Brain AG: 31 Millionen Euro im Orderbuch
Der erste Biotech-IPO an der Deutschen Börse in Frankfurt ist fast geschafft: Bioökonomie-Spezialist Brain AG hat Aktien im Wert von 31,5 Millionen Euro plaziert. Die Erstnotiz ist für nächste Woche geplant.
Vom Technologie-Startup zur börsennotierten Firma: Diesen Weg hat die hessische Brain AG nun fast geschafft - trotz aktueller Börsenturbulenzen. Bis zum 3. Februar konnten Aktien des Bioökonomie-Spezialisten aus Zwingenberg gezeichnet werden. Am 5. Februar sollen die Aktien vorraussichtlich zum Handel an der Deutschen Börse in Frankfurt zugelassen werden, die Erstnotiz ist für den 9. Februar geplant. Wie die Firma nun mitteilt, wurden insgsamt 31,5 Millionen Euro eingesammelt. Mit dem Börsengang würde sich die Zahl der deutschen börsennotierte Biotech-Firmen in Frankfurt auf 16 erhöhen.
Trotz der jüngsten Börsenturbulenzen hat die Brain AG in Zwingenberg ihren Börsengang wie geplant durchgeführt. Insgesamt 3.608.054 Aktien wurden zu einem Stückpreis von 9 Euro an neue Anleger abgegeben, davon wurden 3.500.000 neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung plaziert. Weitere 108.054 bestehende Aktien wurden im Rahmen einer Mehrzuteilung ausgegeben. Der Ausgabepreis lag zwar am unteren Ende der ursprünglich avisierten Preisspanne von 9 bis 12 Euro, aber das Oderbuch war voll, heißt es vom Unternehmen. Vom Gesamterlös in Höhe von 32,5 Mio. Euro fließen 31,5 Mio. Euro direkt in die Kasse von Brain. Die Restsumme geht möglicherweise an den bisherigen Hauptaktionär, das Family Office Putsch. Es hatte der begleitenden Bank Oddo Seydler bestehende Aktien für die Mehrzuteilung zur Verfügung gestellt. Diese können jedoch bis zum Ende der Stabilisierungsperiode (maximal 30 Tage ab Handelsaufnahme), noch durch die Bank zurückerworben werden, so dass der Erlös noch nicht endgültig feststeht.
Family Office Putsch bleibt größter Einzelaktionär
Der Anteil der neuen Aktionäre wird bei mindestens 21,3% liegen. Etwa 19% des Plazierungsvolumens wurde Privatanlegern zugeteilt. Diese stammen unter anderen aus dem Mitarbeiterkreis der Brain-Gruppe sowie aus der Anlegerschaft der MIG-Fonds, die über verschiedene Fonds Altgesellschafter der Brain AG sind. Die übrigen Aktien wurden bei institutionellen Investoren aus verschiedenen europäischen Ländern plaziert. Größter Einzelaktionär von Brain bleibt das Family Office Putsch (MP Beteiligungs-GmbH), welches zuletzt etwas mehr als 50% der Aktien hielt. Durch den Börsengang dürfte diese Schwelle nun unterschritten worden sein.
Zuwachs für deutsche Biotechnologie an der Börse
Mit dem Börsengang würde die Zahl der deutschen Biotech-Firmen an der Börse auf 20 steigen, davon wären 16 in Frankfurt notiert. Zuletzt hatten sich vier deutsche Biotech-Firmen aufs Börsenparkett gewagt, allerdings alle im Ausland: Der Diagnostik-Spezialist Curetis hatte sich 2015 ebenso für die Euronext entschieden. wie die Hallenser Probiodrug im Jahr zuvor. Die Therapieentwickler Affimed und Pieris schlugen 2014 sogar den Weg über den Atlantik an die US-Börse NASDAQ ein, die laut der jüngsten Kapitalmarktstudie der BIOCOM AG für immer mehr europäische Biotech-Firmen eine ernstzunehmende Alternative darstellt. Demnach haben europäische Biotech-Firmen an der Börse im Jahr 2015 einen Aufschwung erlebt, insgesamt wurden 6 Milliarden Euro eingenommen (alle Infos: www.biocom.de/en/analysis2016). Vor allem die Standorte Paris und London sind für Biotech-Firmen attraktiv. Der letzte Biotech-Börsengang in Frankfurt fand 2007 durch vita34 statt, 2006 wagte der Therapieentwickler Wilex den Sprung an die Deutsche Börse. Zwar erlebte die deutsche Biotech-Branche zuletzt einen Aufschwung und zeigte sich auch zum Jahresanfang in einer Umfrage optimistisch, aber bislang haben Biotech-Firmen einen Bogen um Frankfurt gemacht, wenn es um neue Börsengänge ging. Mit der Brain AG könnte dieses Eis nun gebrochen werden. "Die Zeit ist reif für einen Bioökonomie-Börsengang in Deutschland. Wir halten den Finanzplatz Frankfurt für kräftig und stark genug. Wir sehen keinen Grund, warum die Bioökonomie hier nicht bespielt werden könnte", sagt Jürgen Eck bei der Ankündigung des Schon damals war klar, wie die Gelder aus dem Börsengang investiert werden sollen: in den weiteren Ausbau der Forschungskooperationen sowie in die Weiterentwicklung der eigenen Produkte. Im Fokus stehen vor allem die biobasierte Inhaltsstoffe für die Lebensmittelindustrie, die Spezialchemie und die Kosmetikbranche. Laut Jürgen Eck stehen demnächst mehrere Markteinführungen neuer Produkte an, etwa ein Naturstoff als Salzersatz. "Dieser befindet sich derzeit in fortgeschrittenen Verbrauchertestungen", so Eck.
Brain AG ist Pionier der Bioökonomie
Was den Börsengang von anderen Biotech-IPOs unterscheidet: Die Firma entwickelt keine Medikamente, sondern biobasierte industrielle Lösungen für eine Vielzahl von Branchen. Die Brain AG ist eines der deutschen Vorzeigeunternehmen in Sachen Bioökonomie. Die Spezialität der Hessen: Zusammen mit strategischen Partnern werden bislang unerschlossene, leistungsfähige Enzyme, Mikroben oder Naturstoffe entwickelt, um sie industriell nutzbar zu machen. Ob Kosmetikindustrie, Biobergbau oder Naturstoffchemie. das damit verfolgte Ziel ist jeweils das gleiche. Auf der Basis des hauseigenen Mikroben-Archivs sollen entweder klassisch-chemische Prozesse durch ressourcenschonende biobasierte Verfahren ersetzt oder durch einen Griff in den Werkzeugkasten der Natur gleich gänzlich neue Produkte mit überlegenen Eigenschaften geschaffen werden. Nach Firmenangaben lag die wirtschaftliche Gesamtleistung der Firma im Geschäftsjahr 2014/15 bei insgesamt 25,7 Mio Euro. Mit 53% trägt der Geschäftsbereich "Bioindustrial", der sich auf die Entwicklung und den Vertrieb eigener Produkte konzentriert, mehr als die Hälfte zur Gesamtleistung der Unternehmensgruppe bei. Hinzukommen die Erlöse aus dem Geschäftsbereich "Bioscience".
Brain: Vom Forschungspartner zur Firmengruppe
Denn mit dem Wissen um die mikrobielle Vielfalt hat sich Brain in den vergangenen Jahren als strategischer Forschungspartner für die Industrie etabliert und arbeitet inzwischen mit mehr als 100 Unternehmen zusammen, darunter viele Industriegrößen wie Evonik, BASF, DSM oder Symrise. Die Zwingenberger sind hier in einer ganzen Bandbreite von Branchen unterwegs: Angefangen über Chemie, Ernährung über Kosmetik bis hin zum Bergbau. Für Schlagzeilen sorgte unter anderem die mit mehreren Millionen Euro dotierte Forschungssallianz
Mit Mehrheitsbeteiligungen auf Wachstumskurs
In den vergangenen Jahren hat sich die Brain darüber hinaus durch fünf Mehrheits- sowie zwei Minderheitsbeteiligungen in der Wertschöpfungskette immer breiter aufgestellt und von der Produktion bis hin zum Vertrieb Kompetenzen zugekauft. Zuletzt haben die Zwingenberger 51% an der Weissbiotech GmbH im münsterländischen Ascheberg und der Weissbiotech France Sarl in Chanteloup-en-Brie nahe Paris übernommen, um gemeinsam den Markt für Industrieenzyme aufzurollen. Mitte 2014 wurde der Potsdamer Naturstoffspezialist Analyticon in die Firmengruppe geholt. 2012 hatte sich Brain ein Portfolio an Kosmetik-Unternehmen zugelegt (mehr...), um eigene Produkte nicht zu entwickeln, sondern sie auch herzustellen und in den Markt zu bringen. Ähnliches soll nun auch in der Ernährung – etwa bei natürlichen Lebensmittelinhaltsstoffen – oder in der Medizintechnik gelingen. „Künftig wollen wir uns zum Beispiel im Bereich Wundpflege engagieren und uns hier den Marktzugang eröffnen“, betonte Eck im Sommer, als
Neuer Schwung für Biotech an der Börse?
Ob der Börsengang in Frankfurt für neuen Biotech-Aufschwung sorgt, bleibt abzuwarten. Schon lange versucht die Deutsche Börse, wieder attraktiver für Technologiefirmen zu werden. Zuletzt wurde das Deutsche Börse Venture Network ins Leben gerufen, um Wachstumsfinanzierungen zu erleichtern (mehr...). Die USA sei für die Brain AG explizit nicht in Frage gekommen. "Der Ziel unseres Börsenganges ist eine signifikante Kapitalerhöhung, um unser weiteres Wachstum zu finanzieren. Wir streben keinen bewertungsoptimierten Exit-IPO an", so Eck.