„Mehrjährige Getreidepflanzen sind eine ressourcenschonende Alternative“
Maria von Korff SchmisingBeruf:
promovierte Pflanzenzüchterin
Position:
Professorin für Pflanzengenetik an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Beruf:
promovierte Pflanzenzüchterin
Position:
Professorin für Pflanzengenetik an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Pflanzenforscherin Maria von Korff Schmising will mit der Züchtung mehrjähriger Getreidekulturen die Nahrungsmittelproduktion nachhaltiger machen.
Viele Pflanzen leben nur eine Saison und müssen jährlich neu ausgesät werden. Das gilt auch für wichtige Nahrungspflanzen wie Weizen, Mais und Gerste. Das regelmäßige Säen, Pflügen und Ernten und das Ausbringen von Düngemitteln schaden jedoch Artenvielfalt, Grundwasser und Boden. Maria von Korff Schmirsing ist überzeugt, dass mehrjährige Pflanzen das Problem lösen können. Mit dem Blick auf die Züchtung mehrjähriger Getreidekulturen will die Pflanzenforscherin die Nahrungsmittelproduktion nachhaltiger machen. Im Projekt PERLIFE will die Forscherin gemeinsam mit ihrem Team die genetischen und physiologischen Zusammenhänge von Lebensdauer und Ertrag in der Gerste entschlüsseln und daraus einen Werkzeugkasten für die Zucht mehrjähriger Getreidekulturen entwickeln. Hierfür konnte die Düsseldorfer Pflanzenzüchterin eine Forschungsförderung des Europäischen Forschungsrates für die kommenden fünf Jahre einwerben.
Inwiefern können mehrjährige Getreidesorten die Landwirtschaft nachhaltiger machen? Welche Vorteile bieten sie im Vergleich zu einjährigen Pflanzen?
Für die erfolgreiche Kultivierung unserer einjährigen Getreidepflanze, müssen die Felder jedes Jahr gepflügt, gedüngt und eventuell gewässert werden. Damit sich die jungen Pflanzen etablieren können, müssen außerdem Herbizide, Fungizide und Pestizide mit dem Traktor ausgebracht werden. Ein Großteil des Jahres liegen die Felder brach, was die Bodenerosion fördert. Mehrjährige Getreidepflanzen müssen dagegen nur einmal gesät werden und wachsen dann über mehrere Jahre. Sie bilden ein längeres Wurzelwerk aus und sorgen für eine ständige Bodendeckung. So schützen sie vor Bodenerosion und können an tiefer gelegene Wasser- und Nährstoffreservoirs gelangen. Mehrjährige Getreidepflanzen stellen also eine ressourcenschonende Alternative zu einjährigen Getreidepflanzen dar.
Bereits heute gibt es Wege, mehrjährige Getreidesorten zu züchten, etwa durch Kreuzung einjähriger Kulturpflanzen mit mehrjährigen Verwandten oder durch Domestikation mehrjähriger Wildpflanzen. Warum favorisieren Sie einen anderen Weg?
Bei der Kreuzung von einjährigen Kulturarten mit ihren mehrjährigen wilden Verwandten werden auch viele Genvarianten übertragen, die sich negativ auf den Ertrag im Feld auswirken. Zum Beispiel verlieren alle wilden Gräserarten bei der Kornreife ihre Körner. Dieses Merkmal wird Spindelbrüchigkeit genannt und ist natürlich nachteilig für den Ernteertrag. Ähnlich verhält es sich bei der de novo Domestikation von Wildgräsern, hier muss gegen eine Vielzahl von agronomisch nachteiligen Merkmalen selektiert werden. Würden wir jedoch die Genvarianten kennen, die die Lebensdauer von Pflanzen kontrollieren, so könnten diese viel gezielter in unsere Kulturarten übertragen werden.
Welchen konkreten Ansatz verfolgen Sie bei der Züchtung mehrjähriger Kulturpflanzen und welche Getreideart nehmen Sie ins Visier?
Wir nutzen die wichtige einjährige Getreideart Gerste und ihre mehrjährigen verwandten Arten, um zunächst die Genvarianten zu detektieren, die den Unterschied zwischen einjährigem und mehrjährigem Wachstum ausmachen. Diese Genvarianten, die für mehrjähriges Wachstum kodieren, möchten wir dann gezielt in die Kulturgerste einbringen, um mehrjährige Linien zu züchten, die trotzdem einen guten Ertrag bringen.
Dieser innovative Züchtungsansatz steht im Fokus eines Projektes, das über den renommierten ERC-Grant des Europäischen Forschungsrats in den kommenden fünf Jahren in Millionenhöhe gefördert wird. Was wollen Sie im Rahmen des Projekt PERLIFE erreichen?
Im Rahmen von PERLIFE möchten wir vor allem herausfinden, welche physiologischen und molekularen Prozesse den Unterschied zwischen einjährigen und mehrjährigen Gräsern ausmachen. In diesem Kontext interessiert uns besonders der Zusammenhang von Lebensdauer und Reproduktion, also Kornertrag.
Welche Aufgaben und Herausforderungen sind damit verbunden?
Lebensdauer und Ertrag sind komplexe Merkmale, die von vielen Genen und der Umwelt beeinflusst sind. Außerdem verfügen die Gerste und ihre Verwandten über ein sehr großes Genom. Es ist also eine Herausforderung, die Gene und Genvarianten, die die Lebensdauer beeinflussen, zu finden. Die großen Fortschritte in der Sequenziertechnik aber auch die neuen Methoden, Gene gezielt zu verändern, ermöglichen es uns jetzt aber, diese Herausforderungen anzugehen. Wir sind zuversichtlich, dass wir so in PERLIFE wichtige Erkenntnisse über die genetische Steuerung der Lebensdauer von Gräsern gewinnen werden.
Interview: Beatrix Boldt