Auf Teamwork-Suche im Meer

Auf Teamwork-Suche im Meer

Nicole Dubilier

Beruf:

Mikrobiologin

Position:

Direktorin am Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie in Bremen

Die preisgekrönte Mikrobiologin Nicole Dubilier erforscht im Meer das Zusammenleben von Mikroben mit anderem Meeresgetier.
Die preisgekrönte Mikrobiologin Nicole Dubilier erforscht im Meer das Zusammenleben von Mikroben mit anderem Meeresgetier.
Vorname
Nicole
Nachname
Dubilier

Beruf:

Mikrobiologin

Position:

Direktorin am Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie in Bremen

Die preisgekrönte Mikrobiologin Nicole Dubilier erforscht im Meer das Zusammenleben von Mikroben mit anderem Meeresgetier.
Die preisgekrönte Mikrobiologin Nicole Dubilier erforscht im Meer das Zusammenleben von Mikroben mit anderem Meeresgetier.

Leibniz-Preisträgerin Nicole Dubilier fährt so oft es geht zur See. Dort erforscht sie das faszinierende Zusammenleben von Mikroben mit anderem Meeresgetier.

Das Meer hat Nicole Dubilier schon als Kind fasziniert. Dass ausgerechnet ein Wurm ihre wissenschaftliche Laufbahn schlagartig verändern würde, darüber kann die preisgekrönte Forscherin heute nur herzhaft lachen. Ihre Entdeckung der symbiotischen Dreierbeziehung aus einem marinen Wurm und zwei Bakterien wurde 2001 im Fachjournal Nature veröffentlicht - machte die Hamburgerin berühmt. Heute zählt sie zu den bedeutendsten Mikrobiologen weltweit und ist Direktorin am Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie in Bremen. Für ihre Forschung zu Symbiosen wurde Dubilier dieses Jahr mit dem renommierten Leibniz-Preis ausgezeichnet.

Nicole Dubilier ist Forscherin mit Leib und Seele. So oft es geht, tauscht die Mikrobiologin die Bequemlichkeit und Routine des Büroalltags gegen die Einschränkungen eines Lebens auf Hoher See. Angetrieben von der Neugier, die symbiotischen Lebensumstände von Würmern oder Muscheln vor Ort zu erforschen, nimmt die Hamburgerin die oft wochenlange Trennung von Mann und Sohn in Kauf. Selbst die lästige Seekrankheit kann sie nicht aufhalten. „Meine Forschungsobjekte im Feld zu sehen, ist für mich der besondere Reiz. Wenn ich sie anfassen und riechen kann, ist sofort eine andere Kreativität da“, sagt sie. Für ihre Erfolge in der Symbioseforschung wurde die Hanseatin mit amerikanischem Pass im März von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit dem renommierten Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis ausgezeichnet. Das Preisgeld von 2,5 Millionen Euro gibt Dubilier die Freiheit, weitere Forschungsfahrten zu finanzieren.

Ballett und Politik

Derweil hat Dubilier nie von einer Karriere als Wissenschaftlerin geträumt. Ursprünglich wollte sie klassische Tänzerin werden. Nach ihrem Umzug von New York nach Wiesbaden in den 70er Jahren, nahm die Tochter eines amerikanischen Vaters und einer deutschen Mutter Ballettunterricht und bestand sogar die Aufnahmeprüfung an der Stuttgarter Akademie. Doch die Schule abzubrechen, um Primaballerina zu werden, kam für die damals 15-Jährige nicht infrage. Dubilier hatte Spaß am Lernen und am Nachdenken. Nicht Biologie oder Chemie, sondern Politik und Geisteswissenschaften interessierten sie. Für die Gesprächsthemen der Tänzerinnen konnte sie sich nicht begeistern. „Es war eine Zeit des geistigen Aufwachens“, erinnert sich Dubilier. Ihre Mutter erkannte früh, dass die Talente der Tochter auf einem anderen Gebiet liegen. „Sie sagte, wenn Du in den Füßen das hättest, was Du im Kopf hast, dann wärst du ne prima Ballerina“. Damit waren die Weichen gestellt. In welche Richtung der Zug genau fahren sollte, war allerdings längst nicht klar. Als Kind schon liebte sie das Meer. In New York aufgewachsen, verbrachte die Familie jedes Jahr im Sommer zwei Monate auf einer Insel vor Long Island. „Ich habe Muscheln gern gegessen. Das war meine einzige Verbindung zu Meerestieren. Biologie fand ich völlig uninteressant“, gesteht die Mikrobiologin lachend. Ein Praktikum in der Forschungsstation auf der Insel Helgoland sollte ihre berufliche Zukunft entscheiden. „Da hab ich gemerkt, das ist es“.

Zusammenarbeiten im Team

Dubilier studierte in den 1980er Jahren an der Universität Hamburg Biologie und promovierte 1992 bei Olav Giere im Fach Marine Zoologie. Doktorvater Giere forschte damals an darmlosen Würmern, die er an der Küste Bermudas aufgespürt hatte. Die im sulfidreichen Sediment lebenden Tierchen zeigten eine ähnliche Symbiose wie der später von Dubilier vor Elba gefundene Ringelwurm namens Olavius algarvensis. Wie spannend Forschung sein kann, erfuhr Dubilier während ihrer dreijährigen Postdoc-Zeit bei Colleen Cavanaugh an der Harvard University. Cavanaugh war entscheidend an der Entdeckung der symbiontisch lebenden Tiefsee-Röhrenwürmer beteiligt und weckte in ihr die Faszination für diese unscheinbaren Meeresbewohner. „Das Grundprinzip einer Symbiose – zwei ganz unterschiedliche Organismen kommen und arbeiten zusammen und sind so noch stärker als allein – das hat mich fasziniert“, sagt Dubilier.

Der mund- und darmlose Ringelwurm Oligochaet Olavius algarvensis überlebt durch bakterielle Endosymbionten

Der mund- und darmlose Ringelwurm Oligochaet Olavius algarvensis überlebt durch bakterielle Endosymbionten.

Unerwartete Harmonie

Nach der Geburt ihres Sohnes geht Dubilier 1998 für eine weitere Postdoc-Station an das Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie in Bremen. Dort widmet sie sich mit wachsender Begeisterung der Symbioseforschung. Dabei gelang es der Biologin, die bemerkenswerten Überlebenstricks des Meereswurms Olavius algarvensis aufzudecken. In seinem Lebensraum am Meeresboden lebt er an unwirtlichen Stellen, die besonders arm an Sulfiden sind. Für den Stoffwechsel sind diese Substanzen aber unabdingbar. Wie Dubilier herausfand, hat der Wurm das Manko elegant gelöst – er hat sich im Laufe der Evolution spezielle Bakterien als Untermieter an Bord geholt. Weil kein oder zu wenig Schwefelwasserstoff im Sediment vorkommt, hat sich O. algarvensis eine mikrobielle Schwefelwasserstoffquelle einverleibt. Ein Bakterium, das aus Sulfat Sulfid herstellt und über diesen Prozess Energie gewinnt. Den Schwefelwasserstoff wiederum verwerten sulfidoxidierende Bakterien als Energiequelle. So entsteht ein Kreislauf, in dem die beiden Bakterienarten ihre Stoffwechselprodukte untereinander austauschen und von dem auch der Wirt profitiert. „Der Moment, wo man spürt, – oh, das ist jetzt was – das ist irre“,  findet Dubilier. Ihren Fund krönt sie mit einer Veröffentlichung im Topjournal Nature (2001, Bd. 411, S. 298). Ein weiteres Nature-Paper sollte 2006 folgen.

Aktive Nachwuchsarbeit

Bis 2006 Koordinatorin der International Max Planck Research School of Marine Microbiology leitet Dubilier von 2007 bis 2013 die Arbeitsgruppe Symbiose am MPI-MM. Seit September 2013 ist sie Direktorin der Symbiose-Abteilung am Bremer Forschungsinstitut. Mit der gleichen Leidenschaft, mit der sie ihre Symbioseforschung betreibt, ist sie auch in der Nachwuchsförderung aktiv. Seit 2012 lehrt sie an der Universität Bremen und leitet am dortigen, interdisziplinär aufgestellten Zentrum für Marine Umweltwissenschaften (MARUM) eine  Symbiose-Arbeitsgruppe.  Inzwischen hat die Meeresbiologin ein Team von 22 Doktoranden und Postdocs unter ihren Fittichen. Diese Zusammenarbeit, so Dubilier, ist für sie neben den Ausfahrten  „wahnsinnig befriedigend“.  Wie „essentiell“ solche Exkursionen für die Forschung sind, versucht sie  auch den jungen Wissenschaftlern zu vermitteln. Mehr als ein Dutzend Mal war sie bereits mit Forschungsschiffen unterwegs.

Ohne Symbiose geht nichts

Anfang Juli ist sie wieder zu einer Expedition in die Tiefsee aufgebrochen. Mit dem Forschungsschiff Nautilus sucht sie im Golf von Mexiko erstmals nicht in heißen, sondern in kalten Quellen nach Muscheln. Ziel der Reise: die Mikrobiologin will erfahren, wie Methan in die Muscheln gelangt und welche Hilfe sie sich aus der Welt der Mikroben dabei gesucht haben. „Wir wissen nicht, wie sie das aufnehmen, in welchem Stadium oder wie sie die speziellen Symbionten aus der Vielzahl von Bakterienarten herausfiltern“, sagt Dubilier. Sie vermutet, dass Muscheln „offenbar in der Auswahl ihrer Partner sehr wählerisch sind“.  Ähnlich wie sie selbst. Die Forscherin ist glücklich, einen Mann an ihrer Seite zu haben, der sie in allem, was sie tut „300 Prozent“ unterstützt. Sie ist überzeugt: „Ohne Symbiosen würden wir und alle anderen auf dieser Erde lebenden Wesen kümmerlich zugrunde gehen“.

Autorin: Beatrix Boldt