Reisstroh als Rohstoffquelle nutzen
Bislang werden Ernteabfälle meist verbrannt und setzen CO2 und Feinstaub frei. Geeignete Bioraffinerien könnten das ändern.
Rund 500 Millionen Tonnen Reis werden weltweit jährlich produziert. Als Ernteabfälle entstehen entsprechend große Mengen an Reisschalen und Reisstroh, die von den Landwirten häufig vor Ort verbrannt und dann als Asche auf die Felder verteilt werden. Da die Ernteabfälle viele kohlenstoffhaltige Moleküle beinhalten, wird auf diesem Weg jede Menge Kohlendioxid in die Atmosphäre entlassen. Am Leibniz-Institut für Katalyse in Rostock haben Forscher nun eine Alternative entwickelt, von der nicht nur das Klima, sondern auch die Reisbauern profitieren.
Siliziumdioxid aus Agrarreststoffen
Neben Zucker und Lignin enthalten die Reisreste nämlich Siliziumdioxid. „Silizium ist für uns Chemiker ein interessanter Stoff“, erläutert Esteban Mejia, der die Ideen für das Projekt hatte. Silizium dient in der Katalyse als Trägermaterial, das den eigentliche Katalysator stabilisiert. Basierend auf einem an der Universität Rostock erdachten Konzept beschloss Mejia, eine spezielle Bioraffinerie zu entwickeln, in der aus den Ernteabfällen der Reisfelder das Silizium als Rohstoff gewonnen wird. Das Bundesforschungsministerium unterstützt das Vorhaben bis Ende 2021 mit rund 300.000 Euro.
Silber als günstiger Katalysator
Bevor das Team ein Pilotprojekt in Vietnam umsetzen konnte, musste jedoch zunächst die Frage geklärt werden, welcher Katalysator für die Reaktion geeignet ist. Die üblichen Metallkatalysatoren wie Platin und Rhodium wären zu teuer gewesen: „Damit unser Verfahren im ländlichen Raum funktioniert, muss es einfach sein und darf nicht viel kosten“, betont Mejia die Prämissen. Am Ende erwiesen sich Silberpartikel als bestes Material.
Grünes Licht für die Pilotanlage
Inzwischen gab es von Behördenseite grünes Licht für die Pilotanlage in Vietnam. Darin sollen künftig das Reisstroh und die Reisschalen bei sehr hohen Temperaturen und fast ohne Sauerstoff verbrannt werden, wodurch kaum CO2 freigesetzt wird. Die dabei entstehenden kohleartigen Stoffe sollen als Filter und Dünger genutzt werden. Daneben entsteht das gewünschte Siliziumdioxid. „Wenn wir der Reaktion Silbernitrat zusetzen, schlagen sich Nanoteilchen dieses Metalls auf den Körnchen des pulverisierten Siliziumdioxids nieder. Fertig ist der Katalysator!“, zeigt sich Mejia zuversichtlich.
Nebennutzen in der Modeindustrie
Sollte sich der Ansatz bewähren, beabsichtigen die Forscher, das Konzept der Reisbioraffinerie in andere Regionen und Länder wie Indien, Thailand und China zu exportieren. Darüber hinaus hat sich ein attraktiver Nebeneffekt gezeigt: Siliziumdioxid bindet die Silberpartikel sehr fest. Das macht die Verbindung attraktiv für die Modeindustrie, in der Silberpartikel als antibakterielle Beschichtung genutzt werden, die sich jedoch mit der Zeit löst und zellschädigend wirken kann. Siliziumdioxid als Träger könne also „die Haltbarkeit antibakterieller Schichten erhöhen, und vom Silber würde für die Umwelt keine Gefahr mehr ausgehen“, resümiert Mejia.
bl