„Unser Verfahren nutzt jedes Kohlenstoffatom aus Abfallströmen“
Johannes GescherBeruf:
Professor für Technische Mikrobiologie
Position:
Leiter des Instituts für Technische Mikrobiologie an der Technischen Universität Hamburg (TUHH)
Beruf:
Professor für Technische Mikrobiologie
Position:
Leiter des Instituts für Technische Mikrobiologie an der Technischen Universität Hamburg (TUHH)
Das Hamburger Team EveryCarbon um Johannes Gescher entwickelt aus organischen Abfällen wichtige Chemikalien für die Herstellung hochwertiger Kunststoffe. Eine Millionenförderung der Bundesagentur für Sprunginnovationen SPRIND hilft dem Team dabei.
Das Team EveryCarbon um den Hamburger Mikrobiologen Johannes Gescher gehört zu den acht Gewinnerteams der SPRIND Challenge „Circular Biomanufacturing“. In den kommenden drei Jahren will die interdisziplinäre Gruppe beweisen, dass ausgestoßenes Kohlendioxid direkt als Kohlenstoffquelle für die mikrobielle Synthese von Produkten wie Kunststoffe genutzt werden kann. Die Bundesagentur für Sprunginnovationen SPRIND unterstützt die Arbeit mit einer Fördersumme in Millionenhöhe (davon 1,5 Mio. Euro im ersten Jahr).
Welches Ziel verfolgt Ihr Projekt?
Unser Projekt zielt darauf ab, aus Biomasseabfällen über einen biotechnologischen Kaskadenprozess eine Plattformchemikalie herzustellen. Nach Aufarbeitung dieser Komponente möchten wir zeigen, dass wir daraus unterschiedliche Produkte von Flüssigkraftstoffen bis hin zu Performance-Polymeren für den 3D-Druck herstellen können. Um das zu schaffen, arbeiten wir in einem interdisziplinären Team, das die Bereiche Verfahrenstechnik, Chemie und Biotechnologie abdeckt.
Welche Abfall- und Reststoffe dienen als Rohstoff?
Momentan arbeiten wir mit unterschiedlichen Abfallstoffen aus der Nahrungsmittelindustrie sowie mit Klärschlamm. Beide sind überaus interessant für uns. Während sich die Abfälle aus der Nahrungsindustrie typischerweise sehr schnell über unser Verfahren verarbeiten lassen, ist der Klärschlamm eine größere Herausforderung. Gleichzeitig liegt dieser aber in großen Mengen vor und die Konkurrenzsituation für diesen Ausgangsstoff ist weniger groß.
Was ist das Innovative an Ihrer Technologie und wie kann die Bioökonomie davon profitieren?
Die Innovation liegt darin, dass wir jeden Biomasse- und CO₂-Abfallstrom benutzen können. Darüber hinaus nutzen wir in unserem Verfahren jedes Kohlenstoffatom des Substrats. Deswegen heißt unser Kaskadenprozess auch EveryCarbon. Da wir sowohl Biomasse- als auch Kohlendioxid-basiert arbeiten, wären wir auch in der Lage, direkt Industrieabgase oder den Kohlendioxidanteil von Biogas zu nutzen. Und wir arbeiten mit innovativen Verfahren der Bioverfahrenstechnik. Große Teile des Prozesses sind biofilmbasiert und wir nutzen bioelektrochemische Reaktoren, um möglichst energiesparend Elektronen für die Kohlendioxidreduktion bereitstellen zu können.
Wie weit ist die Entwicklung des Verfahrens vorangeschritten?
Wir haben die Machbarkeit aller Verfahrensschritte zeigen können. Wir arbeiten jetzt daran, die Einzelprozesse miteinander zu verkoppeln und das Downstream-Processing zu optimieren.
Was wollen Sie im Rahmen der SPRIND-Challenge erreichen?
Unser finales Ziel ist eine Ausgründung und industrielle Realisierung des Konzeptes. Dafür möchten wir mithilfe eines Pilot-Reaktors die Machbarkeit zeigen und die Technologie dann unterschiedlichen Kundengruppen anbieten.
Interview: Beatrix Boldt