Smarte Landwirtschaft ermöglichen

Smarte Landwirtschaft ermöglichen

Reiner Brunsch


Beruf:
promovierter Agrarwissenschaftler

Position:
Wissenschaftlicher Direktor am Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie in Potsdam (ATB)

Reiner Brunsch
Vorname
Reiner
Nachname
Brunsch


Beruf:
promovierter Agrarwissenschaftler

Position:
Wissenschaftlicher Direktor am Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie in Potsdam (ATB)

Reiner Brunsch

Reiner Brunsch liegt die Zukunft der Landwirtschaft am Herzen. Er weiß die Vorteile der digitalen Technik zu schätzen, kennt aber auch die Hürden, die noch genommen werden müssen, damit innovative Lösungen wurzeln und Früchte tragen.

Moderne Technologien wie Sensoren, Automaten und Roboter bestimmen immer häufiger den Alltag des Landwirts. Reiner Brunsch, Direktor des Leibniz-Instituts für Agrartechnik und Bioökonomie in Potsdam (ATB), weiß um die Chancen aber auch Risiken der neuen Technologien. Der Fokus seiner Arbeit liegt daher auf zukunftsfähigen Lösungen für die Landwirtschaft, die effizient, umweltschonend und sozialverträglich sind.

Frage

Die Entwicklung in Richtung Landwirtschaft 4.0 schreitet rasant voran. Welche Chancen bieten neue digitale Technologien wie Roboter, Sensor- oder Satellitentechnik für Pflanzenbau und Tierhaltung?

Antwort

Intelligente Technologien sind auf dem Feld und im Stall längst Realität. So ermöglicht der heutige Stand der Technik die zentimetergenaue Maschinenführung auf dem Feld und damit ein auf die Schlaggeometrie optimiertes Befahren und Bearbeiten der Flächen. Im Bereich der Tierhaltung hat die Digitalisierung ebenfalls die Produktionsbedingungen verändert. So gehen die Kühe selbständig zum Melkstand, wo ein Roboter die Tiere identifiziert, die Qualität der Milch (Verkehrsfähigkeit) kontrolliert und die Kuh ausmelkt – alles ohne Zutun des Menschen. Weitere Automatisierungsstufen im Kuhstall betreffen die Reinigung des Stalles und die Fütterung der Tiere. Beide Arbeitsfelder können bereits heute zuverlässig von autonom arbeitenden Maschinen bedient werden. Auch die Überwachung des Fruchtbarkeitsgeschehens und der Gesundheit der Tiere geschieht heute bereits in einem Großteil der deutschen Milcherzeugungsbetriebe computergestützt. Die Wissenschaft arbeitet daran auch das Wohlbefinden der Tiere automatisiert zu bestimmen und damit die Grundlage für ein gezieltes „Wohlfühlmanagement“ zu schaffen.

Frage

Wo liegt der Schwerpunkt Ihrer Forschungsarbeit?

Antwort

Die Forschungsarbeiten des ATB beginnen bei der Identifizierung geeigneter Messgrößen in landwirtschaftlichen Produktionsprozessen wie zur Charakterisierung des Bodens, zur Überwachung der Tiergesundheit oder zur zerstörungsfreien Bestimmung von Produktqualität. Die Messgrößen sollen automatisch erfasst werden, wofür geeignete Sensoren gesucht und teils auch selbst entwickelt werden. Diese liefern teils enorme Datenmengen, aus denen Informationen gewonnen werden müssen. Hierzu bedarf es neuer Auswertungsmethoden, wie beispielsweise die Mustererkennung, die uns aus den sogenannten Big-Data-Analysen bekannt sind. Diese Informationen können dem Landwirt eine Entscheidungsbasis liefern. Die meisten Entscheidungsprozesse in der Landwirtschaft sind jedoch hochkomplex, sodass Intelligenz erforderlich ist – menschliche oder technische. In der gesamten Kette von Datengewinnung bis Algorithmenentwicklung ist das interdisziplinäre Team im ATB aktiv. Ein tiefes Verständnis biologischer Prozesse in den Pflanzen, Tieren oder Mikroorganismengemeinschaften ist genauso wichtig, wie Kenntnisse über physikalische und chemische Prozesse in den Sensoren und die modernen Methoden maschinellen Lernens. All diese Kompetenzen sind im ATB-Team vorhanden und führen zu innovativen Lösungen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft, die effizient, umweltschonend und sozialverträglich sein muss. Das ATB forscht mit diesem Ziel in Pflanzenbau, Tierhaltung, Gartenbau und biotechnologischen Konversionsprozessen.

Frage

Welche Hindernisse erschweren derzeit noch eine effektive Nutzung des neuen Technologien?

Antwort

Neue Technologien bieten nicht nur Chancen, sondern bergen auch Risiken. Über diese wird jedoch von den Anbietern eher nicht gesprochen, wodurch sich manche Landwirte verunsichert fühlen. Auch sind neue Technologien anfangs meist teuer und der Nutzen unsicher. Teilweise werden diese auch nur in Verbindung mit neuen Maschinen oder Anlagen nutzbar, z.B. Spurführungsassistenten im Traktor oder Melkroboter. Damit sind Innovationszyklen eng an die Lebensdauer von Maschinen gebunden. Sensorgestützte Systeme sind nicht automatisch zuverlässiger. Nicht selten führt die höhere Komplexität der Maschinen zu erhöhter Störanfälligkeit. Gleichzeitig nimmt die Chance ab, technische Störungen selbst zu beheben. Moderne Maschinen brauchen also einen funktionierenden und bezahlbaren Service. Leistungsfähige Kommunikationsinfrastruktur ist eine weitere Voraussetzung zur zuverlässigen Nutzung moderner (IT-gestützter) Maschinen. Die flächendeckende Versorgung ist im ländlichen Raum noch nicht geschaffen. Die große Menge an Daten, die durch sensorgestützte Produktion entstehen, geht teils vom Landwirt nicht steuer- oder kontrollierbare Wege. Solange es hierzu keine akzeptierten Regeln gibt, wird die Skepsis bleiben. Fehlende technische Datenstandards führen zu firmenspezifischen Lösungen, die deren Attraktivität für den Anwender reduziert.

Frage

Was muss getan werden, damit die Vorteile der Digitalisierung in der Landwirtschaft greifen?

Antwort

Die Ausbildung in Schulen, in der Berufsbildung und im Studium muss mit den technischen Entwicklungen Schritt halten. Die Kompatibilität einzelner technischer Lösungen muss verbessert werden. Auch Eigentumsrechte an Prozessdaten müssen geregelt werden und technische Lösungen dürfen nicht von einer ununterbrochenen Mobilfunkverbindung abhängig sein. Deshalb müssen digitale Gesamtstrategien für Betriebe, Wertschöpfungsketten und behördliche Dienstleistungen entwickelt und erprobt werden.
 

Frage

Welche Rolle wird die Landwirtschaft in der Zukunft spielen?

Antwort

Die Landwirtschaft liefert auch in Zukunft wesentliche Grundlagen des Lebens (Nahrung, Rohstoffe, Energie) und die Umwelt bewahren (Ökosystem-Dienstleistungen). Sie ist damit eine wichtige Säule der biobasierten Kreislaufwirtschaft. Sicherung standortspezifischer Bewirtschaftungskonzepte mit hoher Anpassungsfähigkeit, möglichst geschlossene Stoffströme und kaskadische Biomassenutzungen sind Anforderungen an eine nachhaltige Bioökonomie, die nur durch Entwicklung und Integration eines spezifischen Informationsmanagements erreichbar sind. Moderne Informationstechnologien ermöglichen eine umweltverträglichere und stärker am Bedarf orientierte Landwirtschaft. Bereits der heutige technische Entwicklungsstand macht individualisierte Pflanzenbehandlungen und Tierbetreuung möglich. In welchem Tempo und Umfang neue Technologien in der Praxis Verbreitung finden, hängt überwiegend vom Kosten-Nutzen-Verhältnis ab, das ganz wesentlich von der Gesellschaft bestimmt wird (Zahlungsbereitschaft, Steuern, Subventionen). Die Komplexität landwirtschaftlicher Entscheidungs- und Steuerungsprozesse macht die Branche zu einer besonderen Herausforderung für den digitalen Wandel.

Interview: Beatrix Boldt