Rhodopsine als Alternative zur Photosynthese

Rhodopsine als Alternative zur Photosynthese

Kieselalgen haben einen Weg entwickelt, um auch in nährstoffarmen Meeresregionen erfolgreich zu wachsen.

Meeresboden mit Steinen, Muscheln und Algen sowie im Hintergrund Eis
Im Südpolarmeer muss das Leben mit wenig Nährstoffen auskommen, an der Oberfläche noch viel mehr als in der Tiefsee.

Für zahlreiche Arten von Lebewesen wird die Klimakrise zu Umweltbedingungen führen, die sie nicht überleben können. Anders könnte es Mikroalgen ergehen, wie jetzt eine Studie des GEOMAR Helmholtz Zentrums für Ozeanforschung Kiel, der Universität Würzburg und der Universität von East Anglia (UEA) ergeben hat. Demnach können die Einzeller sich mithilfe einer lichtgetriebenen Protonenpumpe an Nährstoffmangel anpassen, wie er in sich erwärmenden Meeren zu erwarten ist.

Rhodopsin wirkt als Protonenpumpe

Im Fachjournal Nature Microbiology berichtet das Forschungsteam, dass es sogenanntes Phytoplankton näher untersucht hat, im Wesentlichen Mikroalgen. Normalerweise benötigen Algen viel Eisen, um Sonnenlicht nutzen zu können, doch das ist in nährstoffarmen Regionen der Meere knapp. Gut ein Drittel der Meeresoberfläche verfügt über zu wenig Eisen, um Algen beim Wachsen zu unterstützen. Bei den Kieselalgen entdeckten die Forschenden jedoch, dass die Mikroorganismen einen speziellen Mechanismus entwickelt haben, um ohne Eisenbedarf aus Sonnenlicht Energie für ihren Stoffwechsel zu gewinnen.

Anstelle der üblichen Photosynthese nutzen sie ein Protein namens Rhodopsin, verwandt mit jenem, das im menschlichen Auge vorkommt. Bestimmte Rhodopsine können Protonen durch die Zellmembran pumpen, wodurch die Zelle das Molekül ATP bilden kann. ATP ist der universelle Energieträger aller Zellen und auch eines der Hauptprodukte der Photosynthese.

Klimarobuster Anfang der Nahrungskette

Untersuchungen der Rhodopsine der Kieselalgen ergaben, dass diese Proteine selbst im kalten Südpolarmeer effektiv funktionieren. „Dank der lichtbetriebenen Protonenpumpe können diese Algen in nährstoffarmen Oberflächenmeeren besser gedeihen als erwartet“, berichtet Thomas Mock. Dass mit dem Klimawandel immer weniger Nährstoffe aus der Tiefe an die Oberfläche gelangen, ist für Kieselalgen somit bedeutungslos.

Umso mehr Bedeutung hat dieser Prozess für Ökosysteme und Klima: Mikroalgen bilden die Basis des gesamten marinen Nahrungsnetzes, von Krill über Fische bis hin zu Pinguinen und Walen. Ginge der Bestand der Mikroalgen infolge der Klimakrise drastisch zurück, hätte das massive Folgen für das Leben in den Meeren. Außerdem entziehen Algen der Atmosphäre Kohlendioxid, um aus dem darin enthaltenen Kohlenstoff ihre Biomasse aufzubauen.

Mögliche Anwendungen in der Biotechnologie

Denkbar wäre nun außerdem, diesen neuen Prozess der Energiegewinnung genetisch genau zu entschlüsseln und dann in mikrobielle Zellfabriken zu übertragen. „Diese Maschinerie kann in der Biotechnologie eingesetzt werden, um die Produktivität von Mikroben zu steigern, die kein Licht nutzen können, wie beispielsweise Hefe“, erläutert Mock. Das beträfe unter anderem die Herstellung von Insulin und Antibiotika, aber auch von Biokraftstoffen und Enzymen für Industrieprozesse.

bl