Global Bioeconomy Summit 2020 – Der Report

GBS 2020

Text: Björn Lohmann

Der Global Bioeconomy Summit (GBS) ist das große internationale Forum zum biobasierten Wirtschaften. Die dritte Ausgabe des Konferenz fand Mitte November 2020 als Digitalevent statt. Dieser Report fasst die wichtigsten Sessions des Plenarprogramms zusammen.

1) Der Global Bioeconomy Summit 2020

Der Global Bioeconomy Summit (GBS) ist eine der wichtigsten internationalen Veranstaltungen zum Thema Bioökonomie. Nach 2015 und 2018 fand 2020 das dritte Forum mit Bioökonomie-, Innovations- und Nachhaltigkeitsexpertinnen und -experten aus aller Welt als Digitalevent statt.

Dem zweitägigen Konferenzprogramm am 19. und 20. November 2020 waren drei Tage mit zwölf Workshops vorangegangen. Mehr als 100 hochkarätige Referentinnen und Referenten aus allen Kontinenten gestalteten das Programm, zu dem sich über 3.000 Interessierte angemeldet hatten.

GBS 2020
Die Moderation des GBS 2020 wurde von einem Studio im BMBF in Berlin aus "gefahren".

Inhaltlich vorbereitet und veranstaltet wurde der Gipfel durch das International Advisory Council on Global Bioeconomy (IACGB), das sich aus rund 40 internationalen Bioökonomie-Fachleuten zusammensetzt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat die Veranstaltung gefördert. Das Informationsportal bioökonomie.de berichtete im Vorfeld, zum Auftakt und während des GBS 2020 mehrfach. In diesem Report werden ergänzend einige ausgewählte Sessions aus dem Plenarprogramm ausführlicher dargestellt.

Video: Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Bioökonomie - von der Politik zur Praxis

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Pflanze die auf drei Büchern steht

Dokumentation des GBS 2020

Die wichtigsten Publikationen zum Global Bioeconomy Summit 2020 im Überblick

Hier geht es zur offiziellen Website des GBS 2020

Der offizielle Report des GBS 2020 auf Englisch (PDF-Download)

Das GBS 2020-Kommuniqué auf Englisch (PDF-Download)

Der Global Bioeconomy Policy Report (IV) auf Englisch (PDF-Download)

Video: Auf dem Weg in eine nachhaltige Bioökonomie - von der Politik zur Praxis

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2) Politische Grußworte von zwei Bundesministerinnen

Bundesforschungsministerin Anja Karliczek, die den Global Bioeconomy Summit zum zweiten Mal in ihrer Amtszeit eröffnete, würdigte die hohe Bedeutung der Bioökonomie: „Eines unserer wichtigsten Instrumente auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit ist die Bioökonomie.“ Mit Blick auf die Corona-Pandemie betonte sie: „Wir können aus dieser Krise stärker als vorher hervorgehen, wenn wir die Vorteile von Forschung, Innovation und digitaler Technologie nutzen, wie wir es heute mit diesem digitalen Konferenzformat bereits tun.“ Als „gemeinsame globale Herausforderungen“ bezeichnete die Ministerin Klimawandel, digitale Transformation, Mangelernährung, Verlust der Artenvielfalt und schwindende Ressourcen. „Mit der Bioökonomie können wir nachhaltig mehr Nahrung für eine wachsende Weltbevölkerung produzieren“, sagte Karliczek. „Wir können nachhaltige Rohstoffe und Ressourcen anzapfen und gänzlich neue Produkte erschaffen.“

Immer mehr Länder heben die Bioökonomie prominent auf die politische Ebene, berichtete die Gastgeberin des Summit. Eine wachsende Zahl an Unternehmen beginne, auf erneuerbare Ressourcen zu setzen, und immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher interessierten sich für nachhaltige Produkte. „Jedes Land wählt unterschiedliche Ansätze, was Sinn ergibt, da wir Bioökonomie als eine globale Angelegenheit sehen müssen, die aber lokal realisiert werden muss. Jede Region hat eigene Ressourcen und Potenziale.“
 

GBS2020
Bundesforschungsministerin Anja Karliczek begrüßte die Teilnehmer zum Auftakt des Plenarprogramms.

