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An Tieren getestete Kosmetika sind seit März 2013 innerhalb der EU verboten. Weder Shampoo, Lotion noch Lippenstift dürfen danach auf schädliche Wirkung an Tieren getestet worden sein. In der medizinischen Forschung sind hingegen Tierversuche noch weit verbreitet, weil es an aussagekräftigen Verfahren fehlt. Doch die Forschung nach Alternativen zum Tierversuch laufen weltweit auf Hochtouren. Nun hat ein europäisches Forscherkonsortium ein vielversprechendes Verfahren entwickelt. Unter Beteiligung von Fraunhofer-Forschern entstand ein Bioreaktor, in dem sich Leberzellproben über vier Wochen kultivieren und zugleich beobachten lassen. Damit konnten die Wissenschaftler erstmals live beobachten, wie eine Substanz auf das Gewebe wirkt.

Tierversuche sind seit Langem umstritten und sollen daher auf ein "unerlässliches Maß" beschränkt werden. Die Suche nach Alternativen zum Tiermodell läuft daher auf Hochtouren und wird auch vom Bundesforschungsministerium seit Jahren finanziell unterstützt. Erfolge gibt es bereits. So gelang es Berliner Forschern, einen Multiorganchip zu entwickeln, auf dem Organe wie Leber im Miniformat abgebildet werden können, um Arzneimittel zu testen.  Während an Tieren getestet Kosmetika seit 2013 in der sind Labortiere wie Mäuse oder Ratten bei Wirkstofftests noch immer unverzichtbar. Bisher wurde die Wirksamkeit von Substanzen im Tierversuch  mit sogenannten Endpunkt-Messungen ermittelt. „Dabei verabreicht man verschiedene Dosen eines Wirkstoffs und analysiert anschließend das abgestorbene Gewebe oder das tote Tier. Wie der Wirkstoff im Detail auf die Zellen wirkt, kann man damit nicht ermitteln“, erklärt der Leiter der Abteilung Zelluläre Biotechnologie am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI, Claus Duschl.

Reaktion der Lebenzellen beobachten

Gemeinsam mit Forschern aus sechs europäischen Ländern und Israel haben Duschl und seine Kollegen am IZI in Potsdam einen Mikroreaktors namens “HeMiBio“ (Hepatic Microfluidic Bioreactor) entwickelt, in dem Leberzellen über vier Wochen kultiviert und beobachtet werden können. Das heißt: Die Wissenschaftler konnten erstmals live erleben, wie eine Substanz auf das Gewebe wirkt. Dafür bedient sich der Mikroreaktor winziger Sensoren, die in Echtzeit ermitteln, wie viel Sauerstoff die Leberzellen gerade verbrauchen. Anhand des Sauerstoffverbrauchs kann abgelesen werden, welche Stoffwechselprozesse zu einem bestimmten Zeitpunkt in Zellen ablaufen. Wird beispielsweise eine toxische Substanz hinzugefügt, registrieren die Sensoren, wie sich der Sauerstoffverbrauch der Zellen verändert. Darüber ist erkennbar, welche Stufen im Stoffwechselprozess der Wirkstoff beeinflusst oder unterbricht. „Im Projekt haben wir mit unseren Kooperationspartnern, Zellbiologen von der Hebrew University in Jerusalem, die Vermutungen überprüft, indem genau jene Substanzen ersetzt wurden, deren Produktion durch den Giftstoff blockiert wird", erläutert Duschl. „Tatsächlich liefen danach die anschließenden Stoffwechselschritte ungestört weiter“.

Stoffwechselprozesse nachahmen

Gemeinsam mit Partner aus Israel waren Duschl und sein IZI-Team maßgeblich an der Entwicklung der Sensortechnologie beteiligt. Sie verwendeten hierbei kleine Polymerpartikel, die mit Farbstoffen versetzt wurden und phosphoreszierendes Licht abgeben. Dass der Mikrobioreaktor funktioniert, haben die Verbundpartner an Proben von Leberzellen bewiesen. Als nächstes wollen die Forscher das Minilabor auch für andere Zellen fit machen, um Stoffwechselpropzesse besser nachahmen zu können. Aber schon jetzt steht fest: Mithilfe des Bioreaktors HeMIBio kann gezeigt werden, warum welche Wirkstoffe giftig sind und wie sie konkret auf das Gewebe wirken.  Das Verfahren ist somit ein wichtiger Schritt, um Tierversuche bei Arzneimitteltests künftig weiter zu reduzieren. Das Projekt HeMiBIo wurde im Rahmen der EU-Initiative SEURAT-1 von der Europäische Union und Cosmetics Europe gefördert.

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Naturstoffe sind der Pfeiler einer biobasierten Wirtschaft. Pflanzen, Pilze oder Mikroorganismen bieten dafür eine ganze Palette von Wirkstoffen, chemischen Substanzen oder gar Mechanismen, die für Forschung und Industrie eine immer größere Rolle spielen. Längst sind nicht alle Geheimnisse der Natur gelüftet. Doch es gibt zahlreiche Beispiele, wo die Natur Lehrmeister war und sein könnte. Welche Chancen Naturstoffe für Pharmazie und Medizin bieten und wie daraus Medikamente werden – darüber informiert die App „Vorbild NaturNaturstoff-Forschung in Deutschland“. Das von der Fachgesellschaft DECHEMA bereitgestellte Mini-Programm ist kostenfrei für Android und über iTunes verfügbar.

Was Fauna und Flora seit Jahrmillionen produzieren und praktizieren, ist mitunter bis heute der Wissenschaft ein Rätsel. In der Medizin werden die Heilkräfte der Natur zwar seit Jahrhunderten genutzt. Doch die Natur hat weit mehr als nur Wirkstoffe gegen Fieber und Gliederschmerzen zu bieten. Tiere wie der Gecko oder die Miesmuschel dienen Materialforschern längst als Vorlage für die Entwicklung neuer Superkleber. Auch das Geheimnis um die Reißfestigkeit der hauchdünnen Spinnenfäden ist gelüftet und wurde zur Vorlage, um die Fäden im Labor biotechnologisch zum Einsatz in Hightech-Textilien nachzubauen.

Naturstoff-Forschung für unterwegs

Die Beispiele verdeutlichen, wie groß der Fundus an Naturstoffen ist und wie  enorm ihr Potenzial für die Entwicklung neuer Produkte in der Pharma- und Lebensmittelsmittelindustrie sowie für die Landwirtschaft und Gesundheitsvorsorge ist. Welche Chancen Naturstoffe aus Pflanzen, Pilzen oder Mikroorganismen für Medizin und Pharmazie bieten, welche Stoffe wie für neue Produkte genutzt werden und welche neuen Erkenntnisse es auf diesem Gebiet gibt – darüber informiert erstmals eine App, die von Experten aus der DECHEMA-Fachgruppe „Niedermolekulare Naturstoffe mit biologischer Wirkung“ erstellt wurde.

App für Experten und interessierte Laien

Die App, die kostenlos für iPhone- und Android-Geräte verfügbar ist,  listet sowohl Erfolge und Potenziale der Naturstoff-Forschung auf, will aber zugleich neugierig auf neue Erkenntnisse und Anwendungsmöglichkeiten auf dem Gebiet der Naturstoff-Forschung machen. Die Autoren aus Industrie, Universitäten und Forschungseinrichtungen berichten hier in 18 Kapiteln über ihre Forschungsgebiete und tragen Naturstoffe aus Regenwald, Meer oder Bodenbakterien zusammen. Die App beinhaltet neben der Geschichte der Naturstoff-Forschung, auch eine Diskussion über aktuelle wissenschaftliche Methoden und deren Perspektiven. Interessierte können sich darüber auch einen Überblick über Forschungsgruppen und Studien- sowie Ausbildungsmöglichkeiten verschaffen. Die App will keinesfalls nur Experten ansprechen, sondern auch interessierte Laien für das Thema Naturstoffe begeistern und eine Brücke schlagen, zwischen der vertieften Auseinandersetzung mit Naturstoffen und ihrer kommerziellen Nutzung.

Weizen ist hierzulande Grundnahrungsmittel und wird als Mehl oder Gries vor allem zum Backen von Brot, Toast oder Kuchen genutzt. Doch die Back- und Verarbeitungsqualität von Weizen wird in ferner Zukunft deutlich nachlassen. Grund dafür ist der Klimawandel. Denn der ansteigende CO2-Gehalt in der Atmosphäre könnte wie ein Dünger zwar zu einer Ertragsteigerung führen, doch zu einem hohen Preis: Der Protein- und Nährstoffgehalt der Weizenkörner wird deutlich beeinträchtigt. Diese Ergebnisse zeichnen sich bereits in Simulationsexperimenten von Forschern der Universität Hohenheim ab. In Klimakammern und im Feldversuch simulieren sie die CO2-Konzentration in 30 Jahren und vermessen die Auswirkungen auf Ertrag und Qualität des Weizens. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Forschergruppe "Regionaler Klimawandel" mit 300.000 Euro unterstützt.

Knapp 12 Millionen Hektar werden bundesweit als Ackerfläche genutzt, wobei Getreide auf mehr als der Hälfte aller Felder angebaut wird. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist der Weizen unter den Getreidearten mit 3,2 Millionen Hektar die dominierende Kulturpflanze auf bundesdeutschen Äckern. Zu Mehl oder Gries verarbeitet ist die Kulturpflanze eines der Grundnahrungsmittel hierzulande und eine reichhaltige Nährstoffquelle obendrauf. Doch das könnte sich in naher Zukunft ändern. Unsache dafür ist der Klimawandel, wie Forscher der Universität Hohenheim ermittelt haben.

CO2-Gehalt-Simulation auf dem Acker

In einer ersten Phase zwischen 2012 und 2015 wurden in sogenannten Klimakammern die voraussichtliche Temperatur und die CO2-Konzentration der Zukunft von 550 ppm simuliert und dann Ertrag und Qualität des Weizens mit den heutigen Eigenschaften der Kulturpflanze bei einem CO2-Gehalt von 400 ppm verglichen. Nun gibt es erste Ergebnisse eines Feldversuchs, der im vorigen Jahr gestartet ist. Im Projekt „Prozessverständnis von CO2-induzierten Mechanismen für Ertrag und Ertragsqualität ausgewählter Weizengenotypen im Feld" werden die CO2-Bedingungen der Zukunft auf dem Acker mit Hilfe von „FACE- Free-Air Carbon dioxide Enrichment“ nachgestellt. „Das ist eine technische Versuchsanordnung, mit der wir bereits heute im Freiland den Einfluss einer zukünftigen, erhöhten CO2-Konzentration auf die landwirtschaftliche Produktion untersuchen können“, erklärt Projektleiter Andreas Fangmeier. Über dünne Leitungen wird dabei Kohledioxid – je nach Windrichtung und –stärke – direkt auf den Weizen gegeben, so dass künftige CO2-Konzentrationen in der Kulturpflanze entstehen und das unabhängig von Wind, Sonnenstrahlung und Verdunstung.

