Designer-Fabrik fürs Zellinnere

Designer-Fabrik fürs Zellinnere

Molekularbiologen haben Designer-Organellen entwickelt, die in lebenden Zellen neuartige Proteine aus synthetischen Aminosäuren produzieren.

Die Zeichnung symbolisiert die Konstruktion eines Organells in der lebenden Zelle für die Proteinbiosynthese.
Die Zeichnung symbolisiert die Konstruktion eines Organells in der lebenden Zelle für die Proteinbiosynthese.

Der genetische Code kodiert für 20 Aminosäuren. Diese Moleküle bilden – bis auf wenige Ergänzungen – die Bausteine für alle Proteine in lebenden Zellen. Im Forschungsfeld der Synthetische Biologie haben Biotechnologen jedoch inzwischen mehr als 300 Aminosäuren entwickelt, mit denen Dinge möglich sind, die über die natürlichen Möglichkeiten der Zellen hinaus gehen. Forscher der Universität Mainz und des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) haben nun herausgefunden, wie Zellen diese sogenannten nicht-kanonischen Aminosäuren herstellen und für ganz neue Formen von Proteinen genutzt werden können. Sie berichten über die Konstruktion von Designer-Organellen im Fachjournal „Science“.

Nach dem Vorbild der Natur

„Bildlich gesprochen suchen wir uns eine Ecke in der Zelle aus, wo wir unser Haus bauen und holen dann einen Teil der Ribosomen, die in der Zelle vorhanden sind, herein“, so Projektleiter Edward Lemke. Ribosomen sind jene Bestandteile der Zelle, an denen auf Grundlage der Boten-RNA Proteine entstehen. Das „Haus“ in Lemkes Bild ist dabei ein membranloses Organell, eine Art Reaktionszentrum. Es sorgt dafür, dass die Synthese der nicht-kanonischen Aminosäuren und Proteine an einem definierten Ort stattfindet und die Zelle möglichst wenig beeinträchtigt. Die membranlose Lokalisierung erreichen die Forscher durch Phasentrennung und Motorproteine. Mit dieser natürlichen Vorgehensweise erschafft auch die Zelle membranlose Kompartimente. „Wir haben uns die Natur zum Vorbild genommen, speziell den membranlosen Nukleolus, der im Zellkern an der Synthese von RNA beteiligt ist“, erklärt Lemke.

Zellen mit den synthetischen Organellen (Magenta)

Zellen mit den synthetischen Organellen (Magenta)

Künstliches Organell mit neuen Möglichkeiten

In diesem künstlichen Organell können die Forscher nun Proteine erzeugen, die auf Grundlage des genetischen Codes sonst unmöglich wären. Anwendungsbereiche sind zum Beispiel fluoreszierende Bausteine, die es erlauben, die Abläufe in der Zelle mit bildgebenden Verfahren zu beobachten. Auch die Herstellung von Antikörpern zu therapeutischen Zwecken wäre so möglich.

Auf dem Weg zu halbsynthetischen Organismen

Doch damit ist das Potenzial nicht erschöpft. „Unser Werkzeug ist in der Lage, Translation in Zellen durchzuführen, potenziell aber auch andere Zellprozesse wie die Transkription“, erläutert Christopher Reinkemeier, einer der Erstautoren des Science-Papers. Dies könnte es ermöglichen, neue Typen von Organellen zu erzeugen, die das funktionelle Repertoire komplexer lebender Systeme erweitern. Nicht zuletzt ist es ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu halbsynthetischen Zellen und Organismen. Zunächst allerdings will das Team um Lemke die Designer-Organellen verkleinern, um den Einfluss auf die Zellen weiter zu minimieren.

bl