Mit Blick auf die eigene Arbeit sagte Karliczek: „Die deutsche Regierung hat ihre Bioökonomiestrategie zu Anfang dieses Jahres verabschiedet. Wir stellen gezielte Förderungen bereit für Innovationen, die auf unser Klima zielen sowie auf Kipppunkte unserer Ökosysteme. Unser Ziel ist es, unser biologisches Wissen zu mehren und es zu nutzen, um neue Verfahren und Systeme zu entwickeln.“ Ein weiteres Ziel sei es, eine nachhaltige Bioökonomie auf globaler Ebene zu unterstützen. Dazu sollen internationale, grenzübergreifende Kooperationen verstärkt werden.

„Der Übergang zu einer echten Bioökonomie kann nur dann richtig gelingen, wenn die Menschen bereit dazu sind“, erklärte die Ministerin weiter. „Deshalb brauchen wir Forschung zu den gesellschaftlichen Folgen dieser Veränderung.“ Außerdem räumte sie mit einem noch immer „zu oft“ geäußerten Vorurteil auf: „Die ökonomischen und ökologischen Dimensionen schließen sich nicht gegenseitig aus. Sie gehören zusammen, um unseren Planeten zu bewahren, während wir unseren Lebensstandard bewahren. Die Bioökonomie macht das möglich.“ Die Zeit sei gekommen, um sich zu langfristigen Zielen zu bekennen und zugleich unmittelbare Maßnahmen zu ergreifen.

Zum Schluss ihrer Rede nahm Karliczek das Kommuniqué des IACGB entgegen, in dem die Fachleute ihre Empfehlungen auf dem Weg zu einem nachhaltigen Umbau des Wirtschaftssystems festhalten. Das Gremium belässt es darin nicht bei einem Appell an die Politik, sondern zeigt konkret auf, wo neue Eigenschaften von biobasierten Produkten und Verfahren einen wertvollen Beitrag für eine nachhaltige Zukunft leisten können. Die Gesundheit der Menschen und der Schutz von Klima und Umwelt stehen dabei stets im Fokus.

 

GBS 2020 Julia Klöckner
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner mit dem GBS2020-Kommuniqué.

Den zweiten Gipfeltag eröffnete Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner mit einer Rede. Bioökonomie schaffe Perspektiven für eine Welt, in der sich zunehmend nachhaltig erzeugte biobasierte Produkte auf dem Markt etabliert haben, die beim Klimaschutz helfen und zur Einsparung von Erdöl beitragen. „Bioökonomie birgt große Potenziale“, so Klöckner, „und wissenschaftliche und technologische Fortschritte ermöglichen ganz neue biobasierte Innovationen“. Dazu zählte sie die Genschere CRISPR-Cas. „Diese bahnbrechende Methode des Genome Editing revolutioniert die Züchtung auf dem Weg zu Pflanzen, die weniger Dünger und Pflanzenschutzmittel benötigen.“ Der Übergang zu einer biobasierten Wirtschaft sei mit komplexen Wechselwirkungen verknüpft, die nicht an den nationalen Grenzen endeten. Deshalb sei die internationale Zusammenarbeit so wichtig, etwa mit der Welternährungsorganisation FAO. Deren Generaldirektor, Qu Dongyu, sprach im Anschluss an die Bundesagrarministerin zu den Teilnehmenden des GBS.

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3) Mittels Bioökonomie Krisen bewältigen und vermeiden

Über Bioökonomie als Antwort auf globale Krisen wie Klimawandel und Biodiversitätsverlust diskutierte die Chefredakteurin des Fachjournals „Nature“, Magdalena Skipper, mit sechs politischen und wirtschaftlichen Entscheidern. Im Fokus stand dabei der Ansatz, mit Technologie und Wissenschaft Krisen zu begegnen, dabei aber Verbraucherinnen und Verbraucher ebenso mitzunehmen wie Produzentinnen und Produzenten, ohne dabei das Wohlergehen des Planeten Erde aus dem Blick zu verlieren.

Der Geschäftsführer des europäischen Bio-based Industries Consortium (BIC), Dirk Carrez, verwies darauf, dass Firmen schon heute in der Lage sein müssten zu erläutern, wie ihre Aktivitäten mit den Nachhaltigkeitszielen (SDGs) der Vereinten Nationen in Einklang stehen. Künftig sei erforderlich zu zeigen, wie stark Unternehmen zu diesen Zielen beitragen. Das BIC habe Richtlinien entwickelt, wie das gemessen werden könne. „Jetzt haben wir diese Werkzeuge zur Verfügung. Das ist wichtig, weil die SDGs oft recht abstrakt sind.“ OECD, Vereinte Nationen und andere sollten diese Richtlinien nun auf globaler Ebene weiterentwickeln.
 

GBS 2020 Session 2B
Nature-Chefredakteurin Magdalena Skipper (oben) moderierte eine Diskussionsrunde zum Thema: Bioökonomie als Antwort auf globale Krisen.

Leena Srivastava, stellvertretende Wissenschaftsdirektorin des International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) mit Sitz in Österreich, forderte, die Wissenschaft müsse politische Entscheidungstragende darin unterstützen, die nachhaltige Nutzung der Ökosystemdienstleistungen zu optimieren. Außerdem sollte die Forschungsgemeinschaft lösungsorientierter arbeiten. „Wir haben eine letzte Chance, grün zu werden“, mahnte Srivastava. Die COVID-19-Krise sei diese Gelegenheit, sagte sie mit Blick auf die Hilfspakete, die Regierungen derzeit schnüren. „Wir haben in der Vergangenheit die Schwierigkeiten gesehen, Geld zu mobilisieren, um grüner zu werden.“ Das Volumen der Hilfspakete sei eine enorme Chance. Eine wesentliche Erkenntnis sei dabei, den urbanen Raum neu zu gestalten, sodass er einen bedeutsamen Einfluss auf Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung haben kann. Sie riet dazu, die „grüne Erneuerung“ in einem breiten Kontext zu denken.

Das unterstützte auch Brendan Edgerton, der beim World Business Council for Sustainable Development für Kreislaufwirtschaft zuständig ist: Bislang seien Lösungen immer isoliert auf ein Problem fokussiert entwickelt worden, ohne den Kontext zu sehen. Das habe dann neue Probleme erzeugt. „Eine zirkulare Bioökonomie mit geringem Fußabdruck hat nicht nur Vorteile für die Nachhaltigkeit, sondern auch für die Gesellschaft.“ Er plädierte dafür, das Maß anzupassen, nach dem Innovationen als erfolgreich bewertet werden.

„Wir müssen die Natur ins Herz unserer Wirtschaft stellen“, forderte Helena Vieira, die im portugiesischen Landwirtschaftsministerium den Bereich Meerespolitik leitet. „Mit jedem Euro, den wir in die Bioökonomie stecken, generieren wir zehn Euro im Jahr 2025“, sagte sie. Die Bioökonomie erhalte Jobs und Wachstum. Neue Märkte und neue effiziente Biomaterialien müssten identifiziert werden, aber auch die geeigneten rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um biobasierte Lösungen zu kommerzialisieren. Mit Bezug auf die begrenzte Landfläche und die begrenzt nutzbaren Ressourcen des Waldes lenkte sie den Blick auf die Nutzung des Meeres in Portugal: „Wir pflanzen Algen, um die Biodiversität zu erhöhen, CO2 zu binden und dabei Biomasse für biobasierte Produkte zu erzeugen.“

Torfi Jóhannesson, Berater im Nordischen Ministerrat, gab sich überzeugt, dass die Pandemie „nicht das Ende spezieller Situationen“ sein werde. Er plädierte für Kooperationen: „So viele Dinge sind schon da, wurden erprobt und sind bereit, um kopiert zu werden.“ Best-Practice-Kataloge könnten der Inspiration dienen. Dazu forderte er: „Wir müssen die SDGs auf makro-regionaler Ebene definieren.“ Es seien globale Agenden, die lokal angepasst werden müssen. So können es in einer Region sinnvoll sein, Biomasse zur Energiezwecken zu verbrennen und woanders unsinnig. Nutztierhaltung könne die Biodiversität erhöhen und Kohlenstoff binden, sei aber aus Ressourcensicht ineffizient – und an den meisten Orten daher keine tragbare Lösung.

Angemessenes Handeln der Politik vermisste Rachel Wynberg, Professorin für Umwelt- und Geowissenschaften an der Universität Kapstadt: „Bioökonomie ist ein Werkzeug, um dem Klimawandel zu begegnen und die Biodiversität zu bewahren. Wir müssen diese Ziele viel weiter oben in der Politik verankern, ihr politisches Profil stärken.“ Es fehlten strategische Ansätze der politischen Entscheidungsfindung. „Wir dürfen Wirtschaftswachstum nicht auf Kosten aller anderen Dinge vorantreiben. Wir brauchen neue ökonomische Konzepte.“ Dazu müsse die Politik auch auf andere Gruppen hören als bislang.

Bei der Frage, ob man auf mehr Effizienz setzen oder die Wirtschaft komplett von Emissionen entkoppeln solle, zeigten sich die Zuschauenden in einer Umfrage mit dem Abstimmungstool Slido unentschieden. Edgerton befand jedoch klar: „Wir sind jenseits des Punkts, an dem Effizienz noch effizient ist. Wir müssen aggressive Veränderungen im öffentlichen wie im privaten Sektor anstreben, um die Klimaziele noch zu erreichen.“ Dass das ebenso unumgänglich wie möglich sei, ergänzte Jóhannesson: „Wir haben nicht mehr natürliche Ressourcen, wir müssen entkoppeln. Die Lösungen sind da und müssen jetzt hochskaliert werden.“

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4) Immer mehr Länder weltweit mit Bioökonomie-Strategien

Während des Gipfels stellte das IACGB auch seinen vierten Global Bioeconomy Policy Report vor. Inzwischen haben 19 Länder weltweit eine dezidierte Bioökonomiestrategie verabschiedet, ähnlich viele haben ein entsprechendes Konzept in Arbeit. Zusätzlich gibt es zahlreiche regionale Strategien, sowohl makro-regional als auch in kleinen Regionen.

Die Strategien würden komplexer, beschrieb IACGB-Mitglied Christian Patermann: Beispielsweise würden SDGs in die Strategien einbezogen oder auch die Paris-Vereinbarung zum Klimaschutz. Inhaltlich fände sich zunehmend eine Nähe zu anderen wichtigen Entwicklungen wie Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz. Andere Felder wie 3D-Druck, Elektrifizierung, E-Mobilität, Rohstoffsicherheit oder CO2 als Ressource würden jedoch oft noch unzureichend berücksichtigt.

IACGB-Mitglied Mary Maxon hob die Bedeutung der Aktionspläne hervor, die zunehmend die Bioökonomiestrategien ergänzen und so den Absichten auch Taten folgen ließen. „Die Bedeutung der Bioökonomie beim Übergang zur Nachhaltigkeit nimmt zu.“ Dabei bewege sich die Wirtschaft jedoch schneller als die Politik. Wichtige weitere Schritte seien Biofabriken, aber vor allem Kooperationen, um Kräfte zu bündeln und Erfahrungen auszutauschen.

GBS 2020 Vorstellung Policy Report

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5) Die Rolle der Finanzwelt für die Bioökonomie

Auch in der Bioökonomie dreht sich vieles ums Geld: Wie verfügbar ist Risikokapital für die Start-ups der Branche? Wie bereitwillig finanzieren Banken innovative großtechnische Anlagen? In welches Unternehmen stecken große Investmentfirmen das Geld ihrer Anleger? Nicht zuletzt: Welche Unterstützung gibt der Staat der öffentlichen und privaten Forschung, aber auch den an der Transformation mitwirkenden Unternehmen? In drei Impulsvorträgen wurde das Verhältnis der Finanzbranche zum Thema Nachhaltigkeit und damit auch zur Bioökonomie beleuchtet.

Nachhaltigkeit als Kriterium für Geldanlagen und Investitionen spielt zunehmend eine Rolle für die Finanzwirtschaft. Insbesondere durch den direkten Bezug zum Klimawandel profitieren davon auch Unternehmen der Bioökonomie. Trotzdem sei es schwierig, Geldanlagen in Unternehmen gezielt an Nachhaltigkeitskriterien auszurichten, erläuterte Emily Chew, die bei Morgan Stanley für diese Aufgabe verantwortlich ist. „Lediglich die Hälfte der MSCI-World-Unternehmen weisen ihre CO2-Emissionen aus“, sagte sie – und andere Faktoren wie Wasserverbrauch und -verschmutzung oder der Umgang mit Müll würden quantitativ selten erfasst. Insbesondere für große Konzerne sei es tatsächlich schwierig, diese Daten zu erheben. Es mehrten sich aber die Zusammenschlüsse in der Finanzbranche, die Druck auf große Unternehmen ausüben. „Es gibt gerade jetzt vielversprechende grüne Triebe in der Finanzbranche“, resümierte Chew.

Das zeige sich auch an den „Impact Funds“, die mit ihren Investitionen positive ökologische oder soziale Aspekte fördern wollen und bereits 715 Mrd. US-Dollar umfassen, wie „Global Bio Fund“-Gründerin Ipshita Mandal-Johnson betonte. Im kommenden Jahr solle zudem ein weltweit aktiver Bio-Accelerator gegründet werden, an dem 170 Organisationen beteiligt sein werden.

Auch die Europäische Investitionsbank hat diese Entwicklung aufgegriffen, die laut Werner Schmidt, Direktor der Abteilung für Umwelt und nachhaltige Entwicklung, in der kommenden Dekade eine Billion Euro in ökologische Nachhaltigkeit investieren will und sich ab 2021 konsequent an den Paris-Zielen ausrichten wird.

In der anschließenden Debatte ging es darum, wie Investitionen in die Bioökonomie gelenkt werden können. Dafür sei möglicherweise die COVID-19-Pandemie hilfreich, schilderte Michal Devir, Mitgründerin von Rimonim Agro, ihre Beobachtung: „Die Leute beginnen, gezielt nach Investments zu suchen in Feldern, die gesellschaftliche Relevanz haben – wie die Bioökonomie.“ Es sei jedoch schon immer schwierig gewesen, Geld für Frühphasen technischer Entwicklungen zu mobilisieren, weshalb das in Israel seitens des Staats stark gefördert werde. „Wir haben das höchste Pro-Kopf-Risikokapital der Welt und 420 Akzeleratoren“, so Devir. Dadurch gebe es tausend neue Start-ups pro Jahr.

Seitens der Banken und Finanzinvestoren entstehe bereits Interesse an Nachhaltigkeitsthemen, auch wenn noch viel Aufklärung nötig sei, berichtete Ray Dhirani, Leiter Nachhaltiges Finanzwesen bei WWF UK. Treibende Kraft sei, dass Investitionen in Nachhaltigkeit ein Wettbewerbsvorteil im Kampf um Talente und um Kunden bieten. Für solche Investitionen seien jedoch wissenschaftsbasierte Standards in der Bewertung unerlässlich, wenn man nicht nur Nischenprodukte erzeugen wolle. „Das ist ambitioniert, kann aber etwas erreichen, das den Menschen und dem Planeten richtig nützt.“

GBS2020 Bioökonomie in der Finanzwelt
In einer Diskussionsrunde am zweiten Tag stand die Finanzwelt im Fokus.

Aus Thailand berichtete Kitipong Promwong, Präsident des Nationalen Politikrats für Höhere Bildung, Forschung und Innovation, dass der Staat erstmalig den Privatsektor direkt finanziell unterstütze, weil die Bioökonomie eine langfristige Entwicklung und daher mit großen Risiken behaftet sei. Unternehmerische Hürden regulatorischer Art, beispielsweise für den Transport von Abfällen, würden abgebaut. Und kleine Unternehmen unterstütze der Staat, indem er Infrastrukturen wie Bioraffinerien entwickele. Man dürfe nicht vergessen, auch Primärproduzenten wie kleinen Bauern Zugang zu Innovationen zu ermöglichen.

Strukturen zu schaffen, ist ebenfalls der Ansatz der Vereinigten Staaten, so Chris Fall, Direktor des Wissenschaftsbüros im Energieministerium. „Es gibt in den USA Vorbehalte, durch staatliche Investitionen Gewinner auszuwählen“, sagte er. Da sich die Bioökonomie nicht in Garagenfirmen abspiele, schaffe der Staat lieber Strukturen, die selbst einzelne Firmen oder Universitäten nicht bauen würden – von Supercomputern bis Erdbeobachtungssatelliten. „Als Regierung können wir es Firmen leichter oder schwerer machen“, sagte er und nahm somit auch Bezug auf die regulatorischen und infrastrukturellen Bedingungen. Am wichtigsten sei für Unternehmen und Forschung jedoch Verlässlichkeit in der Finanzierung.

Pablo Nardone, Berater im argentinischen Ministerium für Wissenschaft, Technologie und Innovation, hob abschließend die Bedeutung hervor, die Ausbildung an den Bedürfnissen des Marktes auszurichten – nicht nur in den Naturwissenschaften, sondern auch in der Finanzwelt.

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6) Bioökonomie in der Europäischen Union

Neben Schwerpunktregionen wie Japan, Ostafrika, Lateinamerika und die Karibik sowie Südostasien (ASEAN) warf der Gipfel auch einen Blick auf die Situation in der Europäischen Union, die nicht nur eine Bioökonomiestrategie verabschiedet hat, sondern zuletzt auch mit dem Green Deal und großen COVID-19-Hilfsprogrammen von sich reden machte. John Bell, Direktor für Forschung und Innovation in der Europäischen Kommission, nannte zudem das Horizon-Programm für die Forschungsförderung sowie die Demonstration von Innovationen und deren Hochskalierung als Treiber der Transition hin zur Bioökonomie. „Wir wechseln von Bioökonomie als Nische zu einer Welt, in der alle in einer Bioökonomie leben.“ Bell betonte, die Bioökonomie sei die älteste Sache in unserer Wirtschaft und Kultur und nun sei es die Aufgabe, wieder „die Verbindung zu unserer Biosphäre, unserem Planeten und unseren Ressourcen“ zu schaffen. Notwendig dazu seien Anreize, Märkte und Regulationen, aber auch sozioökonomische Aspekte wie Bildung und Information. „Wir müssen die Bedingungen der planetaren Grenzen begreifen.“ Als Europäische Kommission „müssen wir die Risiken tragen, die der private Sektor noch nicht tragen will. Und wir müssen schnell arbeiten.“ Denn, so Bell weiter: „Wir haben keine Zeit mehr.“ Trotzdem schloss der Forschungsdirektor optimistisch: „Aus der Pandemie haben wir gelernt, dass wir alles tun können, was wir wollen, mit genügend Geld, dem politischen Willen und den Fähigkeiten der Menschen.“

Als Leitender Direktor des Bio-based Industries Joint Undertaking (BBI-JU) präsentierte Philippe Mengal einige Zahlen. Die von ihm geleitete Initiative ist vor sechs Jahren mit einem Budget von 3,5 Mrd. Euro gestartet, um öffentlich-private Kooperationen im Bereich der Bioökonomie anzuschieben. „Wir haben heute 123 Projekte aus 37 Ländern in unserem Portfolio, die Nebenströme aus der Landwirtschaft, Abfälle aus Kommunen oder der Industrie oder Getreide von mageren Böden verwenden.“ Verbunden damit seien 3.500 direkte Arbeitsplätze sowie mehr als 10.000 indirekte, private Investitionen von 1,3 Mrd. Euro und CO2-Einsparungen von 600.000 Tonnen pro Jahr. Die aktuelle biobasierte Industrie in der EU stelle 3,6 Millionen Jobs und erziele Umsätze von 750 Mrd. Euro.

Sarah Mubareka, Scientific and Technical Officer am Joint Research Centre der Europäischen Kommission, beleuchtete Nachhaltigkeitsfragen. So nutze die EU derzeit rund 1,2 Milliarden Tonnen Biomasse, erzeuge aber nur etwa eine Milliarde Tonnen, und die Nachfrage wachse. Vernachlässigbar sei dabei in absoluten Zahlen der Bedarf der chemischen Industrie, der mit 10% pro Jahr besonders stark steige, nicht jedoch der mit 6% bezifferte jährliche Zuwachs im Bereich der Bioenergie. Es sei jedoch schwierig, diesen lokalen Bedarf in Bezug zu den planetaren Grenzen zu bringen. „Dazu gehören viele Annahmen und wir kennen die Umweltaspekte unsere Importe nur zum Teil.“ Mubareka warnte, dass nicht nur der Bedarf steige: „Der Klimawandel hat Folgen für die Verfügbarkeit von Biomasse. Der schwere Befall durch Insekten in unseren Wäldern ist um 600% gestiegen, die Zahl der Waldbrände um 230%.“ Die gute Nachricht sei dabei, dass die Bioökonomiestrategie der EU diese Faktoren berücksichtige, und in jedem Fall habe die Bioökonomie einen positiven Effekt auf die planetaren Grenzen.

Drei konkrete Beispiele, wie die waldbasierte Bioökonomie in den Green Deal hineinspielen könnte, benannte Marc Palahí, Direktor des European Forest Institute. Anders als Erdöl oder Kohle befinde sich die Biomasse in Form von Feldern und Wäldern im Besitz vieler. „Das ist eine Chance für eine fairere Verteilung von Wohlstand. Der waldbasierte Sektor bietet mehr als drei Millionen Jobs in Europa, viel mehr als Stahl-, Zement- und Chemiebranche zusammen.“ Allerdings müssten die immerhin 16 Millionen Waldbesitzer in der EU besser als bislang eingebunden werden. Zudem seien biobasierte Lösungen essenziell für die Dekarbonisierung von Branchen wie Bau, Chemie, Verpackung oder Transport und würden auch das Problem durch Mikroplastik verringern. Nicht zuletzt erfordere eine leistungsstarke Bioökonomie eine intakte Biodiversität. „Somit fördert die Bioökonomie die Verpflichtung, in die Biodiversität zu investieren“, resümierte Palahí.
 

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7) Ausblick auf die Entwicklung der Bioökonomie

Im Gipfel-Kommuniqué gibt das IACGB einen Ausblick auf die weitere Entwicklung der Bioökonomie, der abschließend von Fachleuten des IACGB, aus den Partnerregionen des Gipfels und Teilnehmenden des parallelen Gipfels der Bioeconomy Youth Champions kommentiert wurde. Optimistisch zeigte sich Vladimir Popov von der Russischen Akademie der Wissenschaften. