Gesunde Kost für fitte Hühner

Gesunde Kost für fitte Hühner

Stefan Pelzer


Beruf:
Mikrobiologe

Position:
Leiter des Innovationsbereiches Gut Health & Diagnostics bei Evonik in Halle-Künsebeck

Stefan Pelzer, Leiter des Innovationsbereiches Gut Health & Diagnostics bei Animal Nutrition Evonik in Frankfurt/a. M.
Vorname
Stefan
Nachname
Pelzer


Beruf:
Mikrobiologe

Position:
Leiter des Innovationsbereiches Gut Health & Diagnostics bei Evonik in Halle-Künsebeck

Stefan Pelzer, Leiter des Innovationsbereiches Gut Health & Diagnostics bei Animal Nutrition Evonik in Frankfurt/a. M.

Das Evonik-Team um Stefan Pelzer arbeitet mit Partnern an einem dynamischen Simulationsmodell des Hühnerdarms. Das Ziel: neue gesunde Zusatzstoffe für Futtermittel entwickeln und damit die Fitness der Tiere verbessern.

Eine gesunde Ernährung ist für das Wohl der Tiere ebenso wichtig wie für Menschen. Bei Evonik steht die Suche nach geeigneten bioaktiven Zusatzstoffen seit Langem im Fokus der Forschung. Um die Wirkung der Futtermittel frühzeitig zu erkennen, arbeitet das Team um Stefan Pelzer im Rahmen der strategischen Allianz GOBI mit Partnern an einem dynamischen Simulationsmodell des Hühnerdarms. Mithilfe des neuen Tests soll die Entwicklung neuer Futtermittel für Geflügel beschleunigt und die Gesundheit der Tiere nachhaltig verbessert werden.

Frage

Was ist der Hintergrund des Projektes?

Antwort

In den letzten Jahren ist das Wissen um das Zusammenspiel von Mikroorganismen mit Mensch und Tier rasant angewachsen. Entscheidend hierfür waren technologische Entwicklungen unter anderem im Bereich der DNA-Sequenzierung. Es wird immer deutlicher, welch große Bedeutung eine ausgewogene Zusammensetzung der Darmbakterien, deren Gesamtheit Mikrobiota genannt wird, für die Gesundheit hat. In der strategischen Allianz GOBI (Good Bacteria in Industry) mit Bionorica und Organobalance wollen wir das Wissen und neue Methoden systematisch bewerten, und in Produkte umsetzen. Dazu braucht es als erstes geeignete Technologien zur Analyse komplexer Mikrobiota-Zusammensetzungen. Für uns steht bei GOBI die Tierernährung im Fokus (GOBI-FEED), für unsere Partner die menschliche Gesundheit.

Frage

Welche Vorteile hätte der Einsatz eines Simulationsmodells vom Hühnerdarm bei der Entwicklung neuer Futtermittelzusatzstoffe? 

Antwort

Das Darmsimulationsmodell soll die vielfachen und komplexen Wechselwirkungen zwischen der Nahrung, dem Immunsystem des Huhns und der Gesamtheit der Mikroorganismen im Verdauungstrakt in vitro abbilden. In Zuchtbetrieben wird diese Wechselwirkung durch zahlreiche Faktoren, wie etwa Futterzusammensetzung, Genetik der Tiere, Haltungsbedingungen und Pathogene beeinflusst. Das Modell erlaubt uns erstmals, die Einflussfaktoren zu reduzieren und zu standardisieren, um die Effekte von Futtermittelzusatzstoffen zu verstehen. Daher wollen wir das Modell insbesondere dazu benutzen, um neue bioaktive Zusatzstoffe für die Tiergesundheit zu identifizieren und zu entwickeln. Es soll seinen Platz zwischen einfachen Labortests in der Petrischale und In-vivo-Fütterungsversuchen finden. Wir erhoffen uns davon eine deutlich raschere Produktentwicklung und eine bessere Nachvollziehbarkeit von Wirkmechanismen.

Frage

Warum  haben sie sich für ein Simulationsmodell des Hühnerdarms entschieden? 

Antwort

Das Huhn ist eine der wichtigsten Eiweißquellen des Menschen. Daraus ergibt sich die Dringlichkeit, die Produktivität und die Gesundheit der Tiere zu optimieren. Manche der verbreiteten Infektionen im Hühnerstall, wie die durch Clostridium perfringens ausgelöste subklinischen nekrotische Enteritis, stellen nach dem EU-weiten Verbot des Einsatzes von Fütterungsantibiotika ein massives wirtschaftliches Problem für Hühnerproduzenten dar. Andere Keime wie Salmonellen und Campylobacter sind eine potenzielle Belastung für die Lebensmittelsicherheit. Wir wollen wirksame Alternativen anbieten und mithilfe des Darmsimulationsmodells wissensbasiert entwickeln. 

Frage

Kann das Darmmodell auch bei die Entwicklung neuer Futtermittelzusatzstoffe für andere Tiere genutzt werden?

Antwort

Das Modell stellt exakt den Aufbau und die Funktion des Verdauungssystems des Huhns nach. Von daher ist es im derzeitigen Aufbau auch nur für Fragestellungen bei Hühnern einsetzbar. Bei der Entwicklung des Modells haben wir zusammen mit unserem Kooperationspartner, der belgischen Firma ProDigest, eine Reihe von technologische Herausforderungen gemeistert, die uns natürlich dabei helfen könnten, ein solches Modell auch für andere Tierarten zu realisieren. Bei der Entwicklung konnten wir natürlich von der umfangreichen Erfahrung unseres Kooperationspartners profitieren, der bereits erfolgreich ein menschliches Darmsimulationsmodell entwickelt hat. 

Frage

Wie weit ist die Entwicklung des Simulationsmodells?

Antwort

Ein Pilotmodell ist fertiggestellt und befindet sich derzeit noch in Validierungsstudien in den Laboren unseres Partners. Bis zum Ende des Jahres wird das Modell vom belgischen Gent in speziell hergerichtete Labore an unseren Biotechnologiestandort Halle-Künsebeck umziehen. Es ist vorgesehen, dass die betreuenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach dem Transfer intensiv an dem Modell geschult werden. Es besteht aus zahlreichen Pumpen und Gefäßen, die mit Sensoren versehen sind – all das gilt es in die bereits bestehende Analytikinfrastruktur zu integrieren.

Frage

Was sind Ihre nächsten Aufgaben?

Antwort

Das vorrangige Ziel besteht zunächst darin, das Modell störungsfrei in den Routinebetrieb zu überführen. Wir haben bereits eine lange Liste von wissenschaftlichen Fragen, die wir in dem Modell prüfen wollen. So möchten wir genauer verstehen, ob Kombinationen von Futtermitteladditiven eine synergistische Wirkung zeigen, welche Dosierung optimal ist und in welchem Darmsegment die Aktivität zu lokalisieren ist. Im derzeitigen Fokus der Produktentwicklung stehen Probiotika – also Bakterien, die in der Lage sind, eine ausgewogene Zusammensetzung der Mikrobiota zu fördern. Mit dem Modell können wir erstmals potenzielle Wirkmechanismen, wie zum Beispiel die Wechselwirkung mit pathogenen Bakterien unter realitätsnahen Bedingungen erforschen und solche Produkt-Kandidaten auswählen, die dann in gezielten In-vivo-Fütterungsstudien validiert werden. An interessanten Fragestellungen besteht wahrlich kein Mangel.

Interview: Beatrix Boldt