Investmentlounge: Startups auf Kapitalsuche
Ob Tierimpfstoffe oder biobasierte Kleber – auch Startups setzen auf die Bioökonomie. Bei einer Investmentlounge waren sie auf Kapitalsuche für weiteres Wachstum.
Zwanzig vielversprechende deutsche Startups aus den Life Sciences hatten jüngst die Gelegenheit, um die Gunst von Investoren zu werben. Ende November hatte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zur Investmentlounge nach Schloss Ziethen ins Berliner Umland geladen. Vor allem Projektteams, die im Rahmen der „Gründungsoffensive GO-Bio“ durch das BMBF gefördert wurden, haben sich hier 30 Wagniskapitalgebern und Business Angeln vorstellen können.
Die Höhe des gesuchten Kapitals variierte von einer Million Euro bis hin zu 20 Millionen Euro – je nach Geschäftsidee ist der Bedarf an frischem Geld unterschiedlich verteilt. Während manch Gründer sich erst noch aus dem akademischen Umfeld in Richtung Wirtschaft vorarbeitet, waren einige der Projekte schon weiter fortgeschritten. Viele der 20 Geschäftsideen wurden in der Vergangenheit durch GO-Bio unterstützt.
Hintergrund
Gründungsoffensive Biotechnologie (GO-Bio)
Mehr Infos: www.go-bio.de
Vom Labor zum Start-up
Mit dem Wettbewerb GO-Bio fördert das Bundesforschungsministerium gründungsbereite Forscherteams in den Lebenswissenschaften, um technisch anspruchsvolle Ideen zu einer tragfähigen Unternehmensgründung reifen zu lassen. Seit dem Start im Jahr 2005 gab es bisher sieben Auswahlrunden bei GO-Bio, 50 Teams wurden oder werden gefördert. „Heute haben es neue Biotech-Firmen nicht leicht, an privates Kapital zu kommen. Mit unserer Fördermaßnahme helfen wir den Teams, ihre Technologien so weit wie möglich zu validieren“, betont Matthias Kölbel, beim BMBF für die Fördermaßnahme GO-Bio verantwortlich.
Das Who is Who der Investoren treffen
Bei der vom BMBF initiierten Investmentlounge hatten nun Gründer oder gründungsbereite akademische Teams die richtige Bühne, um sich einer großen Bandbreite an Investoren und Business Angeln vorzustellen und in Eins-zu-Eins-Gesprächen zu netzwerken. Vor Ort waren nicht nur Vertreter von Geldgebern aus dem öffentlichen Bereich wie dem vom Bundeswirtschaftsministerium finanzierten Hightech-Gründerfonds (HTGF) oder regionalen Beteiligungsgesellschaften wie bmt aus Thüringen oder Bayern Kapital. Etliche private Wagniskapitalinvestoren – etwa von Forbion Capital Partners, Wellington Partners, Life Science Partners, BioMedPartners oder TVM Capital – nutzten ebenfalls die Gelegenheit, sich über neue Entwicklungen und Startups aus Deutschland zu informieren.
Die Palette der Themen reichte von Medizintechnik über therapeutische Entwicklungen bis hin zu biobasierten Werkzeugen für die Industrie. Viele jungen Firmen und Gründer stellten neue Ansätze zur Behandlung von Krankheiten vor. So will das Team der aidcure um den Rheumatologen Frank Behrens vom Fraunhofer IME die Therapie bei Rheuma-Patienten revolutionieren. Die Forscher um Ralf Amann von der Universität Tübingen wiederum setzen mithilfe spezieller Vektoren personalisierte Krebsimpfstoffe entwickeln. Inzwischen gibt es aber auch immer mehr Hightech-Startups, die biobasierte Verfahren und Werkzeuge nutzen, um industrielle Anwendungen der anderen Art voranzutreiben – etwa wenn es um Materialien oder Produktionsprozesse geht.
