Reallabor für bioökonomischen Strukturwandel

Reallabor für bioökonomischen Strukturwandel

Beim fünften Symposium des Bioeconomy Science Center (BioSC) stand die Anwendung exzellenter Forschung im Vordergrund.

Von Pflanzenschutz über neue biobasierte Kunststoff bis hin zu nachhaltigen Chemikalien: Das Bioeconomy Science Center (BioSC) sucht nach Wegen zu einer nachhaltigen Wirtschaft.

Sichtbarkeit der eigenen exzellenten Forschung innerhalb des großen Feldes der Bioökonomie, das war bei der Gründung des Bioeconomy Science Center (BioSC) in Nordrhein-Westfalen eines der zentralen Anliegen der Initiatoren. Jetzt luden die Gründungsinstitute – die RWTH Aachen, die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, die Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und das Forschungszentrum Jülich – zum fünften BioSC-Symposium, das in diesem Jahr virtuell statt fand.

Opportunität durch Pandemie nutzen

Zum Auftakt des Symposiums verdeutlichte Christine Lang als stellvertretende Vorsitzende des International Advisory Council for Global Bioeconomy die große und wachsende Bedeutung der Bioökonomie: Deren Volumen betrage heute schon in den USA eine Billion Dollar und die großen Investoren seien oftmals die damaligen Gründer heute bedeutsamer Technologie-Konzerne. Zudem hätten 49 Länder bereits Bioökonomie-bezogene Politikstrategien, darunter 16 mit dezidierten Bioökonomie-Strategien. Auch in der Bevölkerung wachse der Anteil deren, die nachhaltiges Handeln einforderten. Lang, die viele Jahre Ko-Vorsitzende des Bioökonomierates war, stellte außerdem die Dringlichkeit durch die globalen Umweltbedrohungen, die Möglichkeiten in Wissenschaft und Technik sowie die Opportunität durch die Covid-19-Pandemie heraus und zog daraus das Fazit: „Wir müssen jetzt handeln.“

Dass Handeln schon immer die Devise des BioSC gewesen ist, belegte Ulrich Schurr in einem Überblick über die vergangenen zehn Jahre. Habe anfangs noch die Vernetzung im Vordergrund gestanden und hatte man so manches Thema erst einmal antreiben müssen, so seien heute in den vier Forschungsbereichen des BioSC rund 80 Projekte zusammengefasst. Erkenntnisse auf dem Weg seien gewesen, dass Bioökonomie nicht von sich aus nachhaltig ist, sondern richtig betrieben werden müsse, und dass Technologieoffenheit und Akzeptanz in der Gesellschaft wichtige Themen sind. Mit Blick nach vorn versprach Schurr: „Das BioSC lebt und hat noch viel vor!“ Deutlich wurde das im später vorgestellten Projekt „BioökonomieREVIER“, das mit dem BioSC kooperiert und gewissermaßen ein „Reallabor für den Strukturwandel durch Bioökonomie“ sei. Auch das von Sandra Venghaus erläuterte Projekt „Transform2Bio“ stütze sich auf das Rheinische Revier als Reallabor, um zu verstehen, wie Transformation tatsächlich funktioniert – insbesondere hinsichtlich der erfolgreichen Mitnahme von Interessensgruppen und der Öffentlichkeit. „Lösungen sind oft nicht wahr oder falsch, sondern besser oder schlechter“, gab Venghaus einen wichtigen Hinweis.

Innovationen für Landwirtschaft und Kunststoffbranche

In den weiteren Abschnitten des Symposiums ging es um konkrete Innovationen, zunächst im Bereich der Pflanzenforschung und Landwirtschaft. Sylvia Schleker von der Universität Bonn präsentierte einen nachhaltigen Wirkstoff, der das Eindringen von Schädlingen in Pflanzenzellen erschwert. Felix Jakob von der RWTH Aachen stellte kupferhaltige Mikrogele vor, die als Fungizide an Blättern auch Regen überdauern und ihren Wirkstoff über die Zeit freisetzen, wodurch sie entsprechend lange wirken. Anne-Katrin Mahlein von der Universität Göttingen gab einen Überblick über moderne Sensortechnologien, die die Entwicklung und Gesundheit von Ackerpflanzen früher, schneller und objektiver beurteilen als erfahrene Landwirte.

Der nächste Abschnitt des Symposiums fokussierte stärker auf die Biotechnologie in der Chemie, insbesondere um mit mikrobiellen Methoden biobasierte Rohstoffe zu verarbeiten. Dass darin neben dem ökologischen auch großes ökonomisches Potenzial liegt, veranschaulichte Branchenexperte Thomas Müller-Kirschbaum. Er stellte ein Szenario aus einer noch unveröffentlichten Studie vor, wonach der Verpackungssektor in Deutschland durch eine zirkuläre Kunststoffwirtschaft im Jahr 2030 40 Mio. Euro weniger Kosten haben werde als wenn wie bisher gewirtschaftet würde.

Rohstoffeffizienz im Blick behalten

Am Nachmittag diskutierten fünf Fachleute die Perspektiven der Bioökonomie. Andrea Noske vom Bundesministerium für Bildung und Forschung betonte dabei, dass Bioökonomie nicht die reine Substitution von fossilen Rohstoffen bedeute, sondern eine breite Palette von nachhaltigen Anwendungen. Schwerpunkte seien dabei die Kaskadennutzung und die Kreislaufführung. Biomasse dürfe erst ganz am Ende in die thermische Verwertung, wenn nichts mehr rauszuholen sei. Auch Noske legte zudem Wert darauf, dass man nicht nur auf Chancen und Potenziale schauen dürfe, sondern auch frühzeitig sehen müsse, wo Konflikte liegen. Als Bereich, der mehr Akzeptanz verdient habe, benannte sie die grüne Gentechnik. Uwe Fritsche vom Internationalen Institut für Nachhaltigkeitsanalysen und -strategien erinnerte daran, dass die großen Probleme unserer Zeit bioökonomische seien – vom Waldsterben bis zum Artenverlust. „Da muss man liefern“, forderte er, und zugleich könne man Menschen Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Er gab den Teilnehmenden mit auf den Weg, von der Energiewende zu lernen und nicht den Effizienzaspekt zu vergessen: Auch in der Bioökonomie müsse man auf effiziente Stoffströme achten, bestätigte er die Forderung Noskes.

von links: Christian Patermann, Michael Wustmans, Ingar Janzik, Ulrich Schurr
Michael Wustmans (2. v. li.) erhielt den Christian-Patermann-Preis im Beisein des Namensgebers (li.), der Laudatorin Ingar Janzik und des BioSC-Vertreters Ulrich Schurr.

Christian-Patermann-Preis für Michael Wustmans

Abschließend gab es noch eine kleine Feier: Verliehen wurde der „BioSC Supervision Award für die exzellente Betreuung von Doktoranden im BioSC“, der in diesem Jahr erstmals „Christian-Patermann-Preis für Bioökonomie“ hieß. Der oftmals als Vater der modernen Bioökonomie bezeichnete Namensgeber war persönlich bei der Verleihung anwesend und lobte, dass es den Preis dafür gebe, „wie Doktorarbeiten heute gecoacht werden“ und dass für die Nominierung „der Blick über den Tellerrand“ entscheidend sei. Preisträger ist in diesem Jahr Michael Wustmans von der Universität Bonn, über den Laudatorin Ingar Janzik sagte, er bleibe immer im Hintergrund, aber bringe die Leute dazu, sich mit Selbstbewusstsein und eigener Position in der Wissenschaftslandschaft zu bewegen – was dieser mit der Bescheidenheit seiner Dankesrede zweifelsfrei bestätigte.

bl