Biotechnologie als Treiber der Bioökonomie

Biotechnologie als Treiber der Bioökonomie

„Driving Change“ – die erste Konferenz von BIO.NRW.eco, befasste sich mit der Rolle der Biotechnologie in der grünen Transformation.

Michael Carus diskutiert mit Frank Kensy, John Fox, Mesbah Sabur und der per Skype zugeschalteten Agnes Borg.
Am Ende des ersten Konferenztages diskutierte Michael Carus mit Frank Kensy, John Fox, Mesbah Sabur und der per Skype zugeschalteten Agnes Borg über die Perspektiven der industriellen Biotechnologie.

Zwölf Jahre nach der Gründung hat BIO.NRW einen neuen Fokus geschaffen: Mit BIO.NRW.eco konzentriert sich das Netzwerk stärker auf die Bioökonomie. „Wir wollen die Bioökonomie in der Region noch stärker sichtbar machen und damit zur Entwicklung der Modellregion Bioökonomie beitragen“, begründet Jasmin Schubert aus der Geschäftsstelle von BIO.NRW die Entwicklung. Mit der zweitägigen Onlinekonferenz „Driving Change“ fand nur die erste Veranstaltung in diesem neuen Schwerpunkt statt.

Rolle der Biotechnologie in der Bioökonomie

„Bioökonomie ist mehr als Biotechnologie und umgekehrt. Aber wir haben auch starke Überlappungen. Und darauf wollen wir stärker aufmerksam machen“, umschreibt Schubert die Ziele, die sich auch als Inhalte der Konferenz wiederfinden. „Wir wollen schauen: Wo kann man biotechnologische Prozesse in der Bioökonomie anwenden? Wo hilft die Biotechnologie der Bioökonomie und wo geht die Biotechnologie weiter als die Bioökonomie?“

Mit mehr als 200 Personen aus 50 Ländern unterstrich die Konferenz ihren internationalen Anspruch. Die Bedeutung der industriellen Biotechnologie für den Wandel zu einer „grünen“ Wirtschaft und für die globale Wettbewerbsfähigkeit beschrieb Claire Skentelbery von EuropaBio: „Das sind zwei der drei Säulen der Industriestrategie der EU.“ Schon heute trage die industrielle Biotechnologie 38,5 Mrd. Euro direkt zum Bruttoinlandsprodukt der EU bei und schaffe direkt und indirekt 900.000 Arbeitsplätze. Skentelbery betonte, dass es auch als EU wichtig sei, global zu agieren: „Wenn wir einfach nur Produkte konsumieren, können wir nicht beeinflussen, wie diese hergestellt werden.“

Peptide und Elektrosynthesen als Beispiele

Innovative Produkte und Prozesse stellten Christian Schwarz von Numaferm, Siegfried Waldvogel von ESy-Labs und Frank Kensy von b.fab vor. Schwarz erläuterte die Bedeutung von Peptiden als Rohstoff für bessere und gesündere Produkte. Numaferm produziere inzwischen 200 unterschiedliche Peptide und habe es geschafft, die Kosten und den CO2-Fußabdruck gegenüber herkömmlichen chemischen Produktionswegen um mehr als 90% zu verringern. Zugleich sei der Rohstoffbedarf um mehr als den Faktor zehn gesunken und der Prozess erfordere keine toxischen Chemikalien. Die Entwicklungsdauer sei dabei vergleichbar mit der chemischer Prozesse.

Waldvogel stellte die Elektrosynthese vor, mit der synthetische Kraftstoffe, Feinchemikalien, aber auch Massenprodukte erzeugt werden können. Eine weitere Anwendung sei das Urban Mining, beispielsweise, um Zink aus Rauchgasrückständen zurückzugewinnen. Auch Kensy hob die Vorteile hervor, aus CO2 und Strom hochpreisige Produkte zu erzeugen. b.fab konzentriere sich dabei neben Biokraftstoffen auf Einzelzellproteine und Polymerbausteine. Im Zentrum des Prozesses stehe Ameisensäure. Dank der synthetischen Biologie sei dem damit möglichen Produktspektrum kaum eine Grenze gesetzt. Langfristig sehe er in Bioraffinerien auf Grundlage von Ameisensäure, die aus CO2, Wasser und Ökostrom erzeugt werde, ein weites Spektrum an Bioprodukten mit „zero impact“.

Was sind die Treiber des Wandels?

Weitere Schwerpunkte des ersten Konferenztages bildete das Potenzial der Informationstechnologie in Verbindung mit der Biotechnologie. Mit der Künstlichen Intelligenz verhalte es sich wie mit dem Internet vor 20 bis 30 Jahren: Es sei heute schlicht unmöglich, das Potenzial vorherzusehen, fand Mesbah Sabur von Circularise in der abschließenden Debatte.

Als Treiber der wirtschaftlichen Transformation befanden die Konferenzteilnehmenden vor alle die Konsumierenden. Deren Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Klimakrise sei nicht zuletzt durch Fridays For Future gestärkt worden und beeinflusse nun die Politik, sagte Frank Kensy. Moderator Michael Carus vom nova Institut wies darauf hin, dass die Konsumierenden jedoch vor dem Problem ständen, oft nicht die nötigen Informationen für die beste nachhaltige Entscheidung zu haben, und dass viele schlicht auch nicht bereit oder in der Lage seien, für diese Produkte mehr zu bezahlen.

20 Jahre in der Zukunft

Dass biotechnologische Prozesse innerhalb der nächsten 20 Jahre einen großen Teil der chemischen Prozesse ergänzen oder ersetzen werden, darin waren sich die meisten bei der Konferenz einig. „Schon heute haben viele Unternehmen Roadmaps für zirkuläre Prozesse“, berichtete Agnes Borg von EuropaBio. Hinzu kämen die Effekte der Paris-Vereinbarung und der Green Deal der EU. Entsprechend berichtete John Fox von Covestro: „Wir sehen praktisch wöchentlich neue biobasierte Materialien, Prozesse und Technologien.“ Und Sabur fand noch ein weiteres Argument für den Vormarsch biobasierter Prozesse: „Angesichts erwartbarer gesetzlicher Regulationen und der Möglichkeit, höhere Preise zu verlangen, liegt das im Eigeninteresse der Unternehmen.“

bl