iGEM-Wettbewerb: Diese deutschen Teams starten beim Finale in Paris

iGEM-Wettbewerb: Diese deutschen Teams starten beim Finale in Paris

Am 2. November startet in Paris das Grand Jamboree von iGEM, dem internationalen Studierendenwettbewerb zur Synthetischen Biologie. Aus Deutschland gehen 19 Hochschulteams an den Start. Alle Projekte im Überblick.

Collage aus Fotos der iGEM 2022
Das iGEM-Finale ist ein großes Ereignis für die gesamte Szene der Synthetischen Biologie.

Es ist die jährliche Mega-Veranstaltung zur Synthetischen Biologie: Zum 20. Mal kommen vom 2. bis 5. November Tausende junge Forschende, Start-ups, Investoren, Politiker und Journalisten aus der ganzen Welt zum Grand Jamboree des iGEM-Wettbewerbs 2023 zusammen. In Paris konkurrieren in diesem Jahr rund 400 Hochschulteams um Gold-, Silber- und Bronzemedaillen sowie zahlreiche weitere Auszeichnungen, darunter sind 19 deutsche Teams (siehe unten).

Der iGEM-Wettbewerb (international genetically engineered machine competition) ist so etwas wie eine jährliche akademische Bioingenieurs-WM: Studierende der Biowissenschaften arbeiten etwa ein Semester lang an einem anwendungsbezogenen Projekt aus dem breiten Feld der Synthetischen Biologie. Zur Lösung eines Problems werden biologische Systeme aus sogenannten Biobricks – modularen biologischen Bauteilen – entwickelt, die am Ende in eine zentrale Sammlung der iGEM-Foundation eingehen. Beim Jamboree und mittels eines Projekt-Wiki werden die Vorhaben der Teams präsentiert und dann von einer Jury begutachtet.

Umzug von Boston nach Paris

Nachdem das Grand Jamboree viele Jahre in der iGEM-Keimzelle im US-amerikanischen Boston stattgefunden hatte, ist das Event 2022 in die französische Metropole Paris umgezogen. Die Veranstalter versprechen sich vom Paris Expo Porte de Versailles ein hinreichend großes Messegelände für die stetig wachsende Zahl an Teilnehmenden, das für alle Nationalitäten unkompliziert zugänglich und zugleich mit Nachhaltigkeit verbunden ist.

Auch mit Blick auf den Wettbewerb gab es Veränderungen. So führte schon die Pandemie zu einer Regelung, die es den Teams seit 2020 ermöglicht, auch ohne eigene Laborarbeit teilzunehmen. Verworfen wurde eine Veränderung aus dem Jahr 2022: Teams müssen nun wieder im Vorfeld ihr Projekt in einem Video vorstellen. Dadurch bleibt vor Ort mehr Zeit für den direkten Austausch mit der Jury, die Teilnehmenden können ihre Präsentation auf Englisch optimieren, und nicht zuletzt kann sich die Jury mit dem Thema im eigenen Tempo auseinandersetzen.

Zahlreiche deutsche Teams am Start

An immer mehr Hochschulen in Deutschland sind in den vergangenen Jahren iGEM-Projektgruppen entstanden, die vielfach als Module in die Ausbildung integriert sind. Die deutschen Teams zählen konstant zu den Spitzenreitern des Wettbewerbs, 2016 räumte das Team München sogar den Gesamtsieg ab. Allerdings sind in der deutschen iGEM-Community das Konzept und das Grand Jamboree als Abschluss-Event nicht unumstritten. Hohe Teilnahmegebühren und Reisekosten, eine Großveranstaltung, bei der die Leistung der einzelnen Teams oft untergeht, unzureichender Schutz des geistigen Eigentums - das sind nur drei von mehreren Kritikpunkten. Team Göttingen hat daher für dieses Jahr beschlossen, nicht an iGEM teilzunehmen und denkt über alternative Formate nach.

2023 werden 19 deutsche Teams an den Start gehen. bioökonomie.de gibt den Überblick:

Die deutschen Teams von iGEM 2023 im Überblick

Das Team der RWTH Aachen möchte im Projekt RareCycle Pilze nutzen, um seltene Erden zu recyceln. Derzeit wird nicht einmal ein Fünftel des weltweiten Elektroschrotts recycelt, wodurch Unmengen der wertvollen Rohstoffe verlorengehen. Bestimmte Peptide der Pilze können an seltene Erden binden. Ein Prozess mit Hefen, die diese Peptide an ihren Zelloberflächen ausbilden, sollen Kommunen helfen, seltene Erden aus Elektroschrott zurückzugewinnen.

