Start-ups für mehr Grüne Chemie

Start-ups für mehr Grüne Chemie

Die Chemie braucht neue Rohstoffe – und neue Ideen. Innovative Start-ups sind gefragter denn je. Das wurde beim Rohstoffgipfel in Berlin deutlich.

Wissenschaftler, Unternehmer und Gründer diskutierten am Rohstoffgipfel in der TU-Berlin zum Thema nachhaltige Chemie.
Wissenschaftler, Unternehmer und Gründer diskutierten am Rohstoffgipfel in der TU-Berlin zum Thema nachhaltige Chemie.

„Die Chemie muss nachhaltiger werden“, forderte Kurt Wagemann, Geschäftsführer der Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie (Dechema) in seinem Impulsvortrag. Aber wie? Woher kommen die neuen Ideen? Wie können sie umgesetzt werden? Rund 200 Interessierte lockte das Thema am 20. Juni zum Rohstoffgipfel mit dem Titel „Weg vom Erdöl – die Chemie braucht neue Rohstoffe“. Initiiert von der Technischen Universität Berlin, von der Dechema sowie der Covestro AG – einer auf Materialien fokussierten Tochterfirma des Bayer-Konzerns – wurde hier mit Wissenschaftlern, Unternehmern und Gründern über Wege zu einer nachhaltigen Chemie diskutiert.

Warum die Industrie von Start-ups profitiert

„Kohlenstoff bleibt auch in Zukunft ein wichtiger Rohstoff“, betonte Wagemann, der die Veranstaltung mit einem Überblick zu den aktuellen Herausforderungen in der chemischen Industrie eröffnete. Nach Ansicht des Professors müsste der Rohstoff jedoch aus erneuerbaren Quellen gewonnen werden. „CO2 wird zu einem echten Rohstoff mit einer echten Mangelsituation werden“, prognostizierte er.

Später diskutierten Start-up-Gründer, Industrievertreter und Politiker gemeinsam darüber, wie neue Wege in der Chemie-Branche eingeschlagen werden können. Dass kleinen innovativen Unternehmen hier eine besondere Rolle zukommt, darin waren sich die Podiumsteilnehmer einig. „Wir brauchen Start-ups“, sagte Markus Steilemann, Vorstandsmitglied für Innovation, Marketing und Vertrieb bei der Covestro AG. „Kein Unternehmen hat heute das Potential alles alleine zu lösen. Das schaffen wir nur gemeinsam.“ Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund habe man gemeinsam mit der Dechema den Rohstoffgipfel an der TU-Berlin mitinitiiert. Zuletzt hatte Covestro mit einem biobasierten Ansatz für die Herstellung der Grundchemikalie Anilin Schlagzeilen gemacht.

Welchen Input junge Unternehmer für große Konzerne liefern können, berichtete Sonja Jost, selbst Gründerin und Geschäftsführerin der Firma DexLeChem GmbH in Berlin. Das Start-up setzt auf ressourcenschonende Verfahren für die Herstellung von Arzneimitteln und will mit seinem Angebot eine Lücke zwischen Forschung und Markt schließen. „Es gibt viele großartige Erfindungen in der Wissenschaft, aber oft gelangen sie nicht zur Anwendung. In meinem Fall wollte ich mich selbst darum kümmern, um diese Lücke zu schließen“, sagte Jost.

Voraussetzungen müssen verbessert werden

Steffen Krach, Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung des Berliner Senats, verwies darauf, dass sich 60% aller deutschen Chemie-Start-ups in Berlin befänden – aus seiner Sicht ein Beweis für die Attraktivität des Wissenschaftsstandorts Berlin mit seinem Exzellenzcluster UniCat an der TU Berlin und der hier versammelten interdisziplinären Expertise. Robert Schlögel, Direktor des Fritz-Haber-Instituts, verwies jedoch darauf, dass dies allein noch nicht für einen Wandel in der Chemie ausreiche:. „Der Spirit muss noch mehr in andere Teile der Republik getragen werden.“ Dechema-Geschäftsführer Wagemann unterstrich jedoch, dass auch die Industrie den Bedarf an Innovationen mehr und mehr erkennt: „Mittlerweile sucht das Geld Ideen und nicht umgekehrt.“ Doch ganz so einfach sei es nicht, widersprach Gründerin Jost. Sie und Schlögl bedauerten, dass oft tolle Ideen nicht weiterentwickelt und umgesetzt würden, weil es an den nötigen Rahmenbedingungen wie Räumlichkeiten fehle oder die Finanzierung nicht immer einfach sei. Staatssekretär Krach versicherte, dass man in Berlin auch zukünftig die Start-up-Szene fördern wolle. Laut Berliner Morgenpost will die Landesregierung dazu aus dem Nachhaltigkeitsfonds Siwana sieben Millionen Euro beizusteuern. Um die Rahmenbedingungen zu verbessern, sei es wichtig die gesellschaftliche Akzeptanz zu verbessern, ergänzte Steilemann von Covestro. „Die Chemie-Branche ist Teil der Lösung.“

Start-up-Wettbewerb am Centre for Entrepreneurship

Welche Innovationen schon heute von Start-ups entwickelt werden, wurde beim Wettbewerb „Mehr Gründerspirit muss her“ deutlich, den das Centre for Entrepreneurship der TU Berlin initiiert hat. Bis Anfang Juni konnten Bewerber ihre Ideen einreichen. Die fünf besten Kandidaten – darunter deutsche und ausländische Start-ups – stellten ihre Geschäftsmodelle beim Rohstoffgipfel vor. Unter den fünf Besten das Berliner Start-up Fairwindel. „Wir wollen Einwegwindeln aus 100% erneuerbaren Rohstoffen auf den Markt bringen“, so Firmengründer Dominic Franck (mehr dazu im Interview). Für ihre Idee erhielt die Firma kürzlich den dritten Platz beim Greentech Award 2017.

Prämierung von innovativen Start-ups

Ebenfalls im Wettbewerb dabei: Das Brandenburger Start-up LXP Group. Erst im April konnte sich die Firma eine Finanzierung in Höhe von 2,6 Mio. Euro durch die Münchener MIG Fonds sichern. Das Unternehmen um Katrin Streffer, hat hat das LX-Verfahren entwickelt, mit dem sich Zucker und hochwertiges Lignin aus bislang ungenutzter pflanzlicher Biomasse gewinnen lassen. „Die Produkte können dann für Biokraftstoffe oder in der Biochemie weiterverwendet werden.“, erklärte Streffer in Berlin. Mit dieser Idee konnten die Gründer auch die Fachjury überzeugen. Sie wurden bei der Veranstaltung mit dem mit 5.000 Euro dotierten ersten Preis ausgezeichnet. Die Siegprämie in Höhe von 3.000 Euro für den zweiten Preis nahm Nicholas Flanders für Opus12 entgegen, einem Start-up aus San Francisco, das mit elektrochemischem Verfahren CO2 recycelt. Carbon8 Systems aus Großbritannien wurde mit dem dritten Preis und 1.000 Euro prämiert. Das Unternehmen will gefährliche Industrieabfälle als Rohstoffquelle für Baustoffe nutzen.

bp