Ertragssteigerung auf Kosten der Qualität

Für das Feldexperiment nutzen die Forscher zwei unterschiedliche Weizenarten: Zum einen die qualitativ hochwertige Sorte Triso und die auf Ertrag gezüchtete Sorte Tybalt. Im Zentrum der Untersuchung steht die Frage: Wie können die Nährstoffe in den Pflanzen bei heutigen und künftigen CO2-Konzentrationen aufgenommen und verteilt werden? Dafür werden Wasserhaushalt, Saftfluss und Photosynthese-Leistung der Pflanzen gemessen, die Verteilung von Kohlenstoff und Stickstoff in der Pflanze bestimmt  und deren Inhaltsstoffe analysiert. Das Ergebnis: Das Treibhausgas CO2 könnte zwar als Dünger wirken und die Erträge erhöhen – aber die Qualität negativ beeinflussen. „Wir haben festgestellt, dass eine CO2-Erhöhung in der Atmosphäre den Proteingehalt im Weizen reduziert. Auch der Gehalt an Gluten, das als Kleberprotein für gute Backfähigkeit sorgt, sinkt durch mehr CO2“, erklärt Fangmeier. 

Back-und Verarbeitungsqualität sinken

Außerdem stellten die Forscher eine Veränderung in der Zusammensetzung der Proteine fest, was die Verarbeitungsqualität des Weizenmehls wie das Teigvolumen beeinträchtigt. „Es könnte daher notwendig werden, in Zukunft die Verarbeitungskette an diese Verhältnisse anzupassen“, empfiehlt daher Projektmitarbeiterin Petra Högy. Neben der schlechteren Back- und Verarbeitungsqualität nahm auch der Nährstoffgehalt der Kulturpflanze ab. So sank bei höheren CO2-Konzentrationen der Anteil von Calcium, Eisen, Magnesium und Zink im Weizen deutlich. Auch der Anteil an Aminosäure reduzierte sich.  „Das Problem der Fehlernährung könnte sich also in Zukunft noch erheblich verstärken“, warnt  daher Andreas Fangmeier. Der Forscher gibt zu bedenken, dass sich diese Ergebnisse nochmals deutlich verschärfen können, wenn klimatische Extrembedingungen dazukommen. Bisher gibt es dazu noch keine Erkenntnisse.

Verbundprojekt bündelt Klimamessdaten

Diese und frühere Forschungsdaten werden im Verbundprojekt der Forschergruppe „Regionaler Klimawandel“ gebündelt. „Die Modelle, die sie entwickeln und validieren, sollen dann noch genauere Prognosen zulassen, wie sich der Klimawandel auf Kulturpflanzen auswirkt“, stellt Petra Högy klar. Im Rahmen des Vorhabens werden seit 2012 die Folgen des globalen Klimawandels für die hiesige Landwirtschaft untersucht und daraus Prognosen für die Entwicklung bis 2030 abgeleitet. Die Feldversuche der Hohenheimer Forscher laufen noch bis 2018.

Millionen Tonnen Kunststoff werden weltweit jährlich produziert. Die Entsorgung der meist aus dem erdölbasierten Stoff PET bestehenden Verpackungen ist problematisch. Nur ein Teil davon kann tatsächlich recycelt werden. Obendrein belastet der Plastikmüll zunehmend die Weltmeere und gefährdet die Artenvielfalt der Meeresbewohner. Japanische Forscher haben nun eine einmalige Entdeckung gemacht: In Proben eines Recylinghofes für PET-Flaschen fanden sie ein Bakterium, das in der Lage ist, den Kunststoff auf natürliche Weise abzubauen und zu verwerten, wie das Team im Fachjournal Science (2016, Bd. 351, S.1196) berichtet.

Rund ein Drittel der weltweit produzierten knapp 300 Millionen Tonnen Kunststoffe werden jährlich für Verpackungen eingesetzt. 50 Millionen Tonnen bestehen davon aus Polyethylenterephthalat - kurz PET, der vor allem in Getränkeflaschen vorkommt. Das Problem: Nur ein Teil der Kunststoffprodukte können recycelt werden. Das Gros davon wird entweder professionell verbrannt oder wird als Müll in der Natur entsorgt. Die fein zerriebenen Mikroplastikteilchen belasten indes nicht nur das Grundwasser. Auch die Ozeane sind voll davon und werden zunehmend zu einer Gefahr für die Meeresbewohner. Deutsche und belgische Forscher konnten erst kürzlich belegen, dass jährlich bis zu acht Millionen Tonnen Plastikmüll aufs Meer hinausgetrieben werden und Teile davon

Bakterien als Recyclinghelfer

Die Suche nach biobasierten und biologisch abbaubaren Alternativen zum erdölbasierten Kunststoff PET läuft daher weltweit auf Hochtouren und wird auch vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in zahlreichen Projekten gefördert. Vielversprechende Entwicklungen aus deutschen Laboren gibt es bereits. Dazu zählen umweltfreundliche  oder Doch das eigentliche Problem bleibt die umweltfreundliche Entsorgung des Kunststoffes. Ein europäisches Forscherteam unter deutscher Federführung der RWTH Aachen will das Problem mit Hilfe von Bakterien lösen, um Plastikmüll in

Bakterium knackt PET-Oberfläche und bildet kunstoffzersetzendes Enzym

Japanische  Forscher präsentieren nun in Science einen solchen bisher einmaligen bakteriellen Recyclinghelfer. In Proben aus einer Recyclingstation für PET-Flaschen stießen die Wissenschaftler aus Kyoto, Yokohama und Yamaguchi auf ein bislang einzigartiges Bakterium. Der Mikrobenstamm Ideonella sakaiensis wurde in einem Konsortium mehrerer Mikroorganismen identifiziert und ist in der Lage, die Polymerketten des PET-Kunststoffs zu „knacken“. Die Untersuchungen ergaben, dass sich Ideonella sakaiensis überraschend an den PET-Oberflächen anheften kann und dort ein hochspezifisches Enzym (PETase) ausstößt, das wiederum die chemischen Bindungen im Kunststoff aufbricht. Die Abbauprodukte werden danach vom Mikroorganismus aufgenommen und von einem zweiten selektiven Enzym (MHETase) in der Zelle in die Monomere Ethylenglykol und Terephthalsäure gespalten. Diese PET-Grundbaustoffe können der Studie zufolge somit komplett verstoffwechselt werden und dienen folglich als alleinige Wachstumsquelle des Mikroorganismus. „Bislang waren nur ganz wenige Enzyme bekannt, die überhaupt und auch nur eine sehr geringe Aktivität im Abbau von PET zeigen“,  so der Greifswalder Biochemiker Uwe Bornscheuer in einem Begleitartikel in Science. Die glatte Kunststoffoberfläche des Polymers galt bisher als unzugänglich. „Hier scheint der Ideonella sakaiensis-Stamm besondere Mechanismen entwickelt zu haben, die das japanische Forscherteam aber noch nicht im Detail aufklären konnte“, so der Forscher

Chance für umweltfreundliche PET-Synthese

Bornscheuer ist überzeugt, dass der Mikroorganismus genutzt werden könnte, um den Kunststoff PET umweltfreundlich zu verwerten. Mit dem Wissen um die beteiligten Enzyme könnten zudem Verfahren entwickelt werden, um das Monomer Terephthalsäure zu isolieren und für die Synthese von PET wieder einzusetzen. „Dies würde ohne Zweifel eine erhebliche Umweltentlastung darstellen, da auf den Einsatz von Erdöl zur Herstellung dieses Kunststoffes verzichtet werden könnte“, so der Biochemiker.  Faszinierend ist auch, dass das Bakterium offenbar nur eine kurze Zeit brauchte um sich an das erst vor 70 Jahren entstandene Substrat PET anzupassen.

Haben Pflanzen ein Nervensystem und somit Empfindungen wie der Mensch? Würzburger Pflanzenforscher sind davon überzeugt. Für den Beweis dieser These fehlte es  bisher jedoch an geeigneten Werkzeugen. Nun hat das Team um Rainer Hedrich eine elegante Lösung für das Problem gefunden. Um zu messen, wie in Pflanzen elektrische Signale weitergeleitet werden, holten sich die Forscher einen tierischen Helfer: Sie nutzen Blattläuse als Biosensoren. Mit deren Hilfe stellten sie fest, dass Pflanzen auf verschiedene Schädigungen ganz unterschiedlich reagieren, wie das Team im Fachjournal Trends in Plant Science (2016; Online-Veröffentlichung) berichtet.

Bei einer Verletzung reagiert der menschliche Körper binnen von Millisekunden. Der durch Schnitt oder Sturz ausgelöste Reiz wird blitzartig über Ionenkanäle von Zelle zu Zelle weitergegeben, so dass der Schmerz spürbar wird. Dass auch Pflanzen solche Empfindungen haben können und eine Art "Pflanzenneurobiologie" existiert, wurde einst als Spinnerei abgetan. Einige Forscher, darunter Hedrich, sind seit Langem überzeugt, dass auch Pflanzen über elektrische Signale Informationen zwischen den Organen ihres Körpers austauschen. 

Blattläuse messen Signale der Pflanze

An der Venusfliegenfalle hatte der Würzburger Biologe schon vor einigen Jahren beweisen können, dass die fleischfressende Pflanze die gesendeten elektrischen Signale zählen kann und danach entscheidet, ob die Falle zuschnappt oder nicht. Entsprechende Signale waren in den Siebröhren messbar – einem Leitungssystem aus miteinander gekoppelten Zellen, das Nährstoffe wie Zucker durch die Pflanze transportiert. Haben Pflanzen ähnlich wie der Mensch also doch ein Nervensystem, dass in Gestalt der Siebröhren daherkommt? Diese These ist umstritten und war bisher nur schwer zu beweisen, weil geeignete Messmethoden fehlten, um die Weiterleitung elektrischer Signale über größere Entfernungen in Pflanzen zu messen. Gemeinsam mit Kollegen der Universität Würzburg hat Hedrich dafür nun eine Lösung gefunden. Um festzustellen, wie in Pflanzen elektrische Signale weitergeleitet werden, nutzen sie Blattläuse als Bio-Sensoren. Der Grund: Blattläuse stechen sehr zielgenau in die Siebröhren von Pflanzen und saugen dort den zuckerhaltigen Saft auf.

Mit dem in der Pflanzenphysiologie seit den 1960er genutzten Blattlaus-Trick erzeugten die Würzburger Forscher nun zwischen Insekt und Pflanze einen elektrischen Stromkreis. Dafür wurde den Tierchen ein feiner Draht an den Körper geklebt und dieser mit einer Elektrode verbunden, die in der Erde einer Topfpflanze steckte. Auf diese Weise konnten sie die Ausbreitung elektrischer Signale in den Siebröhren der Ackerschmalwand genau messen.

Schmerzreaktionen zeitlich sehr verschieden

Das Ergebnis: Die Pflanzen reagieren auf Schädigungen wie eine Schnittverletzung am Blatt oder einen Kälteschock völlig verschieden. In beiden Fällen legten die Signale zwar größere Strecken von zehn Zentimeter und mehr zurück. Dabei liefen die Signale von der beschädigten Stelle in alle anderen Organe, die dann passend reagierten, in dem sie beispielsweise Proteine synthetisieren, die Pflanzen vor Kälte schützen. Bei einer Schnittverletzung dauert es jedoch mehrere Minuten, ehe die Pflanze elektrischen Impulse auslöste – also reagierte. Bei Kälteeinwirkung kam der elektrische Impuls schon nach etwa 15 Sekunden. „Diese Unterschiede sind für uns ein Hinweis darauf, dass die elektrischen Signale jeweils eine spezielle Bedeutung haben“, sagt Hedrich.

Neue Einsätze der Blattlaus als Biosensor

Mit der Blattlaus als Biosensor wollen Hedrich und sein Team nun klären, wie und wo die Signale entstehen, welche Informationen transportiert und wo diese registriert werden aber auch wie die Pflanze letztlich reagiert. „Wir wollen aber auch versuchen, die Bioelektroden zu entlasten, indem wir Gene für Membranpotential-sensitive Reporterproteine im Phloem exprimieren und so die elektrischen Ereignisse des gesamten grünen Schaltkreises einer Pflanze überwachen können“, so Hedrich.

In keinem Land der Welt wird soviel Hopfen angebaut wie in der Biernation Deutschland. Experten befürchten jedoch, dass die Spitzenposition beim Hopfenanbau gefährdet ist, wenn Innovationen in der Züchtungsforschung ausbleiben. Unter Leitung der Universität Hohenheim wollen Forscher nun die Hopfenzüchtung in Deutschland vorantreiben und Sorten entwickeln, die den veränderten Klimabedingungen besser angepasst sind und den neuen Marktanforderungen hinsichtlich der Geschmacksvielfalt mehr gerecht werden. Als ersten Schritt in Richtung Präzisionszüchtung will die Forschergruppe bis 2017 eine genetische Landkarte deutscher Hopfenpflanzen erstellen.

Deutschland gilt traditionell als Bierbrauer- und Biertrinker-Nation, und in diesem Jahr feiert das Reinheitsgebot sein 500. Jubiläum. Beim Konsum der „kühlen Blonden“ rangieren die deutschen Biertrinker mit einem jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 107 Liter (2014) in Europa auf Platz Zwei hinter Tschechien. Beim Bierabsatz ist Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes mit 86 Millionen Hektoliter pro Jahr sogar Spitzenreiter. Und hinsichtlich der bundesweiten Anbaufläche für Hopfen ist das Land mit einem weltweiten Anteil von 36 Prozent sogar Marktführer. Doch die Spitzenposition scheint gefährdet. Denn Deutschland hat mit den USA Konkurrenz bekommen. Der Grund: Die amerikanische Hopfenwirtschaft hat seit Jahren in neue Pflanzungen und Forschung investiert und ist damit der Lage, schneller und gezielter auf wechselnde Geschmackstrends zu reagieren.

Investition in Präzisionszucht

„Die jüngsten Zahlen zeigen, dass Deutschland bereits 2015 als weltweit größtes Hopfenanbauland von den USA eingeholt wurde“, erklärt Michael Helmut Hagemann vom Fachgebiet Ertragsphysiologie der Sonderkulturen an der Universität Hohenheim. Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Bayrischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Hüll/Freising, dem Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen, der Hopfenpflanzer in Tettnang und der Hopfenverwertungsgenossenschaft will Hagemann Deutschland durch Präzisionszucht auf Kurs halten und fit für die Konkurrenz machen. Das Projekt wird durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Baden-Württemberg, die Erzeugergemeinschaft Hopfen HVG e.G. in Wolnzach und die Universität Hohenheim finanziert.

Hopfen schneller züchten

Das Ziel der Forscher: die Entwicklung moderner Züchtungsverfahren, um Hopfen präziser und schneller züchten zu können. Denn bis eine neue Sorte im Kessel der deutschen Bierbrauer landet, vergehen oftmals bis zu zwölf Jahre. „Das zeigt, wie aufwendig und vor allem kostenintensiv die Züchtung langjähriger Pflanzen ist. Genau hier setzt unser Kooperationsprojekt an.“ Ob der Hopfen geschmacklich perfekt ist, offenbart sich derzeit meist erst bei der Ernte. „Bisher müssen sich deutsche Hopfenzüchter ausschließlich auf ihren langjährigen Erfahrungsschatz und Intuition verlassen. Junge Hopfenpflanzen werden vom Züchter vor allem nach äußeren Eigenschaften wie Aussehen, Wuchs und den ersten Dolden ausgewählt“, erklärt Hagemann.

Genkarte des Hopfens

Mit einer genetischen Landkarte des Hopfens will das Forscherteam um Hagemann nun die Grundlage für die Präzisionszüchtung legen. Den Grundstock für das Forschungsprojekts bilden rund 1.000 Hopfen-Sämlinge, die bereits im Gewächshaus der Universität Hohenheim auskeimen. „Unsere bayerischen Kollegen haben hierfür zwei Elternpflanzen miteinander gekreuzt, die in ihrem Erbmaterial sehr unterschiedlich sind. Auf diese Weise haben wir bei den Nachkommen eine hohe genetische Vielfalt“, erklärt Hagemann weiter. Das Erbgut der 1.000 Nachkommen liefert den Wissenschaftler die Grundlage für die Erstellung einer Genkarte. Sie erlaubt es, bestimmte Merkmale wie Schädlingsresistenz, mehr Ertrag oder bestimmte Aromen mit entsprechenden Erbgut-Abschnitten in Zusammenhang zu bringen. Sind solche Genorte erst einmal bekannt, können bereits junge Hopfenpflanzen per DNA-Check überprüft werden, ob sie interessante Merkmale von ihren Eltern geerbt haben. Die Präzisionszüchtung nutzt das Wissen um die Erbinformation also für diagnostische Zwecke. Die Erstellung der Hopfen-Genkarte soll im Mai starten und bis 2017 abgeschlossen sein.

Im Ergebnis hoffen die Hopfenforscher auf neue Sorten, die an Klimaveränderungen angepasst sind, Resistenzen gegenüber Schädlingen aufweisen und damit zukünftig weniger Pflanzenschutzmitteln benötigen. Zugleich sollen die Pflanzen auch den neuen Marktanforderungen der sogenannten Craft-Bier-Szene entgegenkommen. Die Branche der kleineren Spezialbierbrauer, die mit ungewöhnlichen Geschmacksrichtungen auf den Markt drängen, hat in den vergangenen Jahren rasant zugelegt. 

Viele Pflanzen leben mit Mikroorganismen in Symbiose, die in ihren Wurzeln siedeln. Die Ackerschmalwand ist eine Ausnahme. Arabidopsis thaliana  verzichtet auf  das Pilzgeflecht an der Wurzel als Nährstofflieferant, die Mykorrhiza. Stattdessen verbündet sich die bei Forschern beliebte Modellpflanze bei Bedarf zeitweise mit einem ansonsten eher unliebsamen Gast, dem Bodenpilz Colletotrichum tofieldiae. Wie ein internationales Konsortium unter Leitung von Max-Planck-Forschern in Köln herausfand, toleriert Arabidopsis den Pilz jedoch nur, wenn sie lösliches Phosphat aus dem Boden benötigt, andernfalls agiert das Immunsystem als Wächter und verweigert der Mikrobe den Zutritt. Im Fachjournal Cell (2016, Online-Vorabveröffentlichung) stellen die Wissenschaftler das ungewöhnliche Mikroben-Managmentsystem vor.

Ohne Nährstoffe wie Phosphat können Pflanzen weder wachsen noch gedeihen. In der Regel gehen sie dafür Symbiosen mit Mikroorganismen ein, die in der Wurzel leben und die Nährstoffversorgung übernehmen. Im Gegenzug sorgt die Pflanze dafür, dass die Untermieter reichlich Kohlenstoff aus der Photosynthese erhalten. Die Modellpflanze Arabidopsis thaliana ist hier eine Ausnahme, wie ein internationales Forscherteam unter Federführung des Kölner Max-Planck-Institutes für Pflanzenzüchtungsforschung herausfand. Wie das Team um Paul Schulze-Lefert berichtet, pflegt die Ackerschmalwand hinsichtlich der Phosphat-Versorgung eine Symbiose nach Bedarf mit dem eigentlich bedrohlichen Bodenpilz Colletotrichum tofieldiae. „Das gedeihliche Miteinander von Arabidopsis und Colletotrichum hat uns zunächst überrascht, weil diese Pilzfamilie fast überall als Krankheitserreger auftritt Allein beim Mais verursacht ein Verwandter Ernteeinbußen in Milliardenhöhe“, sagt Paul Schulze-Lefert, Direktor am Kölner Max-Planck-Institut.

Fremd unter bestimmten Umständen

Im Rahmen der im Fachjournal Cell erschienen Studie gingen die Wissenschaftler der Frage nach, warum der Bodenpilz Arabidopsis nicht krank macht. Die Antwort fanden sie im Immunsystem der Ackerschmalwand. Sie konnten zeigen, dass das angeborene Immunsystem den Pilz nur als Untermieter in der Wurzel akzeptiert, wenn Arabidopsis nicht selbst an Phosphat herankommt, sondern auf fremde Hilfe bei der Umwandlung des unlöslichen Phosphats angewiesen ist. Andernfalls bringt die Pflanze ihr Immunsystem in Stellung und versperrt dem fremden Pilz den Zugang zur Wurzel. „Fremd ist also nicht immer fremd, sondern nur unter bestimmten Umständen. Das ist eine ganz neue Sicht auf das Immunsystem“, bemerkt Schulze-Lefert. Die Forscher vermuten, dass diese besondere Symbiose auf die Standortbedingungen der in der Studie verwendeten Ackerschmalwand zurückzuführen sind. Der Pilz wurde aus einer Arabidopsis-Pflanze im spanischen Hochland isoliert, wo kaum lösliches Phosphat im Boden vorhanden ist.

Mikroben-Managmentsystem entschlüssselt

Darüber hinaus konnte das Forscherteam aufklären, welche Prozesse für das faszinierende Mikroben-Managmentsystem verantwortlich sind. Der Studie zufolge misst Arabidopsis mithilfe des sogenannten "Phosphat Starvation Response"-Regelwerkes die Verfügbarkeit des Nährstoffs im Boden und gibt die Information an einen Schaltkreis weiter, der das Pflanzenwachstum bestimmt. Dem Pilz wird also nur Zutritt gewährt, wenn das Depot an löslichem Phosphat zur Neige geht. Auch der Syntheseweg zur Bildung von Senfölglykosiden, die Teil des Immunsystems sind, prägt die ungewöhnliche Symbiose. Der Studie zufolge wird der Pilz zum lebensbedrohlichen Schädling, wenn dieser Syntheseweg fehlt.

Immunsystem wird zum Nährstoffregulator

„Arabidopsis-Pflanzen entscheiden über ihr anstehendes Verhältnis zu ihrem Untermieter, indem sie ihr Immunsystem mit dem Messfühler für die Phosphatversorgung verbinden“, erklärt Schulze-Lefert. Damit regelt das Immunsystem auch  die externe Nährstoffversorgung der Pflanze bei Phosphatmangel, was im Pflanzenreich bislang ein Novum ist. „Wir haben jetzt gezeigt, dass ein Pilz den wir zufällig gefunden haben, sich dort nicht zufällig aufgehalten hat. Er dient Arabidopsis als Ersatz für die fehlende Mykorrhiza. Ohne ihn würde sie auf Phosphat-Mangelböden nur geringe Überlebenschancen haben“, so der Kölner MPI-Direktor. Als Nächstes wollen die Max-Planck-Wissenschaftler klären, welche Moleküle die Kommunikation zwischen Nährstoffversorgung und Immunsystem steuern und wie dieser Entscheidungsprozess organisiert wird.

Wieviele Gene sind mindestens nötig, damit ein einfach gebauter Organismus überleben kann? Ein US-Forscherteam um Craig Venter und Clyde Hutchinson hat für einzellige Lebewesen eine neue Rekordmarke für ein Minimalgenom aufgestellt: 473 Gene besitzt das im Labor im kalifornischen La Jolla geschaffene Bakterium namens „Syn 3.0“. Das Erbgut der Mikrobe wurde am Computer designt und vollständig aus chemischen Grundbausteinen zusammengesetzt. Die Forscher berichten im Fachjournal Science (2016, Online-Vorabveröffentlichung) über ihre aufwendige molekularbiologische Tüftelei, die als weiterer Meilenstein der Synthetischen Biologie gilt. Die Genomforscher versprechen sich nicht nur Erkenntnisse über die essenziellen Grundzutaten des Lebens. Ihre Designer-Mikroben könnten Vorlage für programmierbare Produktionsorganismen der Zukunft sein.

Selbst einfache Lebewesen wie Bakterien sind hochkomplexe, biologische Systeme. Ein Ziel von Wissenschaftlern des Forschungszweigs Synthetische Biologie ist es, sie zu vereinfachen, bis nur die minimale Ausstattung der notwendigsten Komponenten übrigbleibt. Dazu entfernen sie alle nicht überlebenswichtigen Bestandteile aus dem Inventar einer natürlichen Zelle. Diese sind immer mit Funktionen ausgerüstet, die sie nur für ihren natürlichen Lebensraum benötigen, nicht jedoch für das Überleben im Labor. Eine Minimalzelle braucht daher nicht unbedingt alle Funktionen einer natürlichen Zelle. Die Hoffnung: Eine verschlankte Zelle gibt den Blick für die entscheidenden Komponenten frei.

Von der künstlichen Kopie zur verschlankten Version

Die US-Forscher Clyde Hutchison und Hamilton Smith am J. Craig Venter Institute sind Vorreiter dieses Top-down-Ansatzes in der Synthetischen Biologie. Vor nunmehr 17 Jahren haben sie sich zum Ziel gesetzt, bei einfach gebauten Mikroorganismen, den Mykoplasmen, das Genrepertoire auf das lebensnotwendige Minimum zu reduzieren. Dass dies technisch prinzipiell machbar ist, haben die US-Pioniere bereits demonstriert. 2010 haben sie das komplette Genom von Mycoplasma mycoides rein chemisch im Labor synthetisiert, nahezu fehlerfrei zusammengesetzt und den nachgebauten DNA-Strang in eine speziell vorbereitete, genomfreie Mykoplasmen-Zelle eingesetzt. Die sogenannte Erbgut-Transplantation funktionierte: Die Zellen teilten sich daraufhin und lebten mit ihrem neuen Designer-Genom weiter.

Erbgutstrang entrümpelt

Die damalige Arbeit sorgte als technologischer Meilenstein für Schlagzeilen, allerdings war das Genom von „JCVI-Syn 1.0“ bloß ein Nachbau, eine leicht abgewandelte Kopie des vollständigen Erbguts von Mycoplasma mycoides.  Erst mit der nun geschaffenen Mikroben-Version „JCVI-syn 3.0“ sind die Bioingenieure ihrer Vision einer Minimalzelle mit entrümpeltem Genom tatsächlich näher gekommen. In mühseliger molekularer Puzzle-Arbeit – mit vielen Anläufen und Rückschlägen – gelang es, den DNA-Strang knapp um die Hälfte zu kürzen (von 1079 auf 531 Kilobasen-Paare) und das Gen-Repertoire um 57 Gene auf genau 473 zu stutzen. Was die Forscher überraschte: Bei einem Drittel der Gene  (149) des synthetischen Schrumpfgenoms ist die Funktion noch unklar. Diese Funktionen wollen die Forscher weiter entschlüsseln, um den molekularen Grundzutaten für das Phänomen „Leben“ auf die Spur zu kommen.

Minimalzelle als Produktionsplattform

Aber den Biotechnologen schwebt auch eine praktische Anwendung vor: Zellen mit Minimalgenom könnten in der Biotechnologie als eine Art Plattform, gleichsam als Chassis, für eine effiziente, industrielle Herstellung von Biomolekülen dienen. Indem Forscher genetische Redundanzen beseitigen, reduzieren sie den Energieaufwand von Zellen – gewünschte Stoffwechselprodukte werden so ressourcenschonender hergestellt. Die Minimalzellen ließen sich nachträglich mit speziellen Stoffwechselprozessen ausrüsten – um so die Produktionswege maßzuschneidern.

Tierische Organe im menschlichen Körper - diese Vorstellung schreckt viele noch ab. Doch Spenderorgane sind rar. Wissenschaftler auf der ganzen Welt sehen diese  Transplantationsmethode daher längst als eine mögliche Alternative zur herkömmlichen Organspende. Dem Ziel, Abstoßungsreaktionen des Körpers zu vermeiden, sind Wissenschaftler aus den USA und Deutschland nun einen großen Schritt näher gekommen. Wie das Team im Fachjournal Nature Communications (2016, Online-Veröffentlichung) berichtet, gelang es ihnen  ein Schweineherz so zu verändern, dass es über zwei Jahre in einem Affenbauch schlagen konnte. Und das ist neuer Rekord.

Organspenden können Leben retten. Doch die Nachfrage an Herz, Lunge oder Niere ist weit größer als das Angebot. Etwa 10.000 Menschen warten der Deutschen Stiftung Organtransplantation zufolge derzeit in Deutschland auf einen Ersatzorgan. Eine Alternative können hier Organe von Tieren sein – die sogenannte Xenotransplantation. Besonders das Schwein kommt als tierischer Spender infrage: Stoffwechsel und Gewebemerkmale kommen dem Menschen recht nahe. Doch das Risiko einer Abstoßung ist die größte Schwierigkeit, mit der die Xenotransplanteure derzeit kämpfen.

Immunsystem mit Wirkstoffmix gebremst

Seit Jahren suchen Forscher weltweit nach Wegen, die Verträglichkeit des tierischen Organs zu verbessern und Abstoßungsreaktionen zu vermeiden. Nun ist US-Forschern in Zusammenarbeit mit deutschen Nutztiergenetikern ein bemerkenswerter Erfolg gelungen: Die US-Forscher von den National Institutes of Health (NIH) in Bethesda haben ein Schweineherz im Körper eines Pavians 945 Tage schlagen lassen, ohne dass es abgestoßen wurde. Das ist neuer Rekord. Bisher kam es in der Hälfte der Zeit zu Abstoßungsreaktionen. Wie das Team im Fachjournal Nature Communications berichtet, wurde dafür das Immunsystem des Affen mit einer vergleichsweise einfachen und wenig toxischen Behandlung so weit gedämpft, dass es das implantierte Herz tolerierte. Dabei handelt es sich um einen Mix aus spezieller Antikörpern und Medikamenten. Die Schweineherzen waren im Bauchraum der Affen implantiert, wo sie an deren Blutversorgung angeschlossen waren. Dort pumpten sie, ohne die normale Herzfunktion der Tiere zu ersetzen.

An der Erfolgsgeschichte waren Forscher vom Genzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München beteiligt. Ein Team um den Genetiker Eckhard Wolf hatte dafür Schweineherzen so modifiziert, dass sich ihr Herz besonders gut für eine solche Transplantation eignete. Im Rahmen der NIH-Studie stellte das von den Münchner Forschern eingebrachte Spenderherz den Rekord auf. Diese genetischen Veränderungen sorgten dafür, dass das Blut der Affen, wenn es durch die Gefäße im Schweineherz fließt, keine Gerinnsel bildet.

Blutgerinnung verhindert

Bei diesem Prozess spielen das Thrombin im Blut und das Thrombomodulin auf den Blutgefäßzellen eine wichtige Rolle. Treffen die Substanzen aufeinander, aktivieren sie gewöhnlich das gerinnungshemmende Protein C. Bei einer Transplantation ist dieser Vorgang jedoch blockiert. Dadurch können sich im Laufe der Zeit Thromben bilden, die wiederum die Abstoßung des Spenderorgans beschleunigen. Die Münchner Genetiker haben damit eine wesentliche Ursache der Abstoßung geklärt – die Blutgerinnung. Die Arbeit des LMU-Teams wird im Rahmen eines Sonderforschungsbereiches zum Thema „Xenotransplantation“ von der Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt.

Mehr als 4.300 Projekte hat die Europäische Union in ihrem Umweltförderprogramm LIFE bereits unterstützt. Jedes Jahr werden die innovativsten Vorhaben mit dem Life Best Project Award prämiert. Noch bis Ende Mai läuft das öffentliche Voting, bei dem jeder Bürger online über sein Lieblingsprojekt abstimmen darf. Auch ein Bioökonomie-Projekt mit deutscher Beteiligung ist unter den 25 nominierten Vorhaben: Leibniz-Forscher aus Potsdam haben ein Verfahren entwickelt, um Abfälle aus der Backindustrie in Bioplastik umzuwandeln.

LIFE ist seit 1992 das Förderprogramm der EU für Umwelt, Naturschutz und Klimapolitik. Im Rahmen dieses Programms wurden bis heute über 4.300 Projekte ko-finanziert. In der aktuellen Förderperiode (2014-2020) stehen 3,4 Milliarden Euro für die Projektfinanzierungen zur Verfügung. Die 25 innovativsten und vielversprechendsten Vorhaben werden alljährlich für den LIFE Environment Best Project Award nominiert. In einem Voting können die Bürger dann über ihre Lieblingsumweltprojekt entscheiden. Der Sieger wird bei der Green Week in Brüssel ausgezeichnet.

Bioplastik aus Brotresten

In diesem Jahr haben es auch mehrere Bioökonomie-Projekte in die engere Auswahl geschafft. Darunter ist auch das BREAD4PLA-Projekt, das nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip aus alten Brotresten neues Verpackungsmaterial gewonnen hat. Das Konsortium wird Plastikforschungsinstitut AIMPLAS in Spanien koordiniert und besteht aus Agraringenieuren, Chemikern und Biotechnologie-Experten, darunter auch vom Leibniz-Institut für Agrartechnik in Potsdam. Die Forscher haben von 2011 bis 2014 daran gearbeitet, aus Backresten eine transparente, dehnbare und zu 100 % biologisch abbaubare Folie herzustellen.  Dafür wurden sie mit knapp 490.000 Euro von der Europäischen Kommission unterstützt. (Projektzusammenfassung: hier klicken)

Allein in Deutschland fallen jährlich etwa 18 Millionen t Lebensmittelreststoffe an, die als Ausgangsmaterial für Produktion von Milchsäure, einem Grundstoff für Bioplastik, genutzt werden kann. Aber auch in Großbritannien gibt es große Menge alte Backwarenreste.  Die Leibniz-Forscher um Joachim Venus haben gemeinsam mit ihren Kollegen aus Spanien ein enzymbasiertes Fermentationsverfahren entwickelt, um zunächst Milchsäure und in einem weitere Schritt PLA herzustellen. Bei PLA handelt es sich um einen kompostier- und recycelbaren Bio-Kunststoff, der eine umweltfreundliche Alternative zu erdölbasierten, thermoplastischen Kunststoffen ist. In ihrem System ließen sich bis zu 4000 t Backwarenrest pro Jahr verwerten, schreiben die Forscher in ihrer Projektzusammenfassung. Aus dem Abfall einer Backfirma ließe sich so durchschnittlich 680 t neue Bioplastik generieren.

Viele innovative Projekte stehen zur Auswahl

Noch bis zum 30. Mai um 23 Uhr kann jeder EU-Bürger online seine Stimme darüber abgeben (hier gehts zum Voting), ob ihm dieses oder eines der anderen 24 Projekte am besten gefällt. Zur Auswahl stehen auch andere ökologische Projektideen. Etwa eine von Solarkraft angetriebenen Aufbereitungsanlage von Meerwasser, bei der als Endprodukt kommerziell nutzbares Salz und Trinkwasser zur Verfügung stehen soll (SOL-BRINE) oder ein Projekt zur Nutzung bisher nicht verwerteter städtischer Abfälle (ENERGY-WASTE). Eine Liste aller nominierten Projekte ist auf folgender Website zu finden: https://ec.europa.eu/eusurvey/runner/bestlifeenv2015
Welches Projekt gewinnt wird sich Anfang Juni bei der Green Week in Brüssel entscheiden, dann wird der Gewinner offiziell ausgezeichnet.

Wie kann die Gesundheit von Pflanzen abseits konventioneller Düngemittel oder Saatzugaben unterstützen? Eine Alternative könnten Naturheilmittel sein, wie sie seit Langem in der Humanmedizin zum Einsatz kommen. Im Rahmen einer neuen Forschungspartnerschaft wollen die Konstanzer Bioplant Naturverfahren GmbH und das Büro für Biologische-Ökologische Beratung nun die Wirkung von auf Naturheilstoffen basierenden Pflanzenstärkungsmitteln genauer untersuchen und neue Produkte entwickeln. Der Grundstein für die Zusammenarbeit wurde im Bodenseeer Vierländer-Netzwerk für Life Sciences "Biolago" gelegt. Unterstützt wird das Projekt durch Innovationsgutscheine des Landes Baden-Württemberg.

Ob gegen Husten, Fieber oder Bluthochdruck – die Natur hält für zahlreiche Krankheiten ein Heilmittel parat. Die Medizin bedient sich dieser Substanzen seit Langem, um Mensch und Tier zu kurieren. Diese Naturheilstoffe könnten aber auch eine umweltfreundliche und gesundheitsverträgliche Alternative zu konventionellen Pflanzenstärkungsmitteln sein. Wie die auf Basis von Naturheilmitteln bestehenden pflanzlichen Fitmacher genau wirken, ist bislang aber wenig bekannt. Das Konstanzer Unternehmen Bioplant Naturverfahren GmbH ist auf die Herstellung biologischer Pflanzen-, Wasser- und Bodenhilfstoffe spezialisiert. Gemeinsam mit dem Büro für Biologische-Ökologische Beratung in Koblenz will der Naturheilmittelexperte das Potenzial bestehender Produkte erweitern und neue natürliche Planzenstärkungsmittel entwickeln. Dafür wollen sie gezielt untersuchen, wie die bestehenden natürlichen Stärkungspräparate auf die unterschiedlichen in der Landwirtschaft genutzten Pflanzenarten wirken.

Wirkung der Endophyten im Blick

Im Fokus steht dabei der Einfluss von Mikroorganismen wie Pilze und Bakterien auf Wachstum und Schädlingsresistenz der Pflanzen. Die Experten sind überzeugt, dass die in den Pflanzen lebenden Mikroorganismen – die endophytische Begleitflora –dabei eine wichtige Rolle spielen könnten. Studien belegen: Bei den meisten mit natürlichen Pflanzenstärkungsmitteln behandelten Nutz- und Zierpflanzen haben Endophyten – sowohl Pilze als auch Bakterien – einen positiven Effekt auf die Wirtspflanzen. Sie können die Vitalität und das Wachstum steigern, die Nährstoffaufnahme fördern und die Pflanzen gegen Umweltstress und Schädlinge widerstandsfähig machen.

Im Rahmen der Forschungspartnerschaft wird das Büro für Biologische-Ökologische Beratung zunächst Literaturrecherchen zum Vorkommen von Endophyten und deren positiven Effekten durchführen. „Inzwischen haben wir Arbeitsanleitungen für Laborversuche erstellt“, so Michael Ernst vom wissenschaftlichen Beratungsbüro. Darüber hinaus wurden bereits Modelltestsysteme für künftige standardisierte Tests von Pflanzenstärkungsmitteln ermittelt, die vielversprechend sind.

Pflanzenstärkungsmittel gezielter einsetzen

Der Naturheilmittelspezialist Bioplant untersucht bereits den Einfluss verschiedener bewährter Präparate auf die Endophytenzusammensetzung verschiedener landwirtschaftlich genutzter Pflanzenarten. Mit einem besseren Verständnis des Wirkmechanismus hofft das Konstanzer Unternehmen natürliche Pflanzenstärkungsmittel künftig noch gezielter einsetzen zu können. „Aber auch Neuentwicklungen sollen im Hinblick auf die nützliche mikrobielle Begleitflora optimiert werden“, erklärt Bioplant-Geschäftsführer Rolf Würthle.

Der Grundstein für die neue Forschungsallianz wurde im Bodenseeer Netzwerk Biolago gelegt. Das Life Science Cluster bringt Unternehmen und Forscher aus den viel Ländern Deutschland, Schweiz, Österreich und Liechtenstein zusammen und fördert Innovationen sowie Unternehmensgründungen. Das neue Konstanzer Projekt wird vom Land Baden-Württemberg gefördert.

Katalysatoren wie Enzyme können chemische Prozesse ankurbeln. Gleichfalls sind sie der Schlüssel, um chemische Stoffe auf effiziente und ressourcenschonende Weise umzuwandeln. Das nachhaltige Potenzial dieser Helfer für die weltweite Wirtschaft ist groß. Mit dem Neubau eines Forschungsgebäudes auf dem Campus Garching will die Technische Universität München (TUM) die Katalyseforschung vorantreiben. In dem soeben eröffneten TUM Catalysis Research Center (CRC) werden  künftig Wissenschaftler verschiedener Fachbereiche der TUM mit Industriepartnern unter einem Dach an neuen Möglichkeiten für den Einsatz von Katalysatoren für eine nachhaltige Wirtschaft forschen. Der Bau des insgesamt 84 Millionen Euro teuren Gebäudes wurde zu knapp einem Drittel vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert.

Katalysatoren sind für die chemische Industrie wie das Salz in der Suppe unverzichtbar. Mit Blick auf eine nachhaltige Wertschöpfungskette werden sie immer wichtiger. Der Grund: Sie können wesentlich dazu beitragen, biogene Rohstoffe besser zu nutzen sowie die Gewinnung, Speicherung und Umwandlung der Energie verbessern. Viele Fragen, wie etwa die katalytische Nutzung von Naturgas (Methan) zur Produktion weiter veredelter chemischer Zwischenprodukte verwendet werden kann, sind bisher aber nicht beantwortet. Das soll sich künftig ändern. Mit dem Neubau eines Forschungsgebäudes hat die Technische Universität München den Weg zur internationalen Katalyseforschung eingeschlagen. Auf dem Forschungscampus Garching wurde am 9. Mai – in unmittelbarer Nachbarschaft zum Gebäude der Fakultät für Chemie - offiziell das TUM Catalysis Research Center (CRC) eingeweiht. „Die Produktvielfalt unserer führenden Technologiegesellschaft wird künftig nur darstellbar sein, wenn mithilfe spezifischer Katalysatoren Wertprodukte aufgebaut, Überflussprodukte abgebaut und Schadstoffe vermieden werden“, betonte  TUM-Präsident Wolfgang A. Herrmann.

Forschung ohne Grenzen

Wissenschaftler aus fünf Fakultäten sowie Kooperationspartner aus der Industrie werden hier zukünftig unter einem Dach an den Herausforderungen der energie- und der ressourcenschonenden Produktion von chemischen Grundstoffen, Feinchemikalien und pharmazeutischen Produkten forschen. Dafür stehen ihnen hochmoderne Laborräume im neuen Komplex zur Verfügung. „In dieser Forschung gibt es zwischen den klassischen Disziplinen der Ingenieur- und Naturwissenschaften keine Grenzen mehr“, so Hermann weiter. Parallel zum Bau des neuen Katalysezentrums wurde an der TUM das Spektrum um Professuren wie Bioanorganische Chemie, Computergestützte Biokatalyse oder Industrielle Biokatalyse erweitert.

Synergien optimal bündeln

„Mit dem neuen Zentralinstitut für Katalyseforschung haben wir nun einen Ort geschaffen, an dem die hier bestehenden Synergien in optimaler Weise zusammenfließen und wirksam werden“, betont Stefan Müller, Parlamentarischer Staatssekretär im BMBF anlässlich der Einweihung des Gebäudes.  29 Millionen Euro hatte das Bundesforschungsministerium in den Garchinger Bau investiert. Das Zentrum ist zugleich Sitz der strategischen Forschungsallianz „Munich Catalysis“ (MuniCat), in der TUM-Wissenschaftler gemeinsam mit Forschern der Clariant AG im Bereich der chemischen Katalyse zusammenarbeiten. Darüber hinaus kooperiert das CRC mit dem Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe in Straubing, wo unter anderem Ethanol aus Agrarreststoffen biokatalytisch erzeugt wird.

bb

Forscher aus Oldenburg und Frankfurt am Main haben untersucht, wie sich der weltweite Schiffverkehr auf die Verbreitung fremder Tier- und Pflanzenarten auswirkt.  Mit Hilfe einer neuen Modellierungsmethode konnten sie das Risiko einer Invasion fremder Meeresbewohner errechnen, die als blinde Passagiere an Bord der Frachtschiffe in neue Regionen gelangen. In der im Fachjournal PNAS (2016, Online-Veröffentlichung) erschienen Studie kommen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass in Gegenden mit hohem Schiffsaufkommen und gemäßigtem Klima zukünftig mit solchen „Einwanderern“ verstärkt zu rechnen ist. In der Nordsee wurden bereits Algen gesichtet, die aus asiatischen Gewässern stammen.

Ein Großteil des weltweiten Handels wird über den Schiffsverkehr abgewickelt. Doch an Bord der Handelsschiffe werden längst nicht nur Waren transportiert. Schiffsrümpfe und Tanks mit Ballastwasser sind ein beliebter Hort für Tiere und Pflanzen, die unbemerkt  in den Häfen ihrer Heimatländer an Bord gehen und in fremden Ländern genauso unauffällig das Schiff wieder verlassen. Das Problem: Eine Invasion fremder Tier- und Pflanzenarten kann ganze Ökosysteme verändern und Schäden in Milliardenhöhe verursachen.

Forscher vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt am Main und der ICBM der Universität Oldenburg haben daher das Reiseverhalten der blinden Passagiere im Frachtschiffverkehr genauer untersucht. „Es ist wichtig zu wissen, wann und wo Tierarten in unsere Ozeane einwandern, um negative  Auswirkungen zu vermeiden beziehungsweise zu verringern“, erklärt Hanno Seebens vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt am Main und Hauptautor der Studie.

Simulationsmodell erweitert

Mithilfe eines neuen Modellierungsmodells konnte das Team aufzeigen, wie der globale Frachtschiffverkehr die Ausbreitung fremder Tier- und Pflanzenarten befördert und in welchen Regionen die „Einwanderung“ am größten sein wird. „Für unsere Simulationen benutzen wir ein mathematisches Modell, welches Daten über Schiffsbewegungen und Schiffsgrößen mit Wassertemperaturen und Salzgehalt des Wassers verbindet, um die Wahrscheinlichkeit einer Invasion zu bestimmen“, erläutert Bernd Blasius vom Oldenburger ICBM. Im Vergleich zu früheren Modellen kann das neue System erstmals auch errechnen, welche Tier- und Pflanzenarten auswandern werden. Dafür wurde das Programm  mit Verbreitungskarten von potenziell invasiven Arten gekoppelt

Klimawandel befördert Invasion

Der Studie zufolge werden in der Nordsee und an den Küsten der USA zukünftig vermehrt solche Eindringlinge zu erwarten sein. Als Grund werden die ähnlichen Bedingungen in den Meeresregionen genannt, die zudem durch einen regen Schiffsverkehr mit einander verbunden sind. „In der Nordsee konnten sich bereits zwei neue Algen-Arten – Prorocentrum minimum und Polysiphonia harveyi – ansiedeln, die wir als Hochrisiko-Arten eingestuft haben. Hier haben sich unsere Vorhersagen schon bestätigt“, berichtet Seebens. Vor allem an der Westküste der USA rechnen die Forscher in Folge des globalen Klimawandels und der damit verbundenen Erhöhung der Wassertemperatur mit einer besonders großen Invasion fremder Tier- und Pflanzenarten. „Der Klimawandel erhöht die Gefahr einer Invasion – dort beobachten wir heute schon erste Einwanderungen aus Asien als Folge der erhöhten Wassertemperatur“, ergänzt Seebens.

Maritime Eindringlinge stoppen

Ziel der Forscher ist es, mithilfe der gesammelten Informationen aus dem Modellsystem eine Invasion der marinen Tier- und Pflanzenarten zu verhindern. Denn die Einwanderung invasiver Arten verursacht allein innerhalb der Europäischen Union Kosten von mehreren Milliarden Euro pro Jahr. Das neue Modellierungssystem kann Seebens zufolge problemlos erweitert werden, um die Ausbreitung anderer Tier- und Pflanzenarten zu untersuchen.

Ob als Biosprit oder Baumaterial: Stroh gewinnt als Biomasse zunehmend an Bedeutung. Seine energetische Nutzung zur Biogaserzeugung war bisher jedoch begrenzt. Das Problem: die getrockneten Halme und Blätter waren schwer verwertbar und bildeten im Fermenter Schwimmschichten, die den Prozess behinderten. Forscher vom Fraunhofer Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) in Dresden haben das Problem nun gelöst. Unter Zugabe von Natronlauge wurden aus voluminösen Strohballen sogenannte Pellets, die handlich, gut dosierbar und kostengünstig zu transportieren sind und zudem die Gasausbeute deutlich steigern. Für die Neuentwicklung wurde das Dresdner Team mit den auf 10.000 Euro dotierten Biogas-Innovationspreis der Deutschen Landwirtschaft ausgezeichnet.

Im Sommer sind sie ein beliebtes Fotomotiv – die gold-gelben Strohballen auf den Feldern. Ausgedroschen und getrocknet werden die Halme und Blätter von Weizen, Gerste oder Roggen seit Jahrhunderten als Futtermittel, Baumaterial oder Brennstoff genutzt. In der jüngsten Vergangenheit bekommt der Rohstoff neuen Aufwind. Bei der Suche nach Alternativen zu den in der Industrie weitverbreiteten fossilen Rohstoffen hat sich Stroh als nachhaltige und preiswerte Biomasse bei der Herstellung von Treibstoff, Putz- oder Desinfektionsmitteln durchgesetzt. Der Vorteil: Stroh ist nicht nur in großen Mengen verfügbar, sondern stellt im Gegensatz zu Mais auch keine Konkurrenz zur Nahrungsmittelwirtschaft dar.

Unbehandeltes Stroh schwer verwertbar

Die energetische Nutzung von Stroh zur Biogaserzeugung war bisher jedoch arg eingeschränkt und lag gerade bei fünf Prozent. Der Grund: In den Nassfermentern der Biogasanlagen neigte das unbehandelte Stroh schnell zur Bildung von Schwimmschichten, was zu erheblichen Betriebsproblemen führte. Außerdem bewirkten pflanzliche Bestandteile wie Lignin, dass energiereiche Stoffkomponenten wie Zellulose und Hemizellulose nur schwer von Mikroorganismen in Biogasanlagen aufgespaltet werden können. Dieses Problem haben Forscher vom Fraunhofer-IKTS aus Dresden nun gelöst. Das Team um Björn Schwarz fand heraus:  Eine effektive Vergärung von Stroh ist nur durch eine entsprechende Aufbereitung des Rohstoffs und durch die Auflösung der Lignozellulose-Strukturen möglich.

Stroh zu Pellets gepresst

Auf dieser Grundlage entwickelten die Dresdner ein Verfahren, bei dem das voluminöse Stroh zu handlichen Pellets gepresst wird. Zunächst wird das Stroh in einer Hammermühle zerkleinert, wobei natürliche Wachs- und Schutzschichten teilweise aufgelöst werden. Gleichzeitig kommt verdünnte Natronlauge hinzu, die in der Biogasanlage zu einem sogenannten verdauungsfördernden Effekt und somit zu einer Erhöhung der Gasausbeute um bis zu 20 Prozent führt. Beim anschließenden Pressen des Strohs zu Pellets wird schließlich nahezu die gesamte Luft aus den Poren entfernt.

Problem der Schwimmschichtbildung gelöst

Die Vorteile der Biogaspellets liegen auf der Hand: sie sind klein und wesentlich kostengünstiger zu transportieren als große Strohballen. Zudem sind sie mechanisch robust, lassen sich gut lagern und dosieren. Damit eignen sie sich, um problemlos für einen Einsatz in bestehenden Biogasanlagen. Durch die Rückführung der Gärreste auf die Felder bleibt bei dieser energetischen Nutzung zudem der Humuskreislauf geschlossen. Das Entscheidende jedoch: Da die einzelnen Pellets dichter als Wasser sind, kommt es im Biogas-Fermenter zu keiner Schwimmschichtbildung mehr. Die Pellets gehen sofort unter und lösen sich innerhalb einer Stunde komplett auf. In Kombination mit einer mechanisch-chemischen Behandlung konnten die Dresdner Forscher die Gasausbeute gegenüber unbehandeltem Stroh sogar um bis zu 40 Prozent steigern.

Innovationspreis für Biogas-Pellets

Mit dem von Fraunhofer-Forscher Schwarz entwickelten Verfahren wurde das Tor zur breiteren Anwendung von Stroh zur Biogasherstellung geöffnet. Dafür wurde das Fraunhofer-Team auf dem Biogas-Innovationskongress Ende April in Osnabrück ausgezeichnet. In der Kategorie Wissenschaft erhielte es den auf 10.000 Euro dotierten Biogas-Innovationspreis der Deutschen Landwirtschaft. Das Preisgeld wurde von der Landwirtschaftlichen Rentenbank zur Verfügung gestellt. „Wir würden uns sehr freuen, wenn seitens der Politik eine Art Nachhaltigkeitsbonus für Stroh und Wirtschaftsdünger im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eingeführt wird, um Bestandsanlagen künftig eine nachhaltige Perspektive zu geben“, sagte Björn Schwarz anlässlich der Preisverleihung.

Die Helmholtz-Gemeinschaft fördert mit 4 Millionen Euro den Aufbau eines neues Innovation Labs für Biotechnologie am Forschungszentrum Jülich. Das „Microbial Process Lab-Mibiolab“ soll innovative Technologien für die Entwicklung von Produktionsprozessen auf der Basis von Mikroorganismen bereitstellen. Das Jülicher Labor ist eines von insgesamt sieben Innovation Labs, die von der Forschungsgemeinschaft in den kommenden Jahren eingerichtet werden. Das Ziel: Unternehmen frühzeitig und damit langfristig in gemeinsame Entwicklungsprojekte einbinden. Für den Aufbau der neuen Kooperationsplattformen stellt die Helmholtz-Gemeinschaft rund 12 Millionen Euro zur Verfügung.

Von der Idee bis zur Markteinführung ist es ein langer Weg. Deshalb setzt die Helmholz-Gemeinschaft auf sogenannte Innovation Labs. Das Ziel: Forschung und Unternehmen frühzeitig zusammenbringen, um den Technologietransfer zu beschleunigen. 12 Millionen Euro will die Forschungsgemeinschaft in den kommenden fünf Jahren in den Ausbau und die Etablierung von insgesamt sieben Innovation Labs investieren. Das Spektrum der Labore reicht dabei von User-Labs und Service-Einheiten bis hin zu Joint Labs oder Open-Innovation-Plattformen. Knapp 4 Millionen Euro fließen davon allein nach Jülich. Am dortigen Forschungszentrum soll mit dem "Microbial Process Lab" (MiBioLab) ein neuartiges Labor für Biotechnologie eingerichtet werden. Am neuen Innovation Lab sollen innovative Technologien für die Entwicklung von Produktionsprozessen für Mikroorganismen entstehen.

Stamm-Phänotypisierung beschleunigen

Die molekularen Werkzeuge zur genetischen Veränderung von Mikroorganismen haben sich in den vergangenen Jahren rasant weiterentwickelt. Heute können bereits in sehr kurzer Zeit große Stammbibliotheken für die unterschiedlichsten Organismen erstellt werden. "Doch zur Entwicklung wirtschaftlicher Produktionsprozesse – für die Herstellung von Chemikalien, Pharmazeutika, Futter- oder Lebensmittelzusätzen – ist nur ein kleiner Bruchteil der katalogisierten Stämme geeignet. Die schnelle Stamm-Phänotypisierung – also die quantitative Analyse von strukturellen und funktionellen Eigenschaften der Mikroorganismen – ist damit für die Entwicklung dieser Produktionsprozesse unerlässlich", erklärt Stephan Noack vom Bereich für Biotechnologie des Instituts für Bio und Geowissenschaften.

Neue Ansätze und Verfahren für Bioprozessentwicklung

Im neuen Jülicher Innovation Lab werden sich die Arbeiten auf eine schnelle Phänotypisierung und eine zielgerichtete Bioprozessentwicklungen konzentrieren. Dabei werden die Wissenschaftler eng mit Partner aus der Industrie zusammenarbeiten, um neue Ansätze und Verfahren für Bioprozesseentwicklung im Labormaßstab zu entwickeln. Im Vordergrund stehen dabei insbesondere Aspekte der Automatisierung und Miniaturisierung.

Insekten auf dem Teller sind hierzulande natürlich noch ein exotischer Gaumenkitzel. In Ländern wie Thailand oder Korea stehen die Krabbeltiere seit Jahrhunderten auf der Speisekarte und werden sogar speziell zum Verzehr gezüchtet. Ernährungsexperten zufolge könnten Made & Co künftig auch vermehrt auf unserem Teller landen und Karriere als Proteinquelle in der Futtermittelindustrie machen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat eine repräsentative Umfrage zum Thema durchgeführt. Zudem plädiert das BfR dafür, Insekten stärker auf toxikologische und mikrobiologische Sicherheitsaspekte hin zu untersuchen, um Vorbehalte auszuräumen.

Mehr als 1.900 Insektenarten werden nach Einschätzung der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) weltweit gegessen – und das von Mensch und Tier. In Europa ist das nicht angesagt. Ein wesentlicher Grund: Der Ekelfaktor überwiegt. Schon die Vorstellung, Raupen, Heuschrecken oder Mehlwürmer zu essen, sorgt hierzulande für Unbehagen. Wissenschaftler sehen das anders: Für sie gelten Insekten seit Langem als ernährungsphysiologisch günstige Nahrungsquelle und sinnvolle Alternative zum Fleisch mit großem Potenzial, die Probleme der Welternährung zu lösen. Insekten zählen lebensmittelrechtlich in der EU zu den neuartigen Lebensmitteln.

Hoher Proteingehalt und wenig Fett

Ein Plus: der Proteingehalt ist bei Insekten mit 33 bis 77 Prozent überdurchschnittlich hoch und könnte somit Proteinimporte wie Soja ersetzen. Auch beim Fettanteil von nur 13 bis 33 Prozent können die Tiere überzeugen und liefern dabei sogar den gleichen Energiewert wie Fleisch. Der Haken: Ob der Verzehr von Insekten dem Menschen schaden kann, ist weitestgehend unklar. Das Bundesinstitut für Risikobewertung BfR geht daher in die Offensive. Die Experten plädieren dafür, die gesundheitlichen Risiken der Insekten als Lebens- und Futtermittel besser zu erforschen.

Insekten als Tierfutter befürwortet

Hintergrund ist eine repräsentative Umfrage, deren Ergebnisse das Institut bei einem Symposium in Berlin am 24. Mai vorstellte. „Insekten als Nahrungsquelle stoßen zunehmend auf öffentliches Interesse. Umso wichtiger ist es zu klären, wie sicher diese neuen Lebensmittel sind“, sagt BfR-Vizepräsident Reiner Wittkowski. Der Umfrage nach würde die Mehrheit der Deutschen Insekten zwar als Tierfutter befürworten, als Lebensmittel gehen die Meinungen allerdings weit auseinander. Dabei wird bei den Befragten durchaus der hohe Eiweißgehalt als Vorteil erkannt. Doch auch wenn gesundheitlichen Risiken eher nicht befürchtet werden, die Mehrheit würde Insekten nicht essen.

Fragen mit Forschung klären

Die Studie ergab aber auch: Paniert, gebraten und so als Insekt nicht mehr erkennbar, würden viele doch zugreifen. Bei jungen gebildeten Männern zwischen 18 und 33 war die Akzeptanz der Umfrage nach am größten. Die Experten sind überzeugt, dass mit Aufklärung und Forschung die Barriere auch hierzulande abgebaut werden kann. Sie verweisen auf die fehlenden Untersuchungen zur toxikologischen und mikrobiologischen Sicherheit von Insekten. Inhaltsstoffe, Kontaminanten und Rückstände in aus Insekten hergestellten Lebens- und Futtermitteln sollten daher verstärkt berücksichtigt werden. Auch das allergene Potenzial von Lebensmitteln aus essbaren Insekten sollte den Experten zufolge ebenso geprüft werden, wie die mikrobiologischen Risiken und Fragen der Hygiene bei der Auswahl, Haltung und Zucht der essbaren Insekten.

bb

Schon lange bekannt ist: Pflanzen sind natürliche Luftreiniger, weil sie das umweltschädliche Kohlendioxid binden. Doch das Potenzial von Pflanzen, ein gesundes Klima zu schaffen, ist größer als bisher bekannt. Forscher um Christian Lindermayr vom Institut für Biochemische Pflanzenpathologie am Helmholtz-Zentrum München haben jetzt herausgefunden, dass Pflanzen auch Stickstoffmonoxid (NO) direkt aus der Luft fixieren können und es ihnen sogar beim Wachstum hilft. Damit könnten Pflanzen langfristig einen noch größeren Beitrag zur Luftqualität leisten als bisher angenommen. Wie das Team im Fachjournal Plant, Cell & Environment  (2016, Online -Veröffentlichung) berichtet, nutzen sie dafür das pflanzliche Hämoglobin. In Großstädten mit hoher Stickstoffkonzentration könnten Pflanzen demnach ein wichtiger Faktor bei der zukünftigen Städteplanung sein.

Pflanzen säubern auf natürliche Weise die Luft. Sie können schädliche Stoffe wie Formaldehyd, das in vielen Möbeln steckt, aufnehmen und abbauen. Sie binden auch Kohlendioxid, das für die Photosynthese benötigt wird. Mindestens ebenso gesundheitsschädlich ist Stickstoffmonoxid (NO). Stickoxide entstehen meist bei Verbrennungsvorgängen in Anlagen und Motoren. Allein in Deutschland beträgt die Emission von Stickoxiden nach Angaben des Umweltbundesamtes rund 1,3 Millionen Tonnen pro Jahr. Vor allem in Großstädten wie Berlin oder München, die mit einem hohen Autoverkehr belastet sind, ist die Stickstoffkonzentration oft so hoch, dass viele Menschen unter Reizungen der Nasenschleimhäute und der Augen leiden.

Stickoxide fördern Pflanzenwachstum

Bisher war man davon ausgegangen, dass Stickoxide wie Stickstoffmonoxid aus der Luft für Pflanzen nicht verfügbar sind. Nun liefern München Wissenschaftler den Gegenbeweis. Forscher des Instituts für Biochemische Pflanzenpathologie (BIOP), der Abteilung für Experimentelle Umweltsimulation (EUS) und der Abteilung für Analytische BioGeoChemie (BGC) am Helmholtz-Zentrum München haben herausgefunden, dass Pflanzen durchaus NO direkt aus der Luft aufnehmen und in ihren Stoffwechsel einbinden. Doch wie ist das möglich?  In der Studie untersuchten die Forscher die Stickstoffaufnahme anhand der Modellpflanze Arabidopsis thaliana. Durch molekularbiologische Analysen fanden die Forscher heraus, dass Hämoglobin für die NO-Fixierung eine entscheidende Rolle spielt. Es sorgt dafür, dass der Schadstoff überhaupt gebunden werden kann. Verstärkten die Forscher in den Versuchspflanzen gezielt das Hämoglobin-Level, konnten die Pflanzen vierfach höhere Mengen an Stickstoff aufnehmen. Und das nicht ohne Grund: „Wir konnten beobachten, dass hohe Mengen an Stickstoffmonoxid bei Pflanzen nicht toxisch waren, sondern das Pflanzenwachstum sogar verbesserten“, sagt Christian Lindermayr, Gruppenleiter am BIOP.

Natürliche Luftreiniger interessant für Städteplaner

Die Wissenschaftler beschäftigten sich zudem mit der Frage, woher diese Eigenschaft kommt.  „Der Mechanismus ist vermutlich entstanden, um Pflanzen an Standorten mit Stickstoffmangel ein Überleben zu sichern“ erklärt Gitto Kuruthukulangarakoola vom BIOP und Erstautor der im Fachjournal Plant, Cell & Environment erschienenen Studie. Die Forscher gehen davon aus, dass ihre neue Erkenntnis zur direkten NO-Aufnahme von Pflanzen durch die Luft für Städteplaner interessant sein dürfte. In Ballungsräumen könnten sie helfen,  die Luftqualität und somit die Lebensbedingungen zu verbessern.

bb

Krankenhauskittel, die vor Viren  schützen oder Bettlacken, die Insekten fern halten, sind nur zwei Möglichkeiten, die mit Hilfe der sogenannten Mikroverkapselung realisierbar sind. Am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP in Potsdam-Golm wollen Wissenschaftler gemeinsam mit Industriepartnern solche Mikrokapseln entwickeln. Das Ziel: Viren- und Insektenschutz sollen sogar mehreren Waschgängen standhalten. Das Projekt, das durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert wird, ist das Ergebnis eines bundesweiten Netzwerks. Die „Fraunhofer Technologieplattform Mikroverkapselung - TPM “ wurde 2009 ins Leben gerufen, um das wenig bekannte Verfahren publik zu machen und Wissen zu bündeln. Nun wurde das Projekt um zwei Jahre verlängert.

Mikrokapseln, die gezielt Wirkstoffe freisetzen, sind bisher vor allem aus der Pharmaindustrie bekannt. Doch die Minicontainer können auch an Textiloberflächen haften und dort Erstaunliches bewirken. „Damit das Textil auch nach der Reinigung seine spezielle Wirkung behält, entwickeln wir Mikrokapseln, die entweder direkt beim Waschen oder im Nachgang durch Imprägnierung mit dem Wirkstoff beladen werden können“, erklärt Monika Jobmann vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP in Potsdam-Golm.

Dass die Mikroverkapselung funktioniert, belegt eine erste Studie der Potsdamer Wissenschaftler, die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert wurde. Darin wurde bewiesen, dass die Mikrocontainer an Baumwollgewebe angebunden werden können und der Wirkstoff dabei gezielt und dosiert abgegeben werden kann. Auf Grund dieser Anhaftung können die Kapseln beim oder nach dem Waschen mehrfach mit dem Wirkstoff beladen werden.

Ätherische Öle als Viren-und Insektenschutz

Im nächsten Schritt will Jobmann mit Partnern aus der Industrie diese Methode  so weiterentwickeln, dass Krankenhauskittel oder Bettbezüge zu einem wirksamen Schutz vor Viren und Insekten werden. „Sowohl für die Partikelhülle als auch für den Wirkstoff setzen wir dabei bevorzugt umweltfreundliche und naturbasierte Stoffe ein, die zudem in der Umwelt abbaubar sind“, erklärt Jobmann. Das Team konzentriert sich dabei auf ätherische Öle wie Lavendel-, Pfefferminz- oder Eukalyptusöl, die eingebettet in Minicontainern fest an Textilien haften und dort zielsicher und  über einen langen Zeitraum ihre Wirkung entfalten sollen. „Die Mikroverkapselung hat den Vorteil, dass die Freisetzung des Wirkstoffes deutlich langsamer erfolgt. Der Mückenschutz hält so beispielsweise viel länger“, betont Lobmann. Die Weiterentwicklung der waschbaren Mikrokapseln als Viren- und Insektenschutz  wird erneut vom BMEL gefördert.

Netzwerk bündelt Wissen zu Mikrokapseln

Das Projekt ist das Ergebnis eines bundesweiten Netzwerks. Die „Fraunhofer Technologieplattform Mikroverkapselung - TPM “ wurde 2009 ins Leben gerufen, um das bis dato wenig bekannte Verfahren publik zu machen, Wissen zu bündeln und neue Anwendungen zu finden. Neben antimikrobieller Kleidung fürs Krankenhaus könnte das Verkapselungsverfahren auch für Kosmetik- und Industrietextilien geeignet sein. Die Plattform wird derzeit gemeinsam von den Fraunhofer-Instituten für Angewandte Polymerforschung IAP (Potsdam-Golm) und für Chemische Technologie ICT (Pfinztal) sowie der Fraunhofer-Forschungsgruppe „Partikeltechnologie und Rohstoffinnovation“ der TH Nürnberg betreut. Darüber hinaus sind acht Firmen beteiligen, darunter die Chemiefirmen BASF, Clariant, Follmann, Lanxess und Lonz sowie, die Papierfabrik August Koehler und der Aroma-und Duftspezialist Symrise.

bb

Nicht  nur Menschen, auch Pflanzen schützen sich vor Sonnenbrand. Die Grünalge C. reinhardtii tut das mit einem speziellen Protein, wie Forscher um Michael Hippler von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) gemeinsam mit Kollegen der Universität Osaka in Japan im Fachmagazin Nature Communications (2016, Online-Veröffentlichung) berichten. Das Wissen um diesen besonderen „Sonnenbrand-Schutzmechanismus“ ist auch von hoher Relevanz für die Pflanzenzüchtung. Wenn er auf andere Pflanzen zutrifft, könnten langfristig Ernteerträge von Nutzpflanzen noch besser optimiert werden. Dies spielt insbesondere bei zunehmendem Klimastress wie Dürre eine wichtige Rolle.

Sonnenstrahlen sind für Menschen, Tiere und Pflanzen eine lebenswichtige Energiequelle. Doch das Sonnenlicht hat es in sich und ist oft sogar schädlich. Sonnencremes sind daher ein sinnvoller Schutz, um die Haut vor Verbrennungen zu bewahren. Längerfristig helfen Mineralstoffe wie Karotin oder Kalzium, um einem Sonnenbrand vorzubeugen. Ähnlich geht es Pflanzen. Sie brauchen das Licht zwar für die Fotosynthese, um Energie zu gewinnen und Zellbausteine zu bilden. Doch auch Pflanzen können einen Sonnenbrand bekommen. Diesen Prozess haben Forscher bei der Grünalge Chlamydomonas reinhardtii jetzt genauer untersucht.

Schutz vor überschüssiger Lichtenergie

Ein internationales Forscherteam um Michael Hippler von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) und Genji Kurisu von der Universität Osaka in Japan hat dabei ein neuartiges Protein entdeckt, das die Grünalge vor Schäden durch zu hohe Lichtintensitäten schützt. Wie das Team im Fachjournal Nature Communications berichtet, handelt es sich dabei um Calredoxin – offenbar ein zentraler Spieler, um Pflanzen vor Sonnenbrand zu bewahren.

"Damit die Fotosynthese effizient ablaufen kann, müssen Schutzmechanismen starke Schwankungen der Lichtintensität kompensieren", erklärt WWU-Forscher Michael Hippler. Bei zu intensiver Sonneneinstrahlung entstehen während der fotosynthetischen Energieumwandlung schädliche Formen von Sauerstoff – zum Beispiel reaktive Sauerstoffspezies, umgangssprachlich "Sauerstoffradikale" genannt. Mit Calredoxin haben Pflanzen einen Weg gefunden, um sich gegen überschüssige Lichtenergie zu schützen. Das Protein wandelt dabei Lichtenergie in Wärmeenergie um, in dem es den Mineralstoff Kalzium bindet und Redoxreaktionen in Gang bringt.

Option für optimale Pflanzenzucht

Ob dieser Mechanismus nur für die Grünalge relevant ist oder auch bei höheren Gefäßpflanzen vorkommt, das wollen die Forscher nun in weiteren Studien herausfinden. Die Wissenschaftler sind sich jedoch sicher, das ihr neues Wissen um den "Sonnenbrand-Schutzmechanismus“ zukünftig helfen kann, Ernteerträge zu optimieren. Zum Beispiel indem Pflanzen gezüchtet werden, die besonders gute Schutzeigenschaften vorweisen können.

bb

Viele Verfahren zur chemischen Synthese sind oft sehr aufwändig und langwierig. Mit bisherigen Methoden muss vieles nacheinander und schrittweise ablaufen. Forscher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben nun einen Weg gefunden, um chemische Reaktionen auf kleinsten Raum, sehr schnell parallel zu testen. Wie das Team im Fachjournal Nature Communications (2016, Online-Veröffentlichung) berichtet, schafft ihr neuartiges miniaturisiertes Verfahren namens cLIFT (combinatorial Laser-induced forward transfer) bis zu 50.000 Reaktionen gleichzeitig. Es ist vor allem für Moleküle wie Peptide oder Antikörper geeignet, die an ein Trägermaterial binden können. Es könnte daher langfristig ein effizientes Forschungswerkzeug für Medikmanentenentwickler sein.

Bei der Herstellung neuer Farb- oder Arzneistoffe ist die chemische Synthese ein zentraler Punkt jedes Entwicklungsprozesses. Ob chemischer Baustein, Katalysator oder Lösungsmittel - das richtige Mischungsverhältnis zu finden, ist oft langwierig und erfordert zahlreiche Tests. Das Problem: Ob der gewählte Weg der Richtige war, zeigt sich erst in einem sehr späten Syntheseschritt. „Bei allen chemischen Synthesen muss ein Baustein A mit einem Baustein B im Lösungsmittel X vermengt werden, sodass sie miteinander reagieren können. Dies ist sehr mühevoll und zeitraubend“, erläutert Frank Breitling, Forschungsgruppenleiter am Institut für Mikrostrukturtechnik des KIT.

Schnelle Synthese auf kleinstem Raum

Das Ausprobieren kostet aber nicht nur Zeit, sondern vor allem viele teure Chemikalien. Gemeinsam mit dem Physiker Alexander Nesterov-Müller hat Biochemiker Frank Breitling deswegen ein neuartiges Verfahren entwickelt, das den aufwendigen Prozess der chemischen Synthese effektiver macht. „Wir haben dieses Verfahren miniaturisiert, so dass wir nicht auf herkömmliche Weise aufwendig Schritt für Schritt gehen müssen, sondern auf kleinstem Raum viele Reaktionen zugleich stattfinden lassen können“, erklärt Alexander Nesterov-Müller.

Dafür haben die KIT-Forscher eine Maschine konstruiert, mit der nanometerdünne Schichten verschiedener fester Materialien mit eingebetteten Reaktionsmolekülen automatisiert über- und nebeneinander geschichtet werden können. Sogenannte Spots - winzige, in ihrer Größe genau bestimmbare Bereiche - werden dafür aus der nur ein Tausendstel Millimeter dünnen, wiederverwendbaren Materialschicht mit Hilfe eines Lasers ausgestanzt und auf den Syntheseträger übertragen. Durch Zufuhr von Hitze oder Lösungsmitteln verflüssigen sich diese Materialschichten, sodass sich die darin befindlichen chemischen Bausteine - wie beim konventionellen Syntheseverfahren - durchmischen und miteinander reagieren.

50.000 Materialspots gleichzeitig getestet

Für das neue Verfahren eignen sich danach besonders Moleküle, die sich an einen Trägerstoff binden lassen - also Biomoleküle wie Peptide oder Antikörper. Wie das Team im Fachjournal Nature Communications berichtet, konnten sie am Beispiel der Synthese von Peptiden zeigen, dass 50.000 solcher übereinander gestapelter Materialspots pro Glasobjektträger gleichzeitig getestet werden können. Aufgrund der sehr hohen Dichte der Peptid-Arrays und durch die Vielzahl möglicher Kombinationen unterschiedlicher Aminosäure-Bausteine auf engstem Raum konnten die KIT-Forscher in kurzer Zeit eine große Zahl von biochemischen Reaktionen testen.

Werkzeug für Medikamententwickler

„Unser Verfahren dient in erster Linie als Forschungswerkzeug“, erklärt Breitling. Gerade in der Medizin sind viele Einsatzfelder denkbar, denn hier stehen Peptide oder Antikörper sehr häufig im Zentrum therapeutischer Verfahren oder diagnostischer Methoden. So hoffen die Forscher, dass mit Hilfe des Verfahrens eines Tages Immunsysteme ausgelesen und Antikörper im Blut schneller und einfacher aufgespürt werden können. Damit ließen sich beispielsweise bei Rheumapatienten veränderte Aminosäuren erkennbar. Das neuartige Verfahren könnte aber auch ein wertvolles Werkzeug für Pharmafirmen bei der Entwicklung neuer Impfstoffe sein. Als nächstes  wollen Nesterov-Müller und Breitling mit anderen KIT-Forschern die neuartige Synthesemaschine noch kleiner und bedienerfreundlicher machen und auf weitere chemische Synthesen ausweiten.

bb