Das Team der Universität Bielefeld setzt auf neuartige mRNA-Moleküle, um Krebserkrankungen zu behandeln (Projekt: ASTERISK). Die Moleküle können spezifisch an Krebszellen binden und diese töten, ohne gesundes Gewebe zu schädigen. Ein wichtiger Teil des Vorhabens ist es dabei, entsprechende Marker von Tumorzellen zu identifizieren, gegen die sich dieser mRNA-Ansatz richten kann.

Das Team der Universität Bochum widmet sich β-Lactam-Antibiotika. Ein Ganzzell-Biosensor – Bacillus licheniformis – soll mittels eines fluoreszierenden Proteins Antibiotikarückstände nachweisen, enzymatisch abbauen und durch ein weiteres leuchtendes Protein den erfolgreichen Abbau signalisieren.

Das Team Bonn-Rheinbach befasst sich im Projekt NitraNix mit der Nitrat-Belastung des Grundwassers infolge der Überdüngung in der Landwirtschaft. Es hat ein enzymbasiertes System entwickelt, das Wasser denitrifizieren kann, ohne dass dabei gentechnisch veränderte Bakterien in die Umwelt entlassen werden müssten.

Das Team der TU Braunschweig entwickelt ein System für die Heimanwendung, dass es ermöglichen soll, in Proben den Lithiumgehalt zu messen. Das ist vor allem für Menschen mit bipolarer Störung wichtig, da diese häufig mit Lithium behandelt werden. Zu viel Lithium führt jedoch zu Vergiftungserscheinungen, weshalb bislang regelmäßige Messungen beim Arzt erforderlich sind.

Das Team der TU Dresden widmet sich der Abwasserbehandlung, speziell den Mikroschadstoffen und dem Mikroplastik. Eine Plattform mit immobilisierten Enzymen aus Thalassiosira pseudonana soll diese Schadstoffe abbauen. In einem Ansatz soll die Alge dazu gebracht werden, die Enzyme an ihrer eigenen Oberfläche zu bilden, in einem weiteren Ansatz werden die Enzyme zunächst in Escherichia coli produziert und dann in Lösung gebracht.

Das Team der Universität Düsseldorf hat ein Pilz-basiertes System entwickelt, dass die Phosphor-Versorgung von Pflanzen verbessern soll. „Fungylizer“ kann im Boden hohe Phosphatkonzentrationen erkennen. In diesem Fall speichert das System Phosphat, das so nicht das Grundwasser belasten kann. Ist die Phosphatkonzentration wieder niedrig, lässt ein genetischer Schalter die Pilzzelle absterben, das Phosphat wird freigesetzt und steht den Pflanzen zur Verfügung.

Das Team der Universität Erlangen befasst sich mit autoimmunen Erkrankungen des Darms. Kurzkettige Fettsäuren, die von Darmmikroben aus Ballaststoffen erzeugt werden, können dazu beitragen, den Darm zu schützen. Die Forschenden haben einen Stamm von Escherichia coli entwickelt, der als Sensor für das Verhältnis der unterschiedlichen kurzkettigen Fettsäuren dienen kann und damit als Frühwarnsystem für eine autoimmune Darmerkrankung.

Das Team der Universität Freiburg widmet sich einem Problem der Biotechnologie: Werden Mikroben als Produktionsorganismen genutzt und so verändert, dass sie ein bestimmtes Produkt überproduzieren, kann das die normalen Abläufe der Zellen belasten und die Produktivität schädigen – etwa so, wie Sport beim Menschen die Körpertemperatur erhöht und der Körper regulatorisch eingreifen muss. Die Forschenden haben nun ein autoregulatorisches System entwickelt, dass dazu führt, dass in einem Bioprozess nur jene Zellen überleben, die produktiv sind.

Das Team der Universität Frankfurt will der zunehmenden Antibiotikaresistenz bei Krankheitserregern begegnen.  Eine Ursache dafür, dass das Problem wächst, sind unzureichend gereinigte Abwässer, in denen antibakterielle und antifungale Substanzen sowie resistente Keime überleben. Die Forschenden haben nun einen einfachen und günstigen Schnelltest entwickelt, um sogenannte β-Lactam-Antibiotika in Abwässern nachzuweisen.

Das Team der Universität Hamburg geht das Problem der Antibiotikaresistenzen von einer anderen Seite an: Es hat einen Multikomponentenansatz für Medikamente entwickelt, die Krankheitserreger über mehrere Mechanismen gleichzeitig angreifen und so sowohl multiresistente Keime besiegen können als auch verhindern, dass sich neue Resistenzen bilden (Projektname: transFERRITIN).

Das Team der Universität Heidelberg will das Plastikmüllproblem verringern, indem Abfälle aus unterschiedlichen Kunststoffsorten upgecycelt. Grundlage des entwickelten Systems dafür bildet eine Co-Kultur zweier Stämme von Pseudomonas fluorescens, von denen einer die Plastiksorten PE und PET abbauen kann und der zweite daraus ein wertschöpfendes Produkt – den Biokunststoff PHA bildet.

Das sechsköpfige Team von der RPTU Kaiserslautern will mithilfe der Alge Chlamydomonas reinhardtii der Umweltverschmutzung begegnen. Viele Abwasserreinigungssysteme sind mit bestimmten medizinischen oder industriellen Abwässern überfordert, sodass die entsprechenden Stoffe in Flüssen und anderen Ökosystemen landen. Atrazin etwa ist seit 2004 in der EU verboten, aber immer noch im Trinkwasser nachzuweisen. Die Alge besitzt bestimmte Enzyme, die zahlreiche derartige Verbindungen abbauen können. Das Team hat kleine Kapseln entwickelt, in denen die Mikroalge in nanoporigen Strukturen eingebunden ist und in belastetes Wasser gegeben werden kann, um dieses zu reinigen. Ein spezieller Schutzmechanismus sorgt dafür, dass die Alge sofort abstirbt, wenn sie die Kapsel verlassen sollte.

Das Team der Universität Marburg möchte das Potenzial der grünen Gentechnik erweitern. Dazu entwickelt es eine Methode, die es ermöglicht, die genetische Transformation mithilfe des Bakteriums Agrobacterium rhizogenes leichter auch bei Pflanzen anzuwenden, die nicht zu den etablierten Modellpflanzen zählen.

Das Team der TU und der LMU München möchte die B-Zellen des Immunsystems verbessern. Synthetische B-Zellen sollen Antikörper gegen spezifische Ziele besitzen und so lebenslangen Immunschutz bieten. Derartige Zellen sollen sich schnell mutierenden Viren anpassen können oder auch Risikopatienten vor multiresistenten Erregern schützen. Selbst neurodegenerativen Erkrankungen sollen die B-Zellen begegnen können, bevor Symptome entstehen.

Ein zweites Team der beiden Münchener Universitäten legt den Schwerpunkt auf die Bioinformatik. Bislang ist wenig über die Wechselwirkungen zwischen Medikamenten bekannt und wenn, dann meist nur für zwei beteiligte Präparate. Faktisch nehmen aber vor allem ältere Patienten oft mehrere Medikamente gleichzeitig, was oft mit Nebenwirkungen verbunden ist. Ein KI-basiertes System soll nun Prognosen erstellen, welche Kombinationen zu welchen Problemen führen können.

Das Team der Universität Münster möchte Bienen vor der Varroa-Milbe schützen. Es gibt Pilze, die diese Milbe wirkungsvoll abtöten, aber auch viele Bienen überleben den Pilz nicht. Die Forschenden entwickeln deshalb einen Impfstoff für die Bienen gegen den Pilz, den die Königin an ihre Nachkommen weitergeben kann.

Das Team der Universität Stuttgart befasst sich im Projekt DentoZym mit der Zahnhygiene. Ob Kinder mit Zahnspange, Senioren mit Demenz oder Menschen mit Parkinson oder Arthritis: Oft gibt es gute Gründe, weshalb das regelmäßige Putzen der Zähne nicht so gut gelingt, wie es nötig wäre. Die Forschenden entwickeln daher eine Mundspülung aus Enzymen, antimikrobiellen Peptiden und Monolaurin, die Biofilme auf Zähnen zerstören und deren Neubildung vorbeugen soll.

Das Team der Universität Tübingen möchte die Versorgung mit Blutkonserven für bestimmte Menschen verbessern, denn die unterschiedlichen Blutgruppen sind unterschiedlich häufig. Dazu soll ein Verfahren entstehen, um Blut der Gruppe B zu A umzubauen. Die dazu nötigen Enzyme sollen identifiziert und in Escherichia coli produziert werden.

bl/pg