Biobasierter Kleber für Nierenstein-OP
Zu den 20 Startups gehörte unter anderem das Team der Madhin. Die Forscher um Ingo Grunwald am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) haben einen biokompatiblen Klebstoff entwickelt, den sie für medizintechnische Anwendungen einsetzen wollen. 2014 haben sie für diese Idee beim GO-Bio-Wettbewerb gewonnen und wollen darauf aufbauend im Jahr 2017 die Firma gründen. „Wir wollen die Entfernung von Nierensteinen vereinfachen und verhindern, dass die kleinsten Reste im Körper verbleiben und dort für Rückfälle sorgen“, erläuterte Geschäftsführer Manfred Peschka. Der Klebstoff soll die bei einer endoskopischen Nierenstein-OP übrig bleibenden winzig kleinen Reste binden und zu einer Masse zusammenkleben, die für den Operateur leicht zu entfernen ist. Bislang kümmert sich niemand um diese Überbleibsel im Körper der Patienten, weil sie durch die eingesetzten operativen Methoden nicht greifbar sind. Experten vermuten jedoch, dass sie der Ausgangspunkt für Rückfälle sein könnten. Die Gründer der Madhin GmbH wollen sich nun für eine rückstandslose Nieren-OP einsetzen. „Unser Klebstoff besteht aus zwei Komponenten. Die erste Komponente umschließt die Steinreste, die zweite Komponente härtet das System zu einer gummiartigen Masse aus, die flexibel und elastisch genug ist, um sie aus der Niere herauszuziehen“, so Peschka. Ihre Methode haben die Forscher bisher an Schweinen erfolgreich getestet, nun soll der Biokleber als Medizinprodukt der Klasse 2a marktfähig gemacht werden. Hierfür veranschlagt das Gründerteam etwa 4 Millionen Euro für die nächsten Jahre. Seinen Ursprung hat die Idee übrigens in der Natur. Denn Grunwald und Peschka beschäftigen sich am IFAM bereits seit Jahren mit bioinspirierten Klebematerialien wie sie etwa in Muscheln vorkommen.
In Sekundenschnelle besten Produktionsstamm finden
Eine Optimierung industrieller Produktionsprozesse haben hingegen die Gründer der SensUp GmbH im Visier, die 2014 eine Förderung durch GO-Bio erhalten haben. Im Jahr 2016 wurde schließlich die junge Firma aus dem Forschungszentrum Jülich ausgegründet. Die Forscher setzen auf eine evolutionsbasierte Technologie, mit der sich die produktivsten Mikroorganismen in Sekundenschnelle erkennen lassen. Sie geht dabei auf Einzelzellebene herunter und arbeitet mit optischen intrazellulären Sensoren, die die Produktivität anzeigen können. „Damit können wir laufende Prozesse extrem schnell optimieren und leistungsfähiger machen“, betonte Stefan Binder vor den Investoren im Schloss Ziethen. Denn mit der Technologie sei ein Screening von bis zu 30.000 Produktionsstämmen pro Sekunde möglich. Bisher sei die Technik vor allem bei der Aminosäure-Produktion erfolgreich, langfristig sollen aber auch Hersteller als Kunden gewonnen werden, die pharmazeutische Wirkstoffe wie Peptide oder Antikörper produzieren. Dafür sucht das Start-up frisches Kapital in Höhe von 1,2 Mio. Euro.
Impfstoffe für Nutztiere günstiger herstellen
Tierimpfstoffe stehen wiederum im Fokus der Firma Verovaccines. Das Team um Sven-Erik Behrens von der Marin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hatte erst im April diesen Jahres eine weitere Aufstockung ihres GO-Bio-Fördervolumens erhalten. Vor knapp acht Jahren entstand die Idee, Virusbestandteile in Hefen einzuschleusen und diese Hefen - nach deren Abtötung - direkt als Impfstoffe einzusetzen. Dass auf diese einfache Weise tatsächlich ein kompletter Impfschutz gegen eine Virusinfektion erzielt werden kann, haben die Wissenschaftler mit Hefeimpfstoffen bereits für zwei Viruserkrankungen bei Tieren zeigen können. Die Impfstoffplattform von Verovaccines basiert auf modifizierten und patentierten Stämmen der Milchhefe, in deren Zellen ungefährliche Virusbestandteile hergestellt werden. Als Impfstoff wird dem Tier die abgetötete Hefe mit den Virusbestandteilen unter die Haut gespritzt. „Das Ergebnis ist eine starke Aktivierung der Immunabwehr, die vollständig vor einer Erregerinfektion schützt“, erläuterte Hanjo Hennemann bei der Investormentlounge.
Der Molekularbiologe und Biotech-Unternehmer bereitet derzeit die Ausgründung vor und sagt: "Das Feedback nationaler und internationaler Investoren ist sehr gut. Damit stehen auch die Chancen gut, bis Anfang 2017 eine tragfähige Finanzierung unter Beteiligung branchenerfahrener Investoren unter Dach und Fach zu bekommen." Bisher konnte das Projekt in den GO-Bio- und ForMaT-Förderprogrammen des BMBF mehr als fünf Millionen Euro einwerben.
Mit ihrem Fokus auf Tierimpfstoffe treffen die Gründer auf einen großen Markt, denn allein Legehennen benötigen im Laufe ihres Lebens bis zu 19 Impfungen. Vor allem günstige Kombinationswirkstoffe sind gefragt. „Wir stellen eine Art Trockenpulver mit Antigenen her und sind bis zu 90% günstiger als bisherige Tierimpfstoff-Produktionsverfahren“, betonte Hennemann im Schloss Ziethen. Insgesamt 3,9 Mio Euro will die Firma bei Wagniskapitalgebern einsammeln, noch seien 1,2 Mio. Euro davon offen.
sw