„Bioökonomie ist Kern der Nachhaltigkeitspolitik“
Dirk Messner
Beruf:
promovierter Politikwissenschaftler
Position:
Präsident des Umweltbundesamtes
Beruf:
promovierter Politikwissenschaftler
Position:
Präsident des Umweltbundesamtes
Der Nachhaltigkeitsforscher Dirk Messner ist seit Januar dieses Jahres Präsident des Umweltbundesamtes. Im Interview spricht er über Chancen und Herausforderungen auf dem Weg in eine biobasierte Wirtschaft, die Corona-Pandemie und den Wert globaler Vernetzung.
Klimawandel und Artensterben sind die größten Herausforderungen unserer Zeit. Die Treibhausgasemissionen zu drosseln, ist eine Aufgabe, für die sich Dirk Messner als Präsident des Umweltbundesamtes mit Hauptsitz in Dessau stark machen will. Der renommierte Politikwissenschaftler und Nachhaltigkeitsforscher sieht die Bioökonomie als einen wichtigen Motor, um von fossilen Rohstoffen wegzukommen und Ressourcen nachhaltig zu nutzen. Dabei sollte auch der bioökonomische Wandel stehts kritisch betrachtet werden.
Was sind derzeit die Topthemen und die drängendsten Herausforderungen, mit denen sich das Umweltbundesamt beschäftigt?
Die 2020er Jahre sind eine Dekade der Chance. Jetzt können wir unsere Gesellschaft so transformieren, dass wir Mitte des Jahrhunderts ohne fossile Brennstoffe auskommen. Wir steuern beim Treibhausgasausstoß auf Kipppunkte im Erdsystem hin, die wir uns vor 15 Jahren nicht vorstellen konnten. Das Zeitfenster wird immer kleiner – aber ich bin noch optimistisch, dass wir es schaffen können. Die Bioökonomie spielt da natürlich auch eine wichtige Rolle.
Wo sehen Sie als Präsident des Umweltbundesamtes und Nachhaltigkeitsforscher Chancen und Herausforderungen auf dem Weg in eine Bioökonomie – hierzulande und global?
Die Bioökonomie betrifft den Kern der Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik, national und global. Bioökonomie kann uns helfen, die materielle Basis unseres Wohlstands zu verschieben – und zwar in eine zukunftsfähige Richtung. Weg von den fossilen, nicht-erneuerbaren Ressourcen hin zu erneuerbaren. Bioökonomie heißt auch: Wertstoffe im Kreislauf zu führen, sie zirkulär zu nutzen. Eine Herausforderung bleibt aber: Die Bioökonomie darf nicht in Konkurrenz zur Nahrungsproduktion treten. Wenn wir unsere Böden noch stärker belasten oder der Biodiversität schaden, als wir das heute etwa in der Landwirtschaft mitunter noch tun, ist nichts gewonnen. Auch biogene Rohstoffe gibt es nicht im Überfluss, wir sollten sie wertschätzen und umsichtig nutzen.
Wo kann das Umweltbundesamt als Politikberatungs-Behörde Akzente bei der Umsetzung der Nationalen Bioökonomiestrategie setzen?
Wir müssen uns die Chancen und Risiken eines Wandels zur biobasierten Wirtschaft mit kritischem Blick anschauen. Wir müssen fortlaufend bewerten und der Politik Wege aufzeigen, wie sich Risiken mindern und Chancen bestmöglich entfalten lassen. Wir haben die Frage, wann bioökonomische Anwendungen auch nachhaltig sind, schon recht intensiv beforscht und konkrete Empfehlungen abgeleitet. Nun muss das Ganze in die Breite getragen werden - und die Zivilgesellschaft an der Diskussion beteiligt werden. Daher unterstützen wir zum Beispiel das Aktionsbündnis Bioökonomie durch unsere Verbändeförderung.
Welchen Effekt hat Ihrer Einschätzung nach die Corona-Krise auf Themen wie nachhaltige Entwicklung und Umweltschutz?
Die Auswirkungen der Pandemie sind vielschichtig, neu und längst nicht alle bewertet. Ich bin aber zuversichtlich, dass sich daraus auch positive Impulse für die Transformation ableiten werden. In Deutschland sehe ich jedenfalls viele Anzeichen dafür, dass die Pandemie eher zu einer hilfreichen, kritischen Selbstreflektion unseres Wirtschaftens geführt hat. Die Unterstützung für einen „grünen“ Wiederaufbau der Wirtschaft ist auch erfreulich hoch. Auch in vielen anderen Ländern werden nachhaltige Ideen in die Aufbauprogramme integriert. Das stimmt sehr positiv – anders noch als nach der Wirtschaftskrise, wo sich alte, falsche Muster wieder verfestigten. Global gesehen bereitet mir Sorge, dass wir die ärmeren Länder aus dem Blick verlieren. Die sozioökonomische Diskrepanz zwischen dem globalen Süden und reichen Ländern wie uns wird durch die Corona-Krise verschärft. Da drohen massive Rückschläge in der Armuts- und Hungerbekämpfung.
Auch für die Bioökonomie gibt es nun Monitoring-Aktivitäten. Wie hilfreich sind Ihrer Einschätzung nach solchen Monitorings – auch in anderen Bereichen, etwa der Erfassung von Biodiversität in Agrarlandschaften oder der Chemikaliennutzung/Rückstände?
Diese Monitorings können ein Frühwarnsystem sein, also die Frage beantworten, ob ein bestimmtes Politikfeld sich gut entwickelt. Dafür müssen aber auch die wesentlichen Aspekte bezüglich der Chancen und Risiken in der richtigen Balance abgebildet werden. Hier sehe ich aktuell beim Bioökonomie-Monitoring noch Bedarf zur Nachjustierung bei den sozio-ökologischen Risiken. Da sind wir dran. Wirklich handlungsleitend für die Politik wird ein Monitoringsystem erst, wenn es mit konkreten, messbaren und verbindlichen Zielen versehen wird. Hier besteht noch viel Bedarf.
Im Vorfeld des Global Bioeconomy Summit 2020: Wie wichtig erachten Sie, sich auf globaler Ebene zum Thema Bioökonomie auszutauschen?
Als sehr wichtig! Eine nachhaltige Bioökonomiepolitik muss die globale Verteilungsdimension im Blick haben und darf die Ungleichheit in der Ressourcennutzung nicht verschärfen, was ohne wirksame, globale Governance womöglich droht. Das heißt, es bedarf, sowohl national wie global, eines starken politischen Rahmens und entsprechender Institutionen, die die Einhaltung der Bedingungen für eine nachhaltige Bioökonomie absichern. Beides fehlt aktuell leider noch.
Interview: Beatrix Boldt/Philipp Graf