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Bernsteinsäure zählt in der Industrie zu den zehn bedeutendsten Plattformchemikalien und ist sowohl für Medikamente, Lack- und Pflanzenschutzmittel sowie Vitamine ein wichtiger Ausgangsstoff. Einem internationalen Forscherteam ist es nun gelungen diesen für gewöhnlich erdölbasierten Grundstoff mithilfe von Bakterien aus Holzabfällen zu gewinnen. Mit der im Fachjournal Energy & Environmental Science (2016, Online-Veröffentlichung) erschienenen Studie liefert das Team den Beweis, dass die biobasierte Produktion von Bernsteinsäure je nach Konzept günstiger und umweltfreundlicher sein kann als die erdölbasierte Variante. In Deutschland zählt der Chemiekonzern BASF zu den Vorreiten bei der Produktion von Bio-Bernsteinsäure.

Bei der Suche nach Alternativen zu erdölbasierten Chemikalien gewinnt Holz immer mehr an Bedeutung. Denn der Rohstoff ist nicht nur in großer Menge verfügbar. Holz bietet zugleich eine breite Palette von Inhaltsstoffen wie Lignin und Cellulose, die sich für eine nachhaltige Herstellung von Chemikalien eignen. Einem internationales Forscherteam unter Leitung der ETH Zürich ist es nun gelungen, eine der bedeutendsten Chemikalien mithilfe von Bakterien aus Holzabfällen zu gewinnen – Bernsteinsäure.

Holz als Cellulosequelle

Die farb- und geruchlose kristalline Bernsteinsäure ist ein wichtiger Ausgangsstoff für die Herstellung von Medikamenten, Kunststoffen oder Lack- und Pflanzenschutzmitteln. Damit Bakterien Bernsteinsäure überhaupt herstellen können, brauchen sie allerdings Glucose, ein Einfachzucker, der im Holz in dem langkettigen Zellwand-Molekül Cellulose vorkommt.

Der Studie zufolge konnten die Wissenschaftler um den Schweizer Chemiker Konrad Hungerbühler mithilfe von E. coli-Bakterien aus Holz- und Celluloseabfällen die Bio-Bernsteinsäure herstellen.  „Der Holzbestandteil Cellulose kann mithilfe von Säure in Glucose umgewandelt werden. Denn damit konkurriert man nicht mit der Nahrungsmittelversorgung“, erklärt Merten Morales, Doktorand in der Gruppe von Hungerbühler und Erstautor der aktuellen Studie. An der Studie waren der EPFL und die Technische Hochschule Chalmers in Göteborg beteiligt.

Günstig und umweltfreundlich

Je nach verwendeten Bakterien und Prozessen ist die biotechnologische Herstellung aus Holzabfällen im Vergleich erdölbasierten Herstellungsweise entweder deutlich günstiger oder deutlich umweltfreundlicher, so das Fazit der Forscher. Dafür hatten sie verschiedene Herstellungsprozesse sowie Bakterien simmuliert. Um die Umweltbelastung des Prozesses zu bewerten, wurde auch der Energieverbrauch einschließlich der zur Abfallentsorgung oder Vorproduktion benötigte Energie berücksichtigt.

Danach waren die Produktionskosten bei einer bestimmten biotechnologischen Methode im Vergleich zur erdölbasierten Bernsteinsäureherstellung um 20 Prozent günstiger. Beim Einsatz anderer Bakterien ließ sich die Umweltbelastung um 28 Prozent reduzieren , obwohl die Herstellungskosten vergleichbar mit dem traditionellen erdölbasierten Prozess waren. Ein Vergleich der Herstellung von Bernsteinsäure aus Zuckerrüben mit der aus Holzabfällen ergab hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit und Sicherheit aber kaum nennenswerte Unterschiede. „Wenn es möglich ist, Holzabfälle – zum Beispiel solche aus der Forstwirtschaft – zu nutzen, sollte man das tun“, betont Morales. Die Forscher sind überzeugt, dass die neue Methode auch für die Papierindustrie interessant ist.  Die dort anfallenden cellulosehaltigen Laugen, die bisher nicht verwertet werden, würden sich danach hervorragend als Glucosequellen eignen. „Die europäische Papierindustrie könnte gegenüber der starken Konkurrenz aus Übersee wieder wettbewerbsfähiger werden, wenn sie es schafft, Abfallprodukte zu veredeln und sie mit Mehrwert zu verkaufen“, argumentiert Morales.

Lohnenswerte Investition

Mit der Studie liefern die Forscher zugleich ein Argument für die Wirtschaftlichkeit einer entsprechenden biotechnologischen Produktionsanlage. In Deutschland gehört der  Chemiekonzern BASF mit zu den Voreitern auf dem Gebiet der biobasierten Bernsteinsäure. Gemeinsam mit dem niederländischen Unternehmen Corbion Purac wurde 2009 unter dem Namen Succinity ein Joint Venture zur Produktion und Vermarktung der biobasierten Chemikalie geschlossen. Eine erste Anlage wurde 2014 in Spanien eröffnet. 2013 hatte der Industriekonzern Thyssen-Krupp in Leuna die europaweit erste Mehrzweck-Fermentationsanlage zur kontinuierlichen Produktion biobasierter Chemikalien wie Bernsteinsäure eröffnet.

bb

Biokunststoffe haben den Ruf, zwar umweltfreundlich, aber nicht so leistungsfähig wie die erdölbasierte Konkurrenz zu sein. Dafür liefern Forscher der Universität Bayreuth nun den Gegenbeweis. Wie das Team im Fachjournal Nature Communications (2016, Online-Veröffentlichung) berichtet, haben sie einen leistungsstarken „grünen Alleskönner“ entwickelt, der das Spektrum der Einsatzmöglichkeiten von Biokunststoffen deutlich erweitert. Dabei handelt es sich um ein Polycarbonat namens Plimc, das auf Orangenschalen und Kohlendioxid basiert und sowohl hart, hitzebeständig als auch durchsichtig ist.

Biokunststoffe liegen im Trend. Doch in punkto Hitzebeständigkeit und Stabilität hinken die umweltfreundlichen Materialien den erdölbasierten Stoffen oft noch hinterher und sind somit in der Industrie nur begrenzt einsetzbar. Bundesweit arbeiten Wissenschaftler daran, diese Hürde zu nehmen. So entwickeln Fraunhofer-Forscher zwei neue Typen aus Polymilchsäure (PLA), die sowohl stabil als auch hitzebeständiger sind als die bisher in Joghurtbechern Ebenso leistungsstark soll der auf pflanzlichem Zucker basierende Biokunststoff Polyethylenfuranat (PEF) sein, den der Chemiekonzern BASF gemeinsam mit einem niederländischen Unternehmen .

Polycarbonat aus Orangenschalen

Nun liefern Forscher der Universität Bayreuth einen weiteren Beweis dafür, dass biobasierte Kunststoffe durchaus mit herkömmlichen Kunststoffen mithalten können. Das Team um den Polymerforscher Andreas Greiner hat dafür einen neuen Grundstoff zur Herstellung von Biokunstoffen entwickelt – das Polycarbonat Plimc. Plimc basiert auf Orangenschalen, denen der Naturstoff Limonen entzogen wurd. Dieses Gemisch wird oxidiert und mit Kohlendioxid verbunden.

Biokunststoffe ohne schädliches Bisphenol A

Im Unterschied zu herkömmlichen Polycarbonaten, die in Kunststoffen eingesetzt werden, enthält Plimc nicht die gesundheitsschädliche Substanz Bisphenol A. Außerdem überzeugt der neue biobasierte Kunststoff mit einer Reihe von Eigenschaften, die das Spektrum der Einsatzmöglichkeiten stark erweitert. Wie das Team in Nature Communications berichtet, ist Plimc hart, äußerst hitzebeständig und durchsichtig und eignet sich deshalb besonders gut als Material für Beschichtungen.

Antimikrobielle Polymere für Behälter in Krankenhäusern

Über das neue biobasierte Material berichteten die Forscher bereits im vergangenen Jahr im Fachjournal Nature (2015, Online-Veröffentlichung). Die neue Studie liefert nun weitere Erkenntnisse für die breiten Anwendungsmöglichkeiten von Plimc. „Wir haben an einigen konkreten Beispielen gezeigt, dass sich Plimc hervorragend als Grundstoff eignet, aus dem sich vielseitige Kunststoffe mit sehr spezifischen Eigenschaften entwickeln lassen. Plimc besitzt nämlich eine Doppelbindung, die gezielt für weitere Synthesen genutzt werden kann“, erklärt der Leiter des Bayreuther Forschungsteams Andreas Greiner. Der Studie zufolge eignen sich Plimc-basierte Kunststoffe beispielsweise für antimikrobielle Polymere, da sie in der Lage sind, Anhaftungen von E.coli-Bakterien zu verhindern. Behälter aus diesem Material könnten somit auch das Infektionsrisiko in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen deutlich senken. Wegen des geringen Entzündungsrisikos wäre Plimc somit auch für die Herstellung von Kunststoff-Implantaten geeignet.

Mit Plimc-Materialien die Weltmeere schonen

Darüber hinaus hätte das biobasierte Polycarbonat das Potenzial, sich auf ökologisch unbedenkliche Weise im salzigen Meerwasser aufzulösen und zu zersetzen. Flaschen, Tüten oder andere Behälter aus Plimc würden einfach auf natürliche Weise entsorgt und würden die ohnehin vermüllten Weltmeere nicht noch mehr belasten. Gerade erst hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ein milliardenschweres Forschungsprogramm gestartet, um den

Orangenabfälle einfach nutzen

Die Bayreuther Forscher sind überzeugt, dass dem Einsatz von Plimc-Materialien keine Grenzen gesetzt sind. „Die Herstellung von Plimc ist einfach zu handhaben und ausgesprochen umweltfreundlich. Die Schalenabfälle von Unternehmen, die Orangensäfte produzieren, können recycelt werden, und ebenso kann das Treibhausgas CO2 verwertet werden, bevor es in die Atmosphäre entweicht. Zudem sind die vielfältigen Kunststoffe, die auf Basis von Plimc ohne großen technischen oder finanziellen Aufwand synthetisiert werden können, ökologisch unbedenklich und recycelbar“, erklärt Oliver Hauenstein.

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Eine Genveränderung auf Chromosom 19 ist bei Rindern verantwortlich für häufige Atemwegserkrankungen und den frühen Tod von Kälbern. Ein Expertenteam von der Technischen Universität München (TUM) hat mittels einer umfassenden Genomanalyse herausgefunden: Die ursächliche Genmutation ist bereits vor vielen Generationen entstanden und ist bei Braunvieh und Fleckvieh weit verbreitet. Würde man die Mutterkühe vorab als Träger der Mutation identifizieren, ließe sich der Erkrankung durch entsprechende Besamung vermeiden. Die Forscher berichten im Fachjournal BMC Genomics (2016, Online-Veröffentlichung).

Atemwegserkrankungen zählen zu den häufigsten Krankheiten von Kälbern. Dem Team um Hubert Pausch vom Lehrstuhl für Tierzucht von der Technischen Universität München ist es gelungen sowohl beim Braunvieh als auch beim Fleckvieh eine verantwortliche Mutation im Gen TUBD1 aufzuspüren: In reinerbigem Zustand, –wenn also beide Genkopien betroffen sind – verändert sich der Aufbau der Flimmerhärchen der Atemwege. Damit es dazu kommt, müssen beide Elternteile Träger der Genmutation gewesen sein. Der veränderte Aufbau beeinträchtigt die Bewegung der Flimmerhärchen und so können sie die Atemwege nicht mehr genügend von Sekret befreien. Die mangelnde Reinigung führt zu chronischen Infektionen. Defekte Flimmerhärchen verursachen auch beim Menschen eine Erkrankung der Atemwege, die allerdings sehr selten auftritt.

Fleckvieh und Braunvieh

An der Studie beteiligten sich neben dem TUM-Lehrstuhl für Tierzucht auch Wissenschaftler der Zentralen Arbeitsgemeinschaft österreichischer Rinderzüchter, des Kompetenzzentrums für Informatik & Genetik für Schweizer Zuchtorganisationen und der Rinderkliniken der Wiener und Züricher Universitäten. Gesunde Kälber sind für eine erfolgreiche und nachhaltige Rinderzucht entscheidend. Die dominierenden Rinderrassen in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz sind Fleckvieh und Braunvieh. Fleckvieh liefert Milch und Fleisch in hoher Quantität und Qualität, Braunvieh liefert vor allem Milch. In beiden Rassen werden züchterisch interessante Tiere über das komplette Genom hinweg genotypisiert, das bedeutet der genetische Fingerabdruck wird genommen, um ihre Erbanlagen zu erfassen. Auf diese Weise offenbaren sich individuelle Veränderungen, die zeigen, welche Anlagen ein Tier vererbt – sowohl positive als auch negative wie etwa genetisch-bedingte Krankheiten.

Umfangreichste Genom-Analyse beim Rind

Die Veränderung auf Chromosom 19 wurde beim Braunvieh bereits vor einigen Jahren entdeckt. Jetzt wurde sie auch beim Fleckvieh aufgespürt. „Es ist nun erstmals der Nachweis gelungen, dass die Genmutation wahrscheinlich bereits vor der Aufspaltung in die Rassen Braun- und Fleckvieh entstanden ist“, sagt Pausch. Das von ihm koordinierte Team untersuchte die Genom-Sequenzen von 290 ausgewählten Tieren und damit mehrere tausend Gigabyte Daten. 

Beim Durchforsten der Genom-Datenbanken der Rinderzuchtverbände fiel dem Team von Pausch auf, dass die Mutation nahezu nie reinerbig zu finden war. „Wenn sowohl der Vater als auch die Mutter Träger der schadhaften Genvariante waren, war die Überlebenswahrscheinlichkeit der Nachkommen deutlich geringer. Reinerbige Nachkommen sind kurz nach der Geburt verendet und wurden somit auch nicht in die Genom-Datenbank aufgenommen.“

Schwierige Suche nach erkrankten Kälbern

Um dennoch die Ursache für die hohe Kälbersterblichkeit aufzuklären, mussten die Wissenschaftler aber gerade die in den Datenbanken fehlenden reinerbigen Kälber untersuchen. Dafür galt es, die reinerbigen Tiere rechtzeitig, also unmittelbar nach der Geburt aufzuspüren und klinisch zu charakterisieren. „Diese zu finden, war nicht einfach“, erinnert sich Pausch. Zwölf reinerbige Kälber konnten die Wissenschaftler letztlich ausfindig machen: Fünf wurden tot geboren, drei starben innerhalb von 30 Tagen und vier konnten an die Rinderkliniken nach Wien und Zürich gebracht werden. Diese vier Kälber waren deutlich untergewichtig und litten an wiederkehrenden Atemwegserkrankungen. Aufgrund der kontinuierlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes mussten die Tiere nach wenigen Wochen eingeschläfert werden. Die pathologischen Untersuchungen zeigten Veränderungen am Aufbau der Flimmerhärchen in den Atemwegen.

Zuchtverbände haben bereits reagiert

Seit die Ergebnisse der Studie bekannt sind, schließen die Zuchtverbände Träger-Tiere dieser Mutation von der Zucht aus. Hubert Pausch hält diese Entscheidung für „sehr radikal“ und mittelfristig nicht praktikabel. Er gibt zu bedenken: „Jedes Individuum trägt schadhafte Gene in sich.“ Für Pausch ist die Strategie der Zuchtverbände aber auch nachvollziehbar: „Ein Zuchtstier mit sehr guten Erbanlagen hat zwischen 10.000 und 100.000 Nachkommen und rezessive Varianten wie etwa die Mutation auf Chromosom 19 können sich so rasch in der Population anreichern.“

Kühe genotypisieren als Alternative

Pausch hält es für wesentlich ratsamer, eine Verpaarung mit Kühen zu vermeiden, die ebenfalls die Genmutation in sich tragen. Denn ein nicht reinerbiges (heterozygotes) Kalb, das nur eine Variante des schadhaften Gens in sich trägt, erkrankt nicht. Momentan werden weibliche Tiere allerdings nicht genotypisiert. Der Genetiker erwartet hier aber eine baldige Änderung der bisherigen Erfassung. Sobald auch weibliche Tiere flächendeckend genotypisiert sind, kann über genombasierte Anpaarungsstrategien verhindert werden, dass Anlageträger verpaart werden. So ließen sich züchterisch interessante Mutationsträger weiterhin einsetzen, ohne dass reinerbige Nachkommen mit wiederkehrenden Atemwegserkrankungen geboren werden.

Mit Dünger aus Biogasanlagen, die mit einer Temperatur von mehr als 55° C betrieben werden, werden keine gefährlichen Erreger verbreitet. Zu diesem Ergebnis kommt ein deutsches Forscherteam nach umfassenden Laboruntersuchungen.

Human- und tierpathogene Keime vermehren sich nicht in Biogasanlagen. Vielmehr kommt es zu einer Reduktion der Keimzahl oder einer Hemmung von Schaderregern. Dies berichten Forscher vom Deutschen Biomasse-Forschungszentrum (DBFZ) gGmbH (DBFZ) und der Universität Hohenheim in ihremAbschlussbericht zu einem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft über seinen Projektträger, die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR), gefördertes Forschungsvorhaben.

Im Projekt untersuchten die Forscher ein Spektrum von Schaderregern in Einsatzstoffen und Gärrückständen und analysierten den Einfluss des Biogasprozesses auf die Anzahl und Aktivität der Erreger. Untersucht wurde das Überlebensverhalten von Keimen wie Escherichia coli, Enterokokken, Salmonellen unter verschiedenen Prozessbedingungen im Laborfermenter. Hierdurch sollte festgestellt werden, ob Temperatur, Verweilzeit oder pH-Wert die Erreger reduzieren oder inaktivieren.

Keimreduktion beginnt bei 37 Grad Celsius

Zusammenfassend stellen die Wissenschaftler fest, dass sich die untersuchten human- und tierpathogenen Erreger unter keiner der verfahrenstechnischen Voraussetzungen in Biogasanlagen vermehren. Vielmehr werden durch den Biogasprozess Schaderreger – je nach Umgebungsbedingungen entweder reduziert oder inaktiviert. Bereits die in der Praxis üblichen vergleichsweise milden Temperaturbedingungen von 37° C bis 42° C reduzierte die Zahl der Bakterien. Als noch wirkungsvoller erwiesen sich Temperaturen von mehr als 55° C und eine „tatsächliche“ Verweilzeit von 24 Stunden – Bedingungen, die in vielen thermophilen (> 50° C) Biogasanlagen vorherrschen.

Gesetzliche Vorgaben einhalten

Würden die gesetzlichen Vorgaben eingehalten, so entstünden hygienisch unbedenkliche Gärrückstände und es würden keine gefährlichen Erreger durch das Düngen mit Gärrückständen aus thermophilen Biogasanlagen verbreitet, so das Fazit der Forscher. Maßnahmen, wie längeres Lagern oder Trocknen der Gärrückstände reduzieren die Bakterienlast dagegen nur unzureichend und seien daher nicht zu empfehlen. In den vergangenen Jahren gab es Presseberichte mit der Vermutung, dass sich Botulismus-Sporen (Clostridium botulinum) oder EHEC-Bakterien in Biogasanlagen vermehren könnten. Inzwischen haben verschiedene anerkannte Forschungseinrichtungen in wissenschaftlichen Analysen nachgewiesen, dass das Gegenteil der Fall ist und der Biogasprozess die Risiken vielmehr vermindert.

Krebse und Krabben sind für viele eine Delikatesse. Doch auch der Panzer der Meerestiere hat es in sich, landet aber meist im Müll. Textilforscher der Technischen Universität Dresden nutzen diesen Abfall als Ausgangsstoff für neue biobasierte Materialien. Der Grund: die Schalen enthalten das neben Cellulose am weitesten verbreitete Polysacharid Chitin, das wegen seiner strukturgebenden Eigenschaften gefragt ist. Wissenschaftler um Rolf-Dieter Hund am Institut für Textiltechnik der TU haben gemeinsam mit der Firma Heppe Medical Chitosan erstmals ein Bio-Garn gesponnen, das auf Grund seiner Biokompatibilität vor allem für biomedizinische Anwendungen bestens geeignet ist.

Meerestiere wie Krebse oder Krabben sind nicht nur schmackhaft, sondern auch wegen ihres hohen Chitin-Gehalts im Panzer äußerst gefragt. Riesige Mengen dieser Schalen landen jedoch noch immer als Abfall im Müll. Derweil gehört Chitin wegen seiner strukturbildenden Eigenschaften neben Cellulose zu dem am weitesten verbreiteten Polysachariden und ist Ausgangsstoff für die technische Herstellung von Chitosan. Das Biopolymer  ist wiederum ein wichtiger Grundstoff  zur Herstellung von Fasern, Schaumstoffen oder Folien und wegen seiner biokompatiblen Eigenschaften vor allem für Medizinprodukte gut geeignet.

Abfallprodukt verwerten

"Für ein Abfallprodukt so eine tolle Verwendung zu finden, ist eine klasse Sache", schwärmt Rolf-Dieter Hund, Forschungsgruppenleiter Textilchemie am Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstoffe (ITM) der TU Dresden. In Kooperation mit der Hallenser Firma Heppe Medical Chitosan GmbH, die weltweit Pharmaunternehmen mit Chitosan beliefert, haben die Dresdner nun erstmals ein Garn entwickelt, dass zu 100 Prozent aus Chitosan besteht.

Viel Garn für wenig Pulver

Das in Halle unter Reinraumbedingungen gewonnene weiße Pulver wurde im Labor bei Rolf-Dieter Hund im sogenannten Nassspinnverfahren zu Garn verarbeitet. Hierfür wurde das weiße Pulver zunächst gelöst, gefiltert, von Luftblasen befreit und dann durch eine Düse mit 600 Einzellöchern von jeweils 90 µm Durchmesser gedrückt. So entstanden hauchdünne Fasern für die Medizin, die schließlich gewaschen, getrocknet und mit einer Schutzschicht versehen wurden. Zwischen 30 und 40 Meter Garn kann die Anlage pro Minute spinnen. Hund zufolge sind etwa eineinhalb Kilo Chitosan-Pulver nötig, um 7.000 Meter Garn herzustellen.

Das aus dem Panzer von Krebstieren gesponnene Naturmaterial ist nach Angaben der Forscher biokompatibel und nicht allergen und  baut sich im Körper selbstständig ab. Vor diesem Hintergrund ist das Anwendungsspektrum groß. Das Bio-Garn ist für Wundauflagen, chirurgisches Nahtmaterial oder künstliche Haut genauso geeignet wie für Knochenimplantate, als Wirkstofftransporter oder als Nährmedium für die Stammzellforschung.

Chitosan-Garn ist biokompatibel aber teuer

Seit etwa drei Jahren experimentieren die Dresdner mit dem Hightech-Garn. „In der Regenerativen Medizin wird es bereits in der Forschung eingesetzt“, berichtet Rolf-Dieter Hund. Das Problem:  Das Bio-Garn ist derzeit noch um ein Vielfaches teurer als herkömmliches Textilgarn. „Die größte Herausforderung ist das Lösen in der richtigen Konzentration“, so Hund. Bis das neuartige „Krabbengarn“ für biomedizinische Anwendungen zum Standard wird, sind noch weitere Versuche notwendig.

Das Meer wimmelt nur so vor Bakterien, Algen oder Pilzen. Sie gelten als vielversprechende  Quelle für neuartige Antibiotika oder Wirkstoffe gegen Erkrankungen wie Alzheimer oder Krebs. Doch bisher ist nur ein Bruchteil der marinen Biodiversität erforscht. Das wollen EU-finanzierte Verbundprojekte wie MaCuMBA oder PharmaSea ändern. Ende Juni kamen auf der Marine Microbiome Conference in Berlin mehr als 130 Forscher und Unternehmer aus aller Welt zusammen, um über die Ergebnisse ihrer Forschung zu berichten und zu diskutieren.

Das exotisch anmutende Kürzel MaCuMBA steht für „Marine Microorganisms: Cultivation Methods for Improving their Biotechnological Applications“. Die Veranstaltung in Berlin stellte den Höhe- und Schlusspunkt des vierjährigen europäischen Forschungsprojekts dar, in dessen Mittelpunkt die Entdeckung und Erforschung neuer Mikroorganismen aus dem Meer steht. Neben dem Wissensaustausch war es erklärtes Ziel der Veranstaltungsorganisatoren, Wissenschaftler und Unternehmer an einen Tisch zu bringen, um konkrete Kooperationsmöglichkeiten auszuloten und Forschungsergebnisse in die Industrie zu bringen.

Großes Potenzial für neue Antibiotika

Bereits am ersten Konferenztag stiegen die Wissenschaftler tief in die Thematik ein: Wie lassen sich marine Mikroben im Labor vermehren? Wie sehen die entdeckten chemischen Strukturen aus, die sie hervorbringen? Und wie kann die Forschung bestmöglich unterstützt werden? Denn dass Ozeane und Meere großes Potenzial haben, darüber waren sich alle einig. Sie bedecken etwa 70% des Planeten, aber bisher sind nur circa 5% des marinen Ökosystems überhaupt erforscht. Denn viele Mikroorganismen besiedeln extreme Lebensräume wie heiße Quellen, arktische Gewässer oder Salzseen am Boden des Mittelmeers. In Forschungskonsortien wie dem EU-Projekt PharmaSea wollen Forscher den Fähigkeiten dieser Mikroorganismen auf den Grund gehen und herausfinden, warum sie es in diesen unwirtlichen Gegenden aushalten. In Zeiten zunehmender Antibiotikaresistenzen bei Keimen rückt die Tiefsee auch als Quelle neuer Medikamente verstärkt in den Fokus von Wissenschaftlern. Auch in Deutschland wird hieran intensiv geforscht, zum Beispiel am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen.

Wie lassen sich Mikroben aus unwirtlichen Lebensräumen kultivieren?

Im MaCuMBA-Projekt wiederum geht es den Wissenschaftlern vor allem darum, die technischen Methoden zu verfeinern, mit denen sich die Mikroben im Labor kultivieren und in einem nächsten Schritt biotechnologisch nutzen lassen. Auf der Konferenz wurde in verschiedensten Sessions und Panels darüber diskutiert, welche Modelle und Lösungen es bereits gibt und wo noch Hürden zu überwinden sind. Auch rechtliche Aspekte zur Nutzung von Biodiversität als Ressource wurden angesprochen – wie sie beispielsweise im Rahmen des . In diesem Protokoll sind Regeln über den „Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der Vorteile, die sich aus ihrer Nutzung ergeben“ definiert. Es soll verhindern, dass Länder nicht leer ausgehen, die zwar besonders arten- und ressourcenreich sind, aber nicht über das Wissen und die Kapazitäten verfügen, die Vielfalt zu erforschen und auch wirtschaftlich zu erschließen. Nachdem die EU das Protokoll 2014 unterzeichnet hat, ist es seit Anfang Juli 2016 auch in Deutschland in Kraft getreten.

Nagoya-Protokoll kontovers diskutiert

Auf der MaCuMBA-Konferenz wurde das Übereinkommen kontrovers diskutiert. Jörg Overmann vom Leibniz-Institut DSMZ (Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen) befürchtet, dass „die Vereinbarung die internationale Forschung trotz der guten Intention definitiv erschweren wird“. Lene Lange von der Technischen Universität Dänemark (DTU) begrüßte hingegen das Protokoll uneingeschränkt: „Können wir uns nicht darauf einigen, dass es einfach fairer ist, wenn auch die Herkunftsländer profitieren?“ Marcel Jaspers, Koordinator des EU-Forschungsverbunds PharmaSea und Professor an der schottischen University of Aberdeen, betonte indes, „dass die konkreten Auswirkungen des Protokolls auf die Wissenschaftslandschaft noch nicht klar abzusehen sind“. In einem waren sich die Wissenschaftler einig: das Nagoya-Protokoll wird umgesetzt und die Meeresforscher müssen sich darauf einstellen.

Ocean Sampling Day 2016

Wie sich genetische Informationen aus Meereswasser extrahieren lassen, das ließ sich Mitte Juni beim Ocean Sampling Day ausprobieren. Im Jahr 2014 hatten Bremer Mikrobiologen vom Max-Planck-Institut diese Veranstaltung ins Leben gerufen, um darüber Auskunft zu geben, welche Mikroben eigentlich im Meer leben und wie sich ihre Zusammensetzung über die Zeit ändert. Auch in diesem Jahr war es am 21. Juni wieder soweit: rund 1.000 Testkits konnten von jedem Interessierten geordert werden, sie kamen in ganz Deutschland zum Einsatz. Sobald die Proben wieder in Bremen sind, sollen sie aufbereitet und analysiert werden.

Auf der Erde beeindruckten sie schon als Überlebenskünstler. Nun sind Blaualge Nostoc sp. und Grünalge Sphaerocystis sp. von ihrer Expedition ins All ans Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie in Potsdam-Golm zurückgekehrt. Fast zwei Jahren waren die Winzlinge gemeinsam mit anderen ausgewählten Organismen in entsprechenden Halterungen an der Außenwand der Raumstation ISS durch den Orbit geschwebt. Ob und wie die zähen Lebewesen den Weltall-Trip überstanden haben, wollen die Potsdamer Forscher in den kommenden Monaten untersuchen. Dabei hoffen die Wissenschaftler auf neue Anregungen für Produkte in der Kosmetik- und Lebensmittelindustrie.

Die Reise begann vor knapp zwei Jahren.  Am 23. Juli 2014 kurz vor Mitternacht war eine Sojus-Trägerrakete mit der ungewöhnlichen Fracht vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan abgehoben und hatte kurze Zeit später an die Raumstation ISS angedockt. In speziellen Halterungen an der Außenwand sollten ausgewählte Organismen wie Moose, Flechten, Pilze, Bakterien und Algen die nächsten Monate der unwirklichen Sphäre des Weltalls ausgesetzt werden. Darunter zwei als Überlebenskünstler bekannte Algen aus der CCCryco Biobank des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie in Potsdam-Golm. Thomas Leya vom Institutsteil Bioanalytik und Bioprozesse des Fraunhofer IZI hatte für diese ungewöhnliche Mission die aus der Arktis stammende Blaualge Nostoc sp. sowie Grünalge Sphaerocystis sp. aus Spitzbergen ausgewählt. Am 18. Juni kehrte die ungewöhnliche Reisegruppe mit einer Soyuz-Kapsel auf die Erde zurück.

Überleben im All

Das Experiment fand im Rahmen des vom Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums DLR unter der Leitung von Jean-Pierre de Vera koordinierten Projekts BIOMEX (Biology and Mars-Experiment) statt und sollte zeigen, ob und wie die Organismen die Raumbedingungen an der ISS überleben. Versuche vor dem Start der Weltallmission gaben Grund zu der Hoffnung, dass die Organismen zäh genug sind, den ungewöhnlichen Bedingungen im erdnahen Orbit standzuhalten.

„Diese Organismen haben sich auf der Erde in ihrem natürlichen Lebensraum den extremen Umweltbedingungen der polaren Gebiete sehr gut angepasst. Dass sie Austrocknung, Hitze bis +60 °C, Kälte bis -25 °C und auch UV-Strahlung in bestimmtem Maße gut überstehen, das wussten wir schon aus Versuchen, die vor der Raummission am DLR in Berlin und Köln in Simulationsversuchen durchgeführt wurden“, erklärt Thomas Leya, der für die Biobank CCCryo zuständig ist.

Erkentnisse für neue Produkte

Die Potsdamer versprechen sich von diesen extremophilen Organismen auch neue Produkte für die Industrie – vor allem für die Kosmetik- und Lebensmittelbranche. In den kommenden Monaten werden Leya und sein Team nun mit verschiedenen Methoden untersuchen, wie Blau- und Grünalge im erdnahen Orbit überlebt und ob und wie sich die Bedingungen gegebenenfalls auf das Genom der Organismen ausgewirkt haben.

Die Natur ist für Forscher seit jeher ein Vorbild, um neue Arzneimittel oder Materialien zu entwickeln. Doch nicht immer sind die wertvollen tierischen oder pflanzlichen Substanzen leicht zu erschließen. Und nicht selten steht die Nutzung auch in Konkurrenz zur Lebensmittelindustrie oder greift ins Ökosystem ein. Ein Team um den Münchner Chemiker Thomas  Brück hat nun eine Methode entwickelt, um bekannte Naturstoffe wie die Omega-3-Fettsäure aber auch neue Arzneimittel  auf nachhaltige Weise biosynthetisch herzustellen. Im Fachjournal PNAS (2016, Online-Veröffentlichung) stellen sie zudem ein Simulationsverfahren vor, mit dem sich komplexe Enzymkaskaden am Computer modulieren lassen.

Ob Fieber, Gliederschmerzen oder Entzündungen -  die Natur hat für fast jedes Leiden ein Heilmittel parat. Die Palette der pflanzlichen und tierischen Wirkstoffe reicht von Vitaminen bis hin zu krebshemmenden Substanzen. Auch als Ratgeber für die Entwicklung neue nachhaltiger Materialien  wie für die Medizin hat sich die Natur längst bewährt. Das Problem: Meist sind die Naturstoffe nur schwer zugänglich oder ihre industrielle Verwendung konkurriert mit der Ernährungswirtschaft oder gefährdet gar den Fortbestand von Arten. Die synthetische Biotechnologie hat das Potenzial mithilfe methodischer Forschungsansätze aus Biochemie, Bioinformatik, Katalyse und Bioverfahrenstechnik diese Naturstoffe auf nachhaltige Weise zu gewinnen. Das hat jetzt ein Forscherteam um den Chemiker Thomas Brück von der Technischen Universität München bewiesen.

Omega-3-Fettsäuren aus Abfällen gewinnen

Brück und seinem Team gelang es erstmals, die Hefe Trichosporon oleaginosus genetisch so zu verändern, dass sie die lebenswichtigen Omega-3-Fettsäuren Alpha-Linolensäure (ALA), Eicosapentaensäure (EPA) sowie entzündungshemmend wirkende konjugierte Linolensäuren (CLAs) herstellt. Bis dato wurde diese Hefe für biotechnologische Anwendungen noch nicht genutzt. „Diese Hefe ist etwas Besonderes, da sie auch monomere Zuckerstoffe verwerten kann, die sonst nur sehr schwer abgebaut werden können“, erklärt Brück. Das Besondere: Die Hefe  lässt sich aus Abfällen wie Stroh, Holzspäne, Weizenkleie oder ungenutzte maritime Stoffe wie Krabbenschalen gewinnen und das ohne die Umwelt zu belasten. Unter Stress lagern T. oleaginosus-Zellen Fette als Energiereserve ein. Dabei kann das in Form von Trigylceriden einlagerte Fett aber nur bis zu 70 Prozent des Trockengewichts der Hefe erreichen, weil dabei das Zellwachstum gehemmt wird. Als nächstes wollen die Münchner Forscher die ölbildende Hefe weiter modifizieren, sodass sie auch unter normalen Nährstoffbedingungen die Fette in ausreichender Menge Maß produziert, ohne dabei das Wachstum zu hemmen.

Enzyme wie Hefen sind bekannterweise ein nützlicher Helfer bei der Herstellung von Wirkstoffen. Mithilfe einer neuer von Brück entwickelten Methodik  kann nun erstmals auch aufgezeigt werden, wie bestimmte Enzyme arbeiten und wie dessen Struktur und Funktion zusammenhängen. Wie die Forscher im Fachjournal PNAS berichten, konnten sie mithilfe einer Computersimulation die einzelnen Schritte aufklären, mit denen eine bestimmte Klasse von Enzymen Wirkstoffe herstellt und damit sämtliche Zwischenschritte der an diesem Enzym ablaufenden komplexen Kaskade von Reaktionen korrekt vorherzusagen.

Enzyme am Computer verändern

„Dieses Vorgehen ist sehr vielversprechend, denn auf Basis der Simulationen können wir Enzyme gezielt verändern und die daraufhin entstehenden Produkte vorhersagen“, erklärt Brück. „Wenn wir dann noch verschiedene solcher Enzyme miteinander verschalten, ist es sogar möglich, komplett neue Moleküle zu schaffen, die in der Natur gar nicht vorkommen.“ So identifizierten sie per Computer eine für Diterpenmakrozyklen spezifische Reduktase im Genom des Bakteriums Streptomyces afghaniensis. Die biotechnologische Nutzung dieses Proteins ermöglichte Brück und seinem Team, die Ausbeute des Wirkstoffes im Vergleich zum nativen Produzenten um einen Faktor 43 zu erhöhen. Biotechnologen könnten zukünftig also wie Ingenieure Produktionsschritte am Computer simulieren und so neue Synthesewege für Wirkstoffe schneller erforschen, als es im Labor bisher möglich ist.

Methode mit großem Potenzial

Aufgrund des enormen Potenzials dieser von Brück entwickelten Methoden hat die TU München Anfang im Mai den Lehr- und Forschungsschwerpunkt Das Münchner Forschungsprojekt wurde im Rahmen des Projekt ChiBio von der Europäischen Gemeinschaft sowie den Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF) sowie für Wirtschaft und der bayrischen Landesregierung unterstützt.

Die äußeren Merkmale einer Pflanze werden besonders von der Zusammensetzung und Aktivität der Proteine geprägt. Diese phänotypischen Merkmale quasi per Regler von außen zu steuern, ist nun einer Nachwuchsforschergruppe vom Leibniz-WissenschaftsCampus Halle gelungen. Wie die Wissenschaftler im Fachjournal Nature Communications (2016, Online-Veröffentlichung) berichten, nutzten sie dazu temperaturempfindliche Genschalter als Werkzeug.

Proteine sind das Fundament einer jeden Zelle eines lebenden Organismus. Die aus Aminosäuren aufgebauten Moleküle bestimmen je nach Art, Zusammensetzung und Struktur über Form, Aufbau und Funktion der Zellen und sind damit auch für die Ausprägung der phänotypischen Eigenschaften einer Pflanze entscheidend. Nachwuchsforscher am Leibniz-WissenschaftsCampus Halle - Pflanzenbasierte Bioökonomie (WCH) haben in den vergangenen Jahren die molekularen Regulationsmechanismen und biologischen Funktionen dieses Prozesses anhand der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) genauer untersucht.

Proteinmenge per Regler genau steuern

Ein Team um Nico Dissmeyer stieß  dabei auf einen Mechanismus, mit dessen Hilfe erstmals die Aktivität bestimmter Proteine „per Knopfdruck“ reguliert werden kann. „Mit unserer Forschung liefern wir der Synthetischen Biologie einen komplett neuartigen Baustein, mit denen Proteinfunktionen und Enzymaktivitäten "on demand" moduliert werden können. Ein Durchbruch ist meines Erachtens die Möglichkeit, Zellen auf der pflanzlichen Blattoberfläche ganz gezielt auszubilden. Diese wollen wir als zelluläres Gerüst von molekularen Mikrofabriken verwenden“, erklärt Nico Dissmeyer.

Zellfunktionen ein- und ausschalten

Bei dem Werkzeug handelt es sich um ein temperaturempfindliches Protein, das als eine Art „Sensor“ fungiert und in lebenden Pflanzen und Insekten, also mehrzelligen Organismen, die Herstellung anderer Proteine steuert, sodass deren Funktion oder biologische Aktivität innerhalb kürzester Zeit ein- und ausgeschaltet werden kann. Wie das Team in Nature Communications berichtet, kann dieses neue Biotechnologie-Werkzeug gezielt Zellen erzeugen, deren Zielproteinlevel zwischen dem Normalzustand und dem vollkommenen Funktionsverlust rangiert. Durch das Umlegen dieses molekularen Schalters war es beispielsweise möglich einzelne pflanzliche Zell- und Gewebetypen der Ackerschmalwand auszubilden und darüber hinaus Proteinfunktionen in Hefe und Fruchtfliegen zu steuern. Der WissenschaftsCampus Halle hat sich interdisziplinären Forschung zur Bioökonomie verschrieben. 2015 wurde die Einrichtung dafür mit dem Hugo-Junckers-Preis für Forschung und Innovation ausgezeichnet.

Das im Juli vom Deutschen Zentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) eröffnete Kompetenzzentrum „CC-SaAT - Smart Agriculture Technologies“ setzt bei der Entwicklung neuer Technologien für die Landwirtschaft auf künstliche Intelligenz (KI). Am Standort in Osnabrück wollen die Experten ihre Erfahrungen auf dem Gebiet der KI-Technologien bündeln und  intelligente Hard- und Software-Lösungen für eine nachhaltige Agrarwirtschaft vorantreiben.

Die Digitalisierung ist in der Landwirtschaft angekommen. Feldroboter  wie Bonirob sind den Kinderschuhen entwachsen und durchstreifen selbstständig die Äcker, um  Fruchtgröße oder Wassergehalt zu messen und den  Fest steht: Mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz können viele Arbeiten in der Agrarwirtschaft – vom Feld bis hin zum Verbraucher – deutlich leichter und effizienter werden. Am DFKI sind Wissenschaftler seit Jahren dabei, innovativer Technologien für die Landwirtschaft zu entwickeln.

KI-Wissen bündeln

Um die Erfahrungen der verschiedenen Aktionäre auf dem Gebiet der KI-Technologien zu bündeln wurde im Juli in Osnabrück das Kompetenzzentrum „Smart Agriculture Technologies - CC-SaAT“ eröffnet. „Mit intelligenten Hard- und Softwaresystemen lassen sich die Herausforderungen moderner, nachhaltiger Landwirtschaft in vielen Bereichen kostengünstig bewältigen. Unser neues Kompetenzzentrum Smart Agriculture Technologies bündelt die Kompetenzen des DFKI für dieses aktuelle Anwendungsgebiet und schafft eine herstellerunabhängige Plattform für Technologieinnovationen“, erklärt der Vorsitzender der DFKI-Geschäftsführung, Wolfgang Wahlster. Das am 1. Juli eröffnete Zentrum in Osnabrück wird von zwei Experten auf dem Gebiet computerbasierter Agrartechnologien geleitet: Stefan Stiene und Ansgar Bernardi.

Plattform für Wissenschaft und Industrie

Unter dem Dach des CC-SaAt werden ab sofort alle Fäden zur Entwicklung digitaler Lösungen für die Landwirtschaft zusammenlaufen. So will sich das neue Zentrum als zentraler Ansprechpartner für Wissenschaft und Wirtschaft etablieren. Der Fokus richtet sich dabei insbesondere auf Netzwerk- und Kommunikationstechnologien, autonome Steuerung und Robotik sowie georeferenzierten Smart Services aber auch automatisierter Big Data Analyse und Deep Learning. Hier will das Kompetenzzentrum das Know-how aller DFKI-Forschungsbereiche bündeln, die mit Partnern aus Industrie und Forschung in gemeinsamen Projekten an innovative KI-Lösungen bereits arbeiten. Dazu zählen etwa Projekte wie marion, in dem das DFKI gemeinsam mit Partnern ein Planungssystem für Landmaschinen entwickelt, das die autonome Zusammenarbeit der Maschinen auf dem Feld ermöglicht.

Gezielte Lösungen für die Wirtschaft

Neben nationalen und europäischen Forschungsprojekten sollen am neu eröffneten Kompetenzzentrum auch konkrete Arbeiten für Kunden aus der Industrie realisiert werden. Das Leistungsspektrum umfasst hierbei die individuelle Entwicklung intelligenter Softwarelösungen, der Technologietransfer international prämierter Forschungsergebnisse, Innovationsberatung und wissenschaftliche Begleitung sowie die Erstellung von Marktstudien und Machbarkeitsanalysen.

Verbundvorhaben ODiL gestartet

Fest steht: Mit zunehmender Digitalisierung steigt aber auch die Herausforderung, die anfallenden Datenmengen zu verwalten und effektiv zu nutzen. Auch auf diesem Feld wird  sich CC-Saat bewegen. Aktuell arbeiten DFKI-Wissenschaftler im neuen Verbundvorhaben ODiL an einer offenen Software-Plattform, die eine effizientere Wertschöpfung in der Landwirtschaft ermöglichen soll. Die Plattform soll alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette miteinander vernetzen und ihnen gleichzeitig Datensicherheit bieten. Das ebenfalls am 1. Juli gestartete Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in den kommenden drei Jahren mit knapp 2 Millionen Euro gefördert.

Konstanzer Forscher haben aus Kalk ein neuartiges Hydrogel entwickelt, das erdölbasierte Kunststoffe zum Großteil ersetzen könnte. Der „Mineral-Kunststoff“  ist ohne Energiezufuhr leicht verformbar, selbstheilend und zudem problemlos zu recyceln. Im Fachjournal Angewandte Chemie (2016, Online-Veröffentlichung) stellen die Wissenschaftler die neue Kunststoffart vor.

Kunststoffe werden in der Regel aus Erdöl hergestellt und belasten die Umwelt, da sie schwer zu recyceln sind. Forscher haben das Problem erkannt und suchen emsig nach natürlichen Grundstoffen für die Plastikherstellung. Biokunststoffe wie das auf oder Plimc, ein Polycarbonat, dass aus , sind hier vielversprechende Kandidaten. Eine weitere Alternative könnten „Mineral-Kunststoffe“ sein, wie Forscher der Universität Koblenz im Fachjournal Angewandte Chemie berichten.

Leicht formbar und recycelbar

Das Team um Chemiker Helmut Cölfen ließ sich hierbei von der Natur inspirieren und kreierte eine völlig neue Kunststoff-Klasse, die in ihrer Struktur Biomaterialien ähnelt. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes Hydrogel, das aus Nanopartikeln von Calciumcarbonat (Kalk) besteht, die durch Polyacrylsäure in Wasser vernetzt werden. Der Vorteil: Der neuartige Kunststoff entsteht unter Raumtemperatur und verbraucht somit bereits bei der Herstellung kaum Energie. Damit ist das Hydrogel nicht nur leicht formbar, sondern auch problemlos zu recyceln. Durch Zugabe von Essig- oder Zitronensäure löst es sich auf. Die zurückbleibende Polyacrylsäure ist ungiftig. „Das Verfahren der Herstellung des Hydrogels ist unmittelbar für die Industrie adaptierbar, zumal die Ausgangsmaterialien kostengünstig großtechnisch hergestellt werden“, erläutert Helmut Cölfen.

Selbstheilend und verbindend

Eine weitere positive Eigenschaft: Das Hydrogel wirkt „selbstheilend“. Ein Tropfen Wasser reicht aus, um beispielsweise Risse im Material zu schließen oder aber Bauteile miteinander zu verbinden. Hinzukommt, dass das Gel beim Erhitzen die Farbe ändert, so dass es auch als Temperatursensor genutzt werden könnte. Im trockenen Zustand ist das Material wie Plastik, das nicht leicht zerbricht und biegsam ist. Nach Einschätzung der Konstanzer Forscher wäre das Hydrogel auf Grund seiner stabilen und zugleich biegsamen Eigenschaften für Elektronikbauteile geeignet. Quellfähigkeit und Härte würde die neue Kunststoff-Klasse für Bauanwendungen interessant machen, um Risse zu füllen.

Medizinische Anwendungen prüfen

Die Forscher sind überzeugt: Das nicht-toxische, plastische Material könnte in Zukunft klassische Kunststoffe teilweise ersetzen und dadurch zur Lösung von Umweltproblemen beitragen. Als nächstes will das Team um Cölfen die neue Kunststoff-Klasse auf ihren Einsatz in der Medizin genauer untersuchen. Dabei sollen weitere Mineralien wie Polyasparaginsäure, die als Verbindungsstoff geeignet und vollständig biologisch abbaubar ist, als Ausgangsstoff getestet werden.

bb

Pflanzliche Parasiten wie der Teufelszwirn zapfen Nutzpflanzen an, saugen an ihnen und können so ganze Ernten vernichten. Doch es gibt auch Gewächse, denen der Schmarotzer nichts anhaben kann. Wie Tübinger Pflanzenforscher im Fachjournal Science (2016, Bd. 353, S.478) berichten, besitzen Tomaten ein molekulares System, das die bedrohlichen Pflanzenparasiten erkennt und ihnen wirksam das Handwerk legt.

Teufelszwirn, Hexenseiden oder Kletterhur. Der Volksmund kennt viele Namen für die Schmarotzerpflanze Cuscuta reflexa. Sie windet sich über den Boden am Spross empor und saugt sich an Pflanzen fest, um ihr Nährstoffe, Wasser und Kohlenhydrate zu entziehen. Während der Parasit wächst und gedeiht, fehlt dem Wirt jegliche Kraft, Blüten oder Früchte zu bilden. Die Folge: die Pflanze stirbt ab, es kommt zu Ernteausfällen. Doch es gibt auch Nutzpflanzen, denen der Teufelszwirn nichts anhaben kann: die Tomate. Das Nachtschattengewächs gehört zu den wenigen resistenten Arten, an deren Spross der Parasit nicht einwachsen kann, weil die befallenen Pflanzen mithilfe eines korkig-holzigen Schutzgewebes den Angreifer abwehren. In diesem Fall ist es der Teufelszwirn, der abstirbt, weil er durch den verwehrten Zugriff nicht an die notwendigen Nährstoffe kommt.

Parasiten erkennen und abwehren

Wie Tomaten den Schmarotzer abwehren hat ein Team um Markus Albert vom Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen (ZMBP) der Universität Tübingen gemeinsam mit Cyril Zipfel und Matthew Smoker vom Sainsbury Laboratory im englischen Norwich jetzt herausgefunden. Um hinter den Mechanismus zu kommen, kreuzten die Forscher die Kulturtomate mit der wilden Tomatenart Solanum pennellii. Wie die Wissenschaftler in Science berichten, stießen sie dabei auf ein Gen, das die Tomate vor dem ungebetenen Gast schützt. „Im Erbgut der Tomate kodiert es für einen Rezeptor, der auf der Oberfläche der Tomatenzellen sitzt. Er erkennt ein molekulares Muster des Teufelszwirns“, erklärt Markus Albert. Der Rezeptor funktioniert dann wie ein molekularer Schalter, der eine Immunantwort der Tomate auslöst, sobald die Ankunft des Schmarotzers bekannt ist. Die Resistenz der Wirtspflanze wird dabei in einer Art gesteigert, dass der Parasit keine Chance, sich festzusaugen.

Neue resistente Nutzpflanzen züchten

Mit der gleichen Waffe schützen sich Tomatenpflanzen übrigens auch vor Krankheitserregern, Insekten oder Spinnentiere. Dass der Mechanismus auch als Parasitenbremse wirkt, hat die Forscher jedoch überrascht. Normalerweise stehen sich Parasit und Wirt als Pflanzen aus Sicht der Evolution sehr nahe – „zumindest im Vergleich mit den Modellen Pflanze und Mikrobe oder Pflanze und Insekt“, sagt Albert. Neu ist auch, dass es einen Mechanismus gibt, mit dem Pflanzen andere Pflanzen als fremd erkennen. Die Tübinger Forscher liefern damit einen Ansatzpunkt, den Dialog zwischen Pflanzen auf zellulärer Ebene besser zu verstehen. „Außerdem stehen durch diese Entdeckung Pflanzenforschern neue Möglichkeiten zur Verfügung, Nutzpflanzen zu kreieren, die für parasitische Pflanzen weniger anfällig sind“, sagt Albert.

bb

Wasserdichte Sachen sind beliebt bei Groß und Klein. Doch die Schutzschicht besteht aus Chemikalien, die schwer abbaubar sind.  Forscher der Hohenstein Institute und vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart haben eine nachhaltige Alternative gefunden. Mithilfe wasserabweisender Proteine, sogenannten Hydrophobinen, die in Zellwänden von Pilzen lagern, wollen sie in den kommenden Jahren einen natürlichen Schmutz- und Wasserblocker für Textilien kreieren. Das gemeinsame Projekt ist soeben gestartet.

Ob bei Regen, Wind oder Schnee: Dank moderner wasser- und schmutzabweisender Textilien ist man gegen jedes Wetter gewappnet. Doch so beliebt die Funktionskleidung ist - das Imprägnierverfahren ist umstritten. Bei der Hydrophobierung werden per- und polyfluorierte Chemikalien - kurz PFC - verwendet. PFC bestehen aus Kohlenstoffketten verschiedener Länge, bei denen die Wasserstoffatome vollständig (perfluoriert) oder teilweise (polyfluoriert) durch Fluoratome ersetzt sind. Diese äußerst stabile Bindung lässt sich nur unter sehr hohem Energieaufwand wieder lösen und ist  kaum abbaubar. Forscher der Hohenstein Institute in Bönnigheim und vom Fraunhofer Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart haben jetzt  ein Forschungsprojekt gestartet, um eine neuartige Textilausrüstung mit wasser- und schmutzabweisenden Eigenschaften zu entwickeln, die für Mensch und Umwelt unbedenklich ist.

Pilzproteine biotechnologisch herstellen

Die Forscher setzen dabei auf wasserabweisende (hydrophobe) Proteine, die sogenannten Hydrophobine. Diese Eiweißmoleküle kommen natürlicherweise in den Zellwänden von Pilzen vor, wo sie eine wasserabweisende Funktion haben. Im Laufe des Projekts möchten die Forscher die Pilzproteine biotechnologisch herstellen und anschließend auf Textilien aufbringen.

Proteine mit Anker versehen

Das Prinzip: die hydrophoben Proteine werden mit einem „Anker“ versehen, der sich als Bindeglied selektiv und stabil an Zellulosefasern binden kann. In einer Machbarkeitsstudie wurde das Prinzip der „Anker-Protein-Ausrüstung“ bereits umgesetzt. Den Forschern gelang es, ein grün fluoreszierendes Marker-Protein über einen Cellulose-Anker stabil an verschiedene Textilien zu binden.

Nachhaltige Funktionskleidung

Ziel des soeben gestarteten Gemeinschaftsprojektes ist es, eine ökonomisch und nachhaltig stabile Funktionalisierung von Textilien zu finden. Das Projekt wird von Biotechnologen und Textilwissenschaftlern gleichermaßen vorangetrieben und von einem Ausschuss unterstützt, der sich aus verschiedenen Industrievertretern der Textil- und Biotech-Branche zusammensetzt. Wasser- und schmutzabweisende Eigenschaften von Textilien sind nicht nur für den Outdoor-Bereich wichtig, sondern auch in Medizin und Autoindustrie  wie zum Schutz von Fasern vor mikrobieller Zersetzung bedeutsam.

bb

Noch fristen aus Biomasse hergestellte Produkte ein Nischendasein. Doch ihr wirtschaftliches Potential ist gewaltig. Entsprechen hoch sind die Erwartungen auch aus politischer Sicht.  In Berlin haben auf Einladung des Bundeslandwirtschaftsministeriums Anfang November internationale Experten über den richtigen Weg in die biobasierte Wirtschaft diskutiert.

Gerade einmal 1% der jährlich produzierten 288 Millionen Tonnen Kunststoffe entstehen aus nachwachsendem, pflanzlichen Material. Gleichwohl stellen Regierungen weltweit bereits jetzt die Weichen in Richtung klimaschonende, post-fossile Produktion. „Das Interesse ist sehr groß. Die Industrie treibt die Nutzung nachwachsender Rohstoffen bei uns von selbst voran“, sagtet Sixten Sunabacka, für die Waldwirtschaft zuständiger Direktor im finnischen Wirtschaftsministerium, auf dem Vorabend-Empfang zur internationalen Konferenz „Bioökonomie – nachhaltige Alternative zur fossilen Wirtschaft?“. Die Veranstaltung fand Anfang November in Berlin statt.

In den Gesprächen wurde deutlich: Zwar zählt Deutschland mit seiner Forschungs- und Politikstrategie zu den Pionieren in Sachen Bioökonomie. Die internationale Konkurrenz nimmt aber rapide zu. Neben Finnland, den USA, Kanada und den Niederlanden geben auch Länder wie China, Malaysia und Südafrika der Biologisierung der Industrie höchste Priorität. Gerade Schwellenländer wie etwa Malaysia, das bis 2020 insgesamt 34 Millionen US-Dollar in ein „Bioeconomy Transformation Programme“ stecken will, sehen die grüne Technologie als Chance, ihre landwirtschaftlichen Ressourcen für den industriellen Quantensprung zu nutzen. Auch in Europa tut sich einiges: „16 der 28 EU-Mitgliedstaaten haben die Bioökonomie in den Agenden für den Mittelerwerb im Rahmen des neuen Europäischen Strukturfonds angegeben – und das nur neun Jahre nach Vorstellung des Konzeptes der Knowledge-based Bioeconomy“, erklärte Christian Patermann, Entwickler des Konzeptes.

Nachhaltigkeit „Made in Germany“

Was die Politik beim Aufbau einer nachhaltigen und ressourcenschonenden biobasierten Wirtschaft bereits getan hat und leisten muss, war am Folgetag Thema der vom Bundeslandwirtschaftsministerium organisierten Konferenz. Vor 350 internationalen Gästen unterstrich Bundesagrarminister Christian Schmidt die wirtschaftlichen Chancen, die die biobasierte Produktionsweise für die hiesige Landwirtschaft bietet: „Eine starke, diversifizierte und nachhaltige Landwirtschaft, die die Grundlage für eine biobasierte Wirtschaft liefert, sorgt auch für mehr Wertschöpfung in ländlichen Räumen.“ Mit rund 60 Millionen Euro pro Jahr fördert sein Ministerium Projekte zur stofflichen Nutzung der Biomasse. Weitaus mehr liegt für die Bioökonomie im Topf. Der Minister machte in seiner Eröffnungsrede deutlich, dass die Nahrungsmittelproduktion gerade angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung stets Priorität gegenüber der Erzeugung pflanzlicher Industrierohstoffe haben müsse. Das im Zusammenhang mit der Biosprit-Debatte vielzitierte Argument hatten Unternehmensvertreter und Politikberater einige Tage zuvor auf dem Fachkongress „Biokunststoffe – Bausteine für eine Bioökonomie“ indes vehement zurückgewiesen. Sie betonten, dass der Flächenverbrauch durch stoffliche Nutzung gegenüber der Energie- (12,5%), Lebensmittel- (27,5%) und Futtermittelproduktion (56%) in Deutschland zu vernachlässigen wäre.

Bioökonomie werde – je nach Interessenlage – regional recht unterschiedlich definiert, auch was die Nachhaltigkeitsmaßstäbe angehe, unterstrich Joachim von Braun, Co-Vorsitzender des Bioökonomierates. „Wir brauchen ein Monitoring der Nachhaltigkeit und des Fortschrittes in Sachen Bioökonomie“, betonte von Braun, der meinte, Deutschland sei gut beraten, die Messlatte bei Nachhaltigkeitsstandards hoch anzulegen. „Bioökonomie ist ein Zukunftthema“, erklärte auch Bundesforschungsministerin Johanna Wanka. Sie wies darauf hin, dass die biobasierte Produktion eine der sechs langfristigen Prioritäten der neuen Hightech-Strategie der Bundesregierung sei. Einig war sich die Ministerin mit ihrem Kollege Schmidt darüber, dass „wir eine Akzeptanz und Nachfrage in der Bevölkerung brauchen“. Aus Sicht des Landwirtschaftsministers ist eine europäische Anstrengung nötig, um die Chancen des Rohstoffwandels von fossilen zu biobasierten Produkten in die Köpfe der Verbraucher zu bringen.

Nachfrage schaffen

Damit Europa bei der Biomasseproduktion international wettbewerbsfähige Preise erzielen kann, sollen „Sustainable Biomass Regions“ entstehen und ressourceneffiziente Produktionsketten etabliert werden, erklärte Doris Schnabel vom EU Bioeconomy Panel. Laut Waldemar Kütt, Kabinettschef unter Forschungskommissarin Maire Geoghegan-Quinn, sei es europapolitisch das nächste Ziel, die Bioökonomie mit der Kreislaufwirtschaft zu vereinen. Europas einfache Erfolgsformel dabei: Wertschöpfung aus Abfall.

Die weltweit führenden Industrienationen haben in den vergangenen fünf Jahren massiv in die Bioökonomie investiert. Das geht aus einer Studie hervor, die der Bioökonomierat auf dem "Global Forum for Food and Agriculture" vorgestellt hat. Auf der vom Bundesministerium für Landwirtschaft organisierten Veranstaltung diskutieren hunderte Experten über die Frage, wie die wachsende Nachfrage nach Rohstoffen, alternativen Energiequellen und Ernährung bei gleichzeitiger Sicherung der Ernährungssicherheit gestemmt werden kann. Der Bioökonomie kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu, allerdings müsse international noch mehr kooperiert werden, fordert der Bioökonomierat.

Mit Blick auf knappe fossile Ressourcen, Klimawandel und wachsende Weltbevölkerung sind nachhaltige und ressourceneffiziente Strategien gefragt, um langfristig den Wohlstand moderner Gesellschaften zu garantieren. Die Bioökonomie nimmt hierbei eine Schlüsselrolle ein: Sie bietet den gesamtgesellschaftlichen Rahmen, um ökonomisches Wachstum und nachhaltiges Wirtschaften zu verbinden. Wie das im Einzelfall gelingen kann und welche Herausforderungen damit für Landwirtschaft und Ernährungssicherung ergeben, darüber diskutieren Experten aus aller Welt beim "Global Forum for Food and Agriculture" in Berlin, das vom 15. bis 17. Januar zum Auftakt der Internationalen Grünen Woche stattfindet.

Studie nimmt G7-Staaten unter die Lupe

Eine Studie des Bioökonomierates belegt nun, dass sich inzwischen alle weltweit führenden Industrienationen mit Bioökonomie-Initiativen und Strategien positioniert haben. Die Bioökonomie wird nicht nur mit einer ökologischen Transformation, sondern auch mit wirtschaftlichen Chancen verbunden, heißt es.  Im Rahmen der Studie, die vom Bioökonomierats-Vorsitzenden Joachim von Braun auf dem Forum vorgestellt wurde, sind alle G7-Staaten hinsichtlich ihrer politischen Bioökonomie-Aktivitäten untersucht worden. „Weltweit hat die Zahl und der Umfang politischer Maßnahmen zur Bioökonomie in den vergangenen fünf Jahren stark zugenommen. Die G7 sollten sich nun systematisch über ihre Maßnahmen austauschen und gemeinsam vorangehen“, betonte von Braun, Direktor des Zentrums für Entwicklungsforschung an der Universität Bonn.

Unterschiedliche Schwerpunktsetzung

Die Studie listet für jedes Land Schwerpunktthemen und die wichtigsten politischen Akteure auf. Zugleich wird ein Überblick über aktuelle Fördermaßnahmen gegeben. Die Ergebnisse zeigen, dass jedes Land seinen individuellen Bioökonömie-Weg eingeschlagen hat: Während Deutschland, die USA und Japan auf umfassende staatliche Förderprogrammen zur Bioökonomie setzen, verfolgen Italien und Kanada einen pragmatischen Weg und lassen die Industrie vorangehen. Großbritannien wiederum zielt mit seiner Förderung darauf, neue Industrie- und Dienstleistungssektoren mit Hilfe der Biowissenschaften zu entwickeln. Frankreich setzt seinen Schwerpunkt in der Klimapolitik und  fördert die Bioökonomie mit Umweltgesetzen, um so den Aufbau eines grünen Chemie- und Energiesektors zu stimulieren.

Bioökonomierat fordert mehr internationale Kooperation

Auch Europa ist der Studie zufolge ein führender Akteur in der Bioökonomie. So haben großangelegte Forschungsförderprogramme der Europäischen Kommission (FP7, Horizon 2020) bereits  dazu geführt, dass auch Nationalstaaten über die G7 hinaus eigene Bioökonomie-Initiativen entwickelt haben. „Es ist zu begrüßen, dass die führenden Industrienationen den strategischen Wert der Bioökonomie erkannt haben. Die meisten Programme verlaufen jedoch unkoordiniert und beziehen sich nur auf das eigene Land. Damit die Bioökonomie ihr volles Potential entfalten kann, benötigen wir internationale Kooperation“, sagt Christine Lang, die neben von Braun den zweiten Vorsitz des Bioökonomierats einnimmt.

Die Internationale Grüne Woche ist wieder eröffnet. Vom 16. bis 25. Januar dreht sich in den Messehallen unterm Berliner Funkturm alles um Landwirtschaft, Ernährung und Gartenbau. Zum 80. Geburtstag glänzt die weltgrößte Fachmesse mit einem Rekord: 1.658 Aussteller aus 68 Ländern sind auf dem diesjährigen Event vertreten, darunter 550 deutsche Aussteller. Doch bei der „Grünen Woche“ geht es schon längst nicht mehr nur um kulinarische Köstlichkeiten. Die Bioökonomie hat sich hier einen festen Platz erobert. Auf der nature.tec in Halle 5.2. können sich die Besucher wieder überzeugen, wie biobasierte Rohstoffe zunehmend unseren Alltag erobern. Eine Ausstellung des Bioökonomierates ist schon zu Beginn der Messe einer der Besuchermagneten.

Ob exotische Krebstiere, brandenburgischer Apfel-Chili-Senf, iranischer Safran oder belgisches Bier: die Internationale Grüne Woche ist ein Eldorado für alle Gaumenfreuden und macht auch im 80. Jahr ihres Bestehens ihrem Ruf als größte Schlemmermeile der Welt alle Ehre. Zum Jubiläum der weltgrößten Fachmesse für Landwirtschaft, Ernährung und Gartenbau werden etwa 400.000 Besucher erwartet. Träger der Veranstaltung sind der Deutsche Bauernverband und die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungswirtschaft. Zum achten Mal mit dabei: die Sonderschau nature.tec. In Halle 5.2. steht die effiziente und nachhaltige Nutzung biobasierter Rohstoffe im Mittelpunkt. Veranstaltet von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR), dem Deutschen Bauernverband und dem Bundesverband BioEnergie, präsentieren hier viele Unternehmen biobasierte Produkte aus Land- und Forstwirtschaft für die Textil, Bau- und Autoindustrie.

Bauen mit Holz

Der natürliche Rohstoff Holz ist als Baustoff seit langem interessant. Doch er bekommt zunehmend Konkurrenz. Naturdämmstoffe aus Flachs oder Hanf, Bodenbeläge aus Linoleum, Sisal oder Kork, Naturfarben und -putze mit Bindemitteln aus Leinöl oder Pigmenten aus Pflanzenfarbstoffen, bieten eine Vielzahl von Baumaterialien für die Innen- und Außengestaltung von Gebäuden.

Bei der Wanderausstellung BAUnatour können sich Hausbesitzer von den hohen baulichen Ansprüchen nachwachsenden Materialien überzeugen. Im Infomobil geben zudem unabhängige Fachkräfte über Vorteile und Eigenschaften natürlicher Baustoffe Auskunft.

Nachwachsende Rohstoffe im Alltag

Bei der Fachschau Bioökonomie  werden alle Ebenen der Herstellungskette - von der Züchtung geeigneter Energie- und Industriepflanzen, über Anbau, Rohstoffgewinnung und –aufbereitung bis hin zur Strom-, Wärme- und Kraftstofferzeugung  dargestellt. Am Stand der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) werden Besucher Zeuge, wie auf der kleinsten Blasformmaschine der Welt Fläschchen aus Biokunststoff entstehen.

Inwieweit nachwachsende Rohstoffe bereits unser Leben bestimmen, stellt der Bioökonomierat auf der Grünen Woche vor: "Bioökonomie auf 36m2" heißt die Ausstellung, in der eine Wohnung im Miniformat veranschaulicht, welche biobasierten Produkte es bereits in unseren Alltag geschafft haben. Blickfang ist hier unter anderem ein Hightech-Fahrrad aus Holz. Aber auch ein Kleid aus Milch, ein Autoreifen aus Löwenzahn oder  Kosmetik aus Spinnenseide sind zu besichtigen.

Autoteile aus Naturfasern

Welche biobasierten Produkte in der Zukunft auf uns warten, dazu bietet der Stand der Fraunhofer Gesellschaft einige Einblicke. Vor allem Neuentwicklungen aus Bioplastik oder Holz für die Automobilindustrie stehen im Fokus. So setzen Forscher vom Anwendungszentrum für Holzfaserforschung HOFZET beim Karosseriebau auf einen  Kombination von Naturfasern wie Hanf, Flachs, Holz und Baumwolle mit Carbonfasern. 

Darüber hinaus zeigen sie eine Faserformpresse für die Automobilindustrie. Hierbei werden Fasern unter hoher Temperatur in Kunststoffe eingefügt, die sich nach der Aushärtung nicht mehr verformen lassen. Darüber hinaus veranstaltet das Fraunhofer IAP ein Biopolymer-Kolloqium. Im Fokus stehen Themen wie duroplastische, thermoplastische und Spezial-Biopolymere.

Die Zukunft der Landwirtschaft liegt in der Bioökonomie. Das haben die Agrarminister aus 62 Ländern auf einem internationalen Gipfeltreffen in Berlin in einem Abschlusscommuniqé festgehalten. Es gelte das Potenzial für nachwachsende Rohstoffe auszuschöpfen, gleichzeitig aber stets die Ernährungssicherung zu gewährleisten. Dies könnte im Rahmen einer weltweiten Bioökonomie gelingen. Künftig soll der internationale Austausch zu diesem Thema unter dem Dach der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen stattfinden, fordern die Minister.  

Beim 7. Internationalen Agrarministertreffen in Berlin haben Landwirtschaftsminister aus 62 Ländern über die Perspektiven der Bioökonomie diskutiert und ihr eine wichtige Bedeutung zugesprochen. Das Spitzentreffen war Bestandteil des Global Forums for Food and Agriculture 2015 (GFFA), zu dessen Anlass der Bioökonomierat eine Denn aus Expertensicht ist klar: Die Bioökonomie kann nur dann weltweit Fuß fassen, wenn sich die entsprechenden Regierungen regelmäßig über aktuelle Entwicklungen austauschen. "Wir brauchen mehr internationale Kooperation", betonte Joachim von Braun, Direktor des Zentrums für Entwicklungsforschung an der Universität Bonn und Vorsitzender des Bioökonomierates, der in diesem Jahr die Eröffnungsveranstaltung des GFFA moderiert hat. Die  Fachtagung mit rund 1.300 Teilnehmern lief parallel zur Internationalen Grünen Woche, die jedes Jahr tausende   

Agarminister: Chancen der Bioökonomie nutzen

Im Zentrum der Beratungen der Agrarminister stand in diesem Jahr, wie die Chancen einer nachhaltigen Bioökonomie in der Landwirtschaft genutzt und gleichzeitig der Vorrang der Ernährungssicherung sichergestellt werden kann. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt den globalen Nutzen bioökonomischer Ansätze: „Wenn mehr Menschen in ländlichen Regionen der Welt durch Ausbau und Nutzung der Bioökonomie ein Auskommen haben, dient dies der Armutsbekämpfung und somit unmittelbar auch der Ernährungssicherung.“ Insbesondere für Länder, die über wenige fossile Rohstoffressourcen verfügen, sei die Bioökonomie eine Chance, die Wirtschaftskraft zu vergrößern. Dabei müsse jedoch jedes Land seinen eigenen Weg gehen, Patentrezepte für alle Weltregionen gebe es nicht, so der Minister: „Es bedarf intelligenter standortangepasster und nachhaltiger Konzepte, mit denen die Menschen jeweils vor Ort arbeiten können.“ Bei solchen Überlegungen muss auch die Wirtschaft miteingebunden werden, mahnte der Politiker an. „Wir wollen die Chancen der Bioökonomie nutzen, aber wir müssen sie so gestalten, dass die Prioritäten richtig gesetzt sind“, so Schmidt. 

Internationaler Dialog unter dem Dach der FAO gefordert

Die Agrarminister verständigten sich daher auf eine engere Abstimmung auf internationaler und nationaler Ebene. Zugleich waren sich die Minister einig, dass man die Grenzen des eigenes Ressorts überwinden und auch Wirtschafts-, Forschungs-, Umwelt- und Energiepolitik in den Blick nehmen müsse. Im Abschlusscommuniqé (Mehr Informationen: PDF-Download) fordern sie eine Weiterführung des weltweiten Dialogs, um das Potenzial der Bioökonomie voll auszuschöpfen. Dies soll insbesondere im Rahmen der FAO erfolgen. Vorgeschlagen wird, dass die Frage einer nachhaltigen Landwirtschaft im Kontext der Bioökonomie auch bei der von der FAO mitbegleiteten Weltausstellung EXPO 2015 thematisiert wird. Sie steht in diesem Jahr unter dem Motto "Feeding the world" und findet von Anfang Mai bis Ende Oktober in Mailand statt.

Die deutsche Bioenergiepolitik benötigt eine neue strategische Ausrichtung, die internationale Herausforderungen berücksichtigt: Dies fordert der Bioökonomierat, ein Beratungsgremium der Bundesregierung, in einem heute veröffentlichten Papier.


Energie aus Biomasse bringe einige Vorteile mit sich, so die Autoren. Sie lässt sich besonders gut speichern und kann die Schwankungen der Wind- und Solarenergie in der Strom- und Wärmeerzeugung ausgleichen. Gleichzeitig sind die Expansionsmöglichkeiten von Energie aus landwirtschaftlichen Rohstoffen eingeschränkt. Vor allem dürfe keine Konkurrenz zu Nahrungsmitteln geschaffen werden, betonte der Rat. „Die Bioenergiepolitik hat zwar in der jüngsten Vergangenheit einige vernünftige Anpassungen vorgenommen, aber die Kopplung von Energie- und Nahrungsmittelpreisen sowie staatliche Subventionen tragen zur Knappheit von Agrarprodukten und Preisanstiegen bei“, konstatierte der Ratsvorsitzende Joachim von Braun. „Dies hat vor allem Konsumenten mit niedriger Kaufkraft in Entwicklungsländern betroffen.“ Die Strategie der deutschen Bundesregierung müsse sich deshalb auch an internationalen Herausforderungen ausrichten.

Einheitlicher Bewertungsrahmen für Bioenergiequellen

In seinem Bioenergie-Papier steckte der Rat auch die wichtigsten Ziele der neuen Strategie fest: Sie müsse Klima und Natur schützen, bestehende Zielkonflikte lösen, Systemstabilität gewährleisten und gleichzeitig technologische Vorteile angemessen nutzen. Der Rat fordert darüber hinaus die Entwicklung eines einheitlichen Bewertungsrahmens für die verschiedenen Energiequellen. Dieser soll neben der Wirtschaftlichkeit – wobei Biomasse aus Primärrohstoffen ein vergleichsweise teurer Energielieferant ist – auch indirekte Effekte wie die Schädigung von Ökosystemen mit einbeziehen.

Internationale Abstimmung bei Zertifizierung

Weiterhin empfiehlt der Bioökonomierat eine international abgestimmte Biomasse-Zertifizierung, die neben sozialen Standards ökologische Fußabdrücke berücksichtigt. In Entwicklungsländern, die einen großen Teil ihrer Primärenergie über die Verbrennung von Biomasse erzeugen, sei eine andere Energiewende zu vollziehen, an der sich Deutschland mit Forschung und Technologie-Partnerschaften vermehrt beteiligen sollte.
Nach neuesten Daten decken regenerative Quellen etwa 12% des deutschen Energiebedarfs. 62% davon werden der Bioenergie zugeschrieben, so der Bioökonomierat. „Die energetische Nutzung von pflanzlichen Reststoffen ist kostengünstig und umweltschonend. Sie kann den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren. Damit ist die Bioenergie wichtiger Teil des Systems Bioökonomie”, betonte die Co-Vorsitzende des Rates Christine Lang.

Vor fast 20 Jahren kam im Labor des schottischen Roslin-Instituts mit Hausschaf "Dolly" das erste geklonte Nutztier zur Welt. Dazu wurde das Erbgut einer ausdifferenzierten Euterzelle in entkernte Eizellen verfrachtet. Mit dieser Methode wurden in der Folge auch Rinder und anderen Nutztiere geklont - beispielsweise wenn es um wertvolle Zuchttiere geht. Eine Mehrheit der Abgeordneten im Europäischen Parlament hat sich nun für ein Klonverbot von Nutztieren ausgesprochen. Damit sollen EU-Bürger davor bewahrt werden, dass künftig Lebensmittel von geklonten Tieren oder deren Nachkommen auf ihren Tellern landen. Von Drittländern soll für Importe ein Zertifikat für "klonfreie" Ware eingefordert werden. Der angenommene Entwurf der Parlamentsausschüsse für Landwirtschaft und Umweltschutz ging über den Vorschlag der EU-Kommission aus dem Jahr 2013 hinaus. Gültig wird der Gesetzesentwurf nur, wenn auch der Ministerrat entscheidet. Noch sind die Meinungen der 28 EU-Regierungen zum Thema noch nicht abgestimmt.

Ursprünglich hatte die Europäische Kommission zwei Richtlinien vorgeschlagen, wonach zwar das Klonen von Schweinen, Schafen, Rindern oder Ziegen für die Landwirtschaft verboten worden wäre, das Klonen von Sportpferden oder zur Herstellung von Arznei wäre jedoch nicht unter die Regelung gefallen. Außerdem hätte Fleisch, Käse oder Milch von nachfolgenden Generationen geklonter Tiere ungekennzeichnet vermarktet werden dürfen. Zudem sollten die Richtlinien vorerst für fünf Jahre gelten.

Parlament verschärft Entwurf der Kommission

Die Abgeordnenten haben diese Vorschläge nun noch einmal verschärft und in eine unmittelbar gültige Verordnung umgewandelt. Das geplante Verbot soll sich demnach nicht nur auf das Fleisch geklonter Nutztiere wie Kühe, Schafe oder Rinder beschränken. Auch sämtliche Produkte, die von Klontieren und ihren Nachkommen stammen, sollen aus europäischen Kühlregalen verbannt werden. So hat es eine Mehrheit von europäischen Abgeordneten im EU-Parlament beschlossen. "Dieser Gesetzentwurf ist eine deutliches Signal an unsere Handelspartner, dass wir nicht bereit sind, unsere eigene Gesundheit, die Gesundheit unserer Familien und die der künftigen Generationen aufs Spiel setzen, indem wir auf Erzeugnisse von zweifelhafter Qualität setzen", sagte die Berichterstatterin des Agrarausschusses, die italiensiche Abgeordnete Giulia Moi (EFDD, IT). Das Klonverbot soll jedoch nicht für Tiere gelten, an denen geforscht wird. Auch die Reproduktion seltener oder gefährdeter Rassen oder die Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten durch Klonen soll weiterhin möglich bleiben, hieß es.  

Die Parlamentarierer berufen sich bei ihrer Entscheidung auf die mehrheitlich ablehnende Haltung der Bürger. Demnach würden 80 Prozent der EU-Bürger das Klonen von Tieren zur Lebensmittelherstellung ablehnen. Zugleich werden ethische Bedenken um das Tierwohl als Grund für den Vorstoß genannt. Sie verweisen auf einen Bericht der EU-Lebensmittelbehörde EFSA aus dem Jahr 2008, wonach nur wenige Klontiere lebend geboren werden und die Überlebenden gesundheitlich beeinträchtigt sein können. In einem Update aus dem Jahr 2012 betonte die EFSA jedoch, dass keine Bedenken für den Verzehr von Fleisch von Nachkommen von geklonten Rindern und Schweinen. Hier gebe es keinerlei Unterschiede zu herkömmlichen Fleisch. (zum Bericht hier klicken) „Wir können die langfristigen Folgen der Entscheidung nicht abwägen", sagte die rumänische Abgeordnete Daciana Octavia Sarbu (PSD). Mit Blick auf zukünftige Generationen müsse man daher nicht nur das Klonen, sondern auch die Einfuhr geklonter Nahrungsmittel verbieten.

Zertifikat für "klonfreie"-Ware gefordert

Der Entwurf der europäischen Volksvertreter zielt insbesondere auf ein Verbot der Vermarktung von Zuchtmaterial wie Sperma, Eizellen und Embryonen ab. Darüber hinaus will die EU künftig einen Nachweis von ihren Handelspartner einfordern: eingeführte tierische Nahrungsmittel aus Drittländern sollen demnach „klonfrei“ sein. Dies betrifft vor allem Exportländer wie USA, Kanada, Argentinien und Brasilien. Hier werden Klontechniken bei Nutztieren bereits eingesetzt und Unternehmen betonen, dass die Verfahren immer effizienter und sicherer werden. In der Regel wird auch hier nicht direkt für die Fleischproduktion geklont, das ist zu aufwendig. Vielfach geht es darum, für die Zucht besonders geeignete Bullen oder Kühe zu klonen, um dann deren reproduktives Material zu vermarkten, das auch in der EU bisher gern gekauft worden ist. "Bis jetzt waren wir in der Lage, Reproduktionsmaterial aus Drittländern zu importieren. Wir lassen die Drecksarbeit andere machen und entziehen uns so der Verantwortung", erklärt die Berichterstatterin für den Umweltausschuss, Renate Sommer (EVP, DE) das Importverbot. Für eine solche Umsetzung ist jedoch eine Kennzeichnungspflicht notwendig.  Für die Rückverfolgung sollen im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens allerdings erst noch nähere Bestimmungen formuliert werden. Dass dies eine der großen Knackpunkte werden wird, ist schon jetzt absehbar: Schon 2011 nämlich waren Verhandlungen über die Kennzeichnung von Klonfood zwischen den europäischen Institutionen gescheitert. Die Kommission hielt damals die Kennzeichnung für zu bürokratisch.

Verbot noch nicht final entschieden

Das radikale Verbot ist allerdings noch nicht beschlossene Sache und könnte frühestens 2017 in Kraft treten, da die 28 EU-Regierungen bei dem Thema gleichberechtigt mitentscheiden und sich noch nicht inhaltlich geäußert haben. Wann und wie eine Entscheidung im Ministerrat getroffen wird, ist daher offen. Auch die Bundesregierung hat zu dem EU-Gesetz noch keine offizielle Position bezogen, obwohl der Koalitionsvertrag eine Kennzeichnungspflicht für Produkte geklonter Tiere enthält. Der Deutsche Bundestag hatte sich allerdings  im Mai dieses Jahres fraktionsübergreifend gegen das Klonen von Nutztieren sowie eine Kennzeichnungspflicht geklonter Tiere und deren Fleisch ausgesprochen.

Aktuell ist in der EU nur eine gentechnisch veränderte Nutzpflanze, der Monsanto-Mais MON810, für den landwirtschaftlichen Anbau zugelassen. Für derzeit insgesamt sechs Sorten haben Saatguthersteller die EU-Zulassung für den Anbau beantragt. Doch inzwischen streben die meisten Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nationale Anbauverbote an. Möglich macht das eine neue EU-Regelung, nach der die Mitgliedsstaaten per "Opt-out-Mechanismus" auf nationalem Terrain Verbote erlassen können. Insgesamt 17 der 28 Mitgliedsländer, darunter auch Deutschland, kündigten der EU-Kommission per Antrag an, von dieser Regelung Gebrauch machen zu wollen. Die Bundesregierung will demnach sämtliche gentechnisch veränderte Maissorten, deren Zulassung beantragt oder geprüft wird, von den hiesigen Äckern verbannen. Den Herstellern steht nun in einer ersten Phase frei, ihre Zulassungsanträge für die entsprechenden Länder zurückzuziehen. Sollten die Unternehmen indes auf den Anbau beharren, können die Länder mit nationalen Anbauverboten kontern. 

Anfang des Jahres stärkte das EU-Parlament die Entscheidungshoheit der Mitgliedsländer und änderte die Zulassungsregeln für Gentechnikpflanzen, die auf dem Acker angebaut werden. Seit April 2015 gilt nun die neue "Opt-Out-Klausel" in der Richtlinie 2001/18/EG.  Sie stellt es den Mitgliedsstaaten frei, nationale Anbauverbote oder -beschränkungen für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) zu erlassen. Der Anbaustopp kann demnach auch auf sozioökonomischen oder raumordnerischen Erwägungen gründen.

Nunmehr sechs Maissorten stehen zur Debatte

Entsprechende Verbotsanträge konnten bis 3. Oktober bei der EU eingereicht werden. Fast zwei Drittel der 28 Mitgliedsländer signalisierten, den Anbau gentechnisch veränderter Nutzpflanzen auf ihren Äckern verbieten zu wollen. Zu den 17 "restriktiven" Nationen gehören unter anderen auch die deutschen Nachbarn Frankreich, Dänemark, Luxemburg, die Niederlande, Österreich und Polen. Hinzu kommen vier Regionen/Landesteile wie das belgische Wallonien, Schottland, Wales und Nordirland (die komplette Liste auf der Website der EU-Kommission: hier klicken). Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt kündigte an, in einem ersten Schritt für acht gv-Maissorten ein Anbauverbot zu erwirken. "Der Anbau von gentechnisch verändertem Mais ist unvereinbar mit der in Deutschland üblichen Ackernutzung", hieß es zur Begründung. Von dem Verbot wären neben den Unternehmen Syngenta, Dow AgroSciences und DuPont-Pioneer auch der US-Saatguthersteller Monsanto betroffen. Syngenta zog unterdessen die Zulassung von zwei gv-Maissorten (MIR 604 und BT11xMIR604xGA21) zurück, so dass nunmehr sechs Gentechnik-Maissorten zur Debatte stehen. Darunter ist auch MON810, für die eine erneute Zulassung aussteht. Die folgenden Länder/Regionen streben keine Anbauverbote für Gentechnikpflanzen an: Es sind Spanien, Portugal, Schweden, Finnland, Irland, Tschechien, die Slowakei, Rumänien sowie England und das belgische Flandern.

Streit über nationale Umsetzung hält an

Über das von Schmidt geplante Anbauverbot  für die Gentechnikpflanzen wurde im Bundeskabinett wie auch im Bundesrat zuvor kontrovers diskutiert - besonders über das Ausmaß und das Format von Anbauregelungen. Während der CSU-Politiker die Entscheidung in die Hände der Bundesländer legen will, plädiert die SPD für eine bundesweit einheitliche Lösung. Bundesforschungsministerin Johanna Wanka hatte sich erst kürzlich offen gegen ein Anbauverbot ausgesprochen. Die EU-Kommission informiert nun die Agrar-Unternehmen über die Verbotsanträge der Staaten. Sollten diese auf den Anbau bestehen, können die Länder mit nationalen Anbauverboten reagieren.