Wie sich die Synthetische Biologie in Deutschland entwickelt
In einem Fachartikel beschreibt die Deutsche Fachgesellschaft für Synthetische Biologie, wie sich die aufstrebende Disziplin hierzulande entwickelt und woran es noch hapert.
Synthetische Biologie ist ein Beispiel dafür, wie sich Biowissenschaften und Ingenieurswissenschaften immer stärker miteinander verzahnen. Hier arbeiten Biologen, Ingenieure, Chemiker, Materialforscher und Computerwissenschaftler eng zusammen, um biologische Systeme modulartig zu entwerfen und zu konstruieren. Auf diese Weise wollen sie biologische Bauteile, Zellen oder Organismen mit Eigenschaften und Fähigkeiten ausrüsten, die in der Natur bisher so nicht vorkommen. Das eröffnet zahlreiche Möglichkeiten für die Grundlagenforschung und Anwendungen in der Biomedizin, Landwirtschaft und der industriellen Bioökonomie.
Im Vergleich zu anderen Ländern, wie zum Beispiel den USA, fristet die Synthetische Biologie in Europa und Deutschland noch immer ein Schattendasein. Sowohl im akademischen als auch im wirtschaftlichen Sektor ist diese noch junge, biologische Disziplin noch nicht etabliert – zumindest nicht unter diesem Begriff. Dies zu ändern hat sich die 2017 gegründete German Association for Synthetic Biology e. V. (GASB) zur Aufgabe gemacht. Nun hat die Fachgesellschaft einen Artikel in der Fachzeitschrift „Biotechnology Notes“ veröffentlicht, in dem das Autorenteam die Akteurslandschaft skizziert und die eigenen Aktivitäten beleuchet.
Eine Blaupause für die Synbio-Community in Deutschland
„Mit unserem Artikel wollen wir unsere Sicht auf die aktuelle Landschaft und Community der Synthetischen Biologie (SynBio) teilen. Unser Hauptziel ist es, zu inspirieren und eine Blaupause dafür zu liefern, wie eine Bottom-Up-Organisation für die Synthetische Biologie aufgebaut werden könnte", sagt Nicolas Krink, GASB-Mitbegründer, ehemaliger Vorstandsvorsitzender und jetzt Kuratoriumsmitglied. Um dies zu erreichen, beschreibt der Artikel die Struktur und die Aktivitäten des Vereins. Der internationale Genetically Engineered Machine (iGEM)-Wettbewerb spielt dabei eine wesentliche Rolle, da er der Ausgangspunkt für die Entstehung der globalen Synthetischen Biologie-Gemeinschaft war. „iGEM ist ein echter Katalysator für den Aufbau unserer Gemeinschaft“, wie Barbara Di Ventura, Schirmherrin der GASB und Leiterin des Kuratoriums, betont.
Synthetische Biologie in Deutschland
Hier geht es zu dem Fachartikel im Fachjornal "Biotechnology Notes"
Synthetische Biologie als Chance für die Bioökonomie
Der Artikel ordnet die Synthetische Biologie auch in das größere Bild der Bioökonomie ein und verweist hier unter anderem auch auf das Dossier zum Thema auf bioökonomie.de. Auf die Forschungs- und Unternehmenslandschaft mit Bezug zur Synthetischen Biologie geht der Fachartikel allerdings nur sehr knapp ein. Das GASB-Team verweist hier unter anderem auf einen Synbio Research Atlas, in dem man Forschungseinrichtungen und Arbeitsgruppen zur Synthetischen Biologie in Deutschland zusammengetragen habe. An Industrieakteuren nennt die Fachgesellschaft beispielhaft den Life-Science-Konzern Bayer, der mit seinem Leaps to Bayer-Programm hoch innovative Ansätze unterstützt. Dazu zählen zwar auch Synbio-Projekte, allerdings nicht in Deutschland.
„Die Synthetische Biologie wird von gesellschaftlichen Herausforderungen und den Möglichkeiten der modernen Biotechnologie angetrieben“, erklärt Chase Beisel, stellvertretender Schirmherr und Mitglied des GASB Kuratoriums. Dennoch sind Unternehmen, die sich offiziell mit der Synthetischen Biologie befassen, und Start-ups, die öffentlich die Verwendung von Ansätzen der Synthetischen Biologie erwähnen, in Europa und Deutschland unterrepräsentiert. Als zwei wichtige Gründe hierfür identifiziert der Artikel die öffentliche Wahrnehmung und die gesetzliche Regulierung von Biotechnologie. In der Nationalen Bioökonomiestrategie komme der Begriff Synthetische Biologie nicht vor (Anmerkung der Redaktion: im Kapitel Dialog und Kommunikation ist der Begriff einmal erwähnt und im Glossar). Da Synthetische Biologie nicht einheitlich definiert sei und die Darstellung in Medien zum Teil durch Metaphern (Gott spielen etc.) geprägt sei, sei es herausfordernd, neutrale Botschaften zu transportieren. Hinzu komme die skeptische Haltung von Teilen der Gesellschaft gegenüber neuen Ansätzen der Biotechnologie und Gentechnik.
Eine Vision für die Zukunft
Allen Widrigkeiten zum Trotz hat sich in Deutschland eine wachsende Gemeinschaft gebildet, die Forschung und Anwendung von Synthetischer Biologie fördern will. Gemeinsame Plattformen für Austausch und Vernetzung könnten dabei eine zentrale Rolle spielen. „GASB deckt die gesamte Vielfalt der Synthetischen Biologie ab, weil sie allen, unabhängig vom Karrierestand und Fachbereich, offensteht. GASB ist ein echtes Zentrum für den wissenschaftlichen Austausch, die Zusammenarbeit mit der Öffentlichkeit, mit staatlichen und industriellen Interessenvertretern, aber auch für die Bildung rund um die Synthetische Biologie“, erklärt Hendrik Cooper, derzeitiger Vorstandsvorsitzender, die Mission und Vision von GASB. „Wir vereinen die Community und übernehmen eine repräsentative Rolle für unsere Disziplin in Deutschland.“
mr/pg