Glasnadel mit Nanoporen fasziniert Ingenieure

Glasnadel mit Nanoporen fasziniert Ingenieure

Forscher haben erstmals in der Natur ein Material entdeckt, das man bislang nur aus dem Hightech-Labor kannte: Die Glasnadel eines Meeresschwammes ist von präzise angeordneten Poren durchsetzt.

Ein perfekter Glasstab: Ein Schwamm lebt auf solchen Silikatnadeln. Sie sind äußerst akkurat von winzigen Poren durchsetzt.
Ein perfekter Glasstab: Ein Schwamm lebt auf solchen Silikatnadeln. Sie sind äußerst akkurat von winzigen Poren durchsetzt.

Wissenschaftler nehmen die Natur oft zum Vorbild, um Probleme zu lösen. Manchmal geschieht das auch zufällig, wie Max-Planck-Forscher jetzt erlebt haben. Bei der Untersuchung des Glasstabes, auf dem der Meerschwamm Monorhaphis chuni lebt, entdeckten die Forscher erstmals in der Natur eine Struktur, die der von porösen Nanomaterialien ähnelt, die bereits künstlich für die Biomedizin oder Chemie hergestellt werden. Im Fachjournal Advanced Materials (2013, Online-Vorabveröffentlichung) wurden ihre Ergebnisse veröffentlicht.

Ob in Medizin, Technik oder Chemie – poröse Materialen haben sich in der Nanotechnologie bewährt. Auf Grund ihrer Oberflächenstruktur können sie größere Mengen medizinischer Wirkstoffe aufnehmen und dann nach und nach im Körper freisetzen. Auch Sensoren nehmen Stoffe besser auf, je größer die Oberfläche ist, an der Moleküle anhaften können. Materialen mit mesoporöser Struktur, also Poren zwischen zwei bis 50 Nanometern, sind dafür besonders geeignet.  Das Forscherteam um Igor Zlotnikov und Peter Fratzl vom Max-Planck-Institut (MPI) für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam-Golm hat nun erstmals ein solches Nanomaterial in der Natur entdeckt. „Es ist absolut verblüffend, dass Natur und Materialwissenschaft einen ähnlichen Herstellungsweg favorisiert – ohne dass die Materialwissenschaft die Methode von M. chuni kannte“, sagt Peter Fratzl, Direktor am MPI für Kolloid- und Grenzflächenforschung.

Porenform und Anordnung setzen Maßstäbe

Bei der Untersuchung der Bauweise des Silikatschwammes M.chuni fanden die Forscher heraus, dass der Schwamm eine Glasnadel mit völlig periodisch angeordneten Nanoporen erzeugt. „Mesoporöse Silikat-Strukturen gehören zu den am meisten erforschten Materialien. Umso erstaunlicher ist es, dass wir sie jetzt auch in der Natur finden“, sagt Igor Zlotnikov. M.chuni würde aber nicht nur ein poröses Material nutzen, das auch technisch relevant ist, sondern auch in punkto Größe und Anordnung der Poren Maßstäbe setzen, so Zlotnikov. In der Probe, die die Forscher untersuchten, waren die Poren wie übereinander gestapelte Eierkartons nicht nur alle einheitlich groß, sondern auch völlig regelmäßig angeordnet.

Natürliche Präzision technisch schwer erreichbar

Der Schwamm, der am Grund des indischen und pazifischen Ozeans lebt, wird von einer rund einen Zentimeter dicken Glasnadel am Boden festgehalten. Im Laufe seines Lebens kann die Nadel bis zu drei Meter groß werden. Die Silikatstruktur ist von Poren mit etwa fünf Nanometern Durchmesser durchsetzt. In den Hohlräumen sitzt jeweils ein eiförmiges Molekül des Proteins Silikatein ab, wobei sich die Proteinmoleküle benachbarter Poren durch Löcher im Glas berühren. Neben der Akkuratesse der Struktur beeindruckte die Materialforscher vor allem die Art und Weise, wie der Glasschwamm das Material erzeugt: Wie bei einem Eierkarton schichtet der Glasschwamm eine oder vielleicht auch mehrere Lagen Proteinmoleküle übereinander und füllt die Zwischenräume dann mit Glas auf. Diese Präzision auch technisch zu erzeugen gilt als schwierig, obwohl mesoporöse Gläser ganz ähnlich entstehen. Hier wird die Porenform von Fetttröpfchen bestimmt, um die herum das Silikat wächst. Die Fetttröpfchen werden anschließend aus der Nanostruktur mit einer Detergenz gespült. Materialwissenschaftler können die Größe der porenformenden Fetttröpfchen allerdings nicht so präzise einstellen, wie es die Natur vormacht. Im Labor ähnlich präzise Materialen zu züchten ist allerdings sehr teuer.

bb