenschaftlern und 103 Journalisten und eine Bevölkerungsumfrage mit rund 2350 Interviews mit einem repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung ab 16 Jahre.
Kein guter Klang
„Neue Technologiefelder wie die Synthetische Biologie eignen sich deshalb besonders für Umfragen, weil sich relativ rasch dazu Meinungen in der Gesellschaft festigen“, sagte Renate Köcher, Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach. Obwohl 82 Prozent der Befragten wenig bis gar nichts von Synthetischer Biologie bisher gehört haben, hat der abstrakte Begriff in den Ohren der Befragten offenbar keinen guten Klang. „In Wortsympathietests reagierten 60 Prozent der Befragten mit Abneigung auf ‚Synthetische Biologie’ “, so Köcher. Nur „Gentechnologie“ schnitt hier noch schlechter ab (für 77 Prozent unsympathisch). 87 Prozent der Bevölkerung assoziieren mit Synthetischer Biologie den Eingriff in die Natur. „Der Begriff birgt einen Widerspruch in sich – Biologie wird mit Natur gleichgesetzt, synthetisch jedoch mit künstlich“, führte Köcher aus.
Konkrete Alltagsbeispiele ändern Haltung
Das abstrakte Etikett „Synthetische Biologie“ stieß denn auch bei 56 Prozent der Befragten auf Desinteresse. Diese Haltung änderte sich spürbar, wenn konkrete Anwendungsgebiete abgefragt wurden, etwa die Schaffung von künstlichen Zellen für die Bekämpfung von Krankheiten, die Herstellung Arzneimitteln oder Treibstoffen. „Der Interessenspegel ist hier deutlich verschoben, die Aufgeschlossenheit steigt umso stärker, je klarer man das Forschungsgebiet in Nutzanwendungen übersetzt“, sagte Köcher. Anwendungsbeispiele lösten auch eine veränderte Grundhaltung aus: Die Sorgen, die bei einer abstrakten Beschreibung dominieren, schlagen insbesondere bei der Nennung medizinischer oder industrieller Anwendungen in eine positive Bewertung um (59 Prozent verbinden Hoffnung zur Bekämpfung von Krankheiten). Als Paradebeispiel nannten die Experten auf dem Podium das mittlerweile von . Diese Ergebnisse liefern die Basis für die zentrale Schlussfolgerung der Leopoldina-Allensbach-Studie: Die Alltagsnähe bei Forschungsgebieten herzustellen ist ein bedeutender Schlüssel, um das Bürger-Interesse zu steigern und die Grundlage für eine informierte Debatte zu ermöglichen.
Wissenschaftskommunikation mit besonderer Rolle
Was bedeutet das für die Wissenschaftskommunikation und die öffentliche Diskussion? Teil der Erhebung war eine Umfrage unter Wissenschaftlern und über Wissenschaftsthemen berichtende Journalisten. Beide Gruppen mahnten mehrheitlich ein stärkeres Engagement von Forschern bei der Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte an. Eine Mehrheit (Wissenschaftler: 89 Prozent, Journalisten: 68 Prozent) vermutet einen großen beziehungsweise sehr großen Einfluss der öffentlichen Meinung auf die Rahmenbedingungen für Forschung. Die meisten Befragten (86 Prozent) sehen in der Kommunikation ein wichtiges Mittel, Offenheit für die unterschiedlichen Forschungsthemen zu erreichen. Dabei hat die Studie übrigens eine bemerkenswerte Diskrepanz in der Selbstwahrnehmung zutage gefördert: Wissenschaftler sehen sich selbst als gute Kommunikatoren, die Darstellung ihrer Arbeit fällt ihnen mehrheitlich (86 Prozent) leicht. Journalisten sahen das ganz anders: 82 Prozent gaben an, Wissenschaftlern falle es schwer, ihre Forschung einem Laienpublikum zu vermitteln. „Die Umfrage hat gezeigt, wie wichtig eine neutrale Information, die auch Unsicherheiten mit einbezieht, für die Vertrauensbildung ist“, so Köcher. Transparent und ergebnisoffen informieren, die Kommunikation zielgruppengerecht gestalten und die Rolle der Medien als prägendes Element von Technologie-Debatten berücksichtigen, das sind drei weitere Schlussfolgerungen, die die Leopoldina aus der Allensbach-Umfrage abgeleitet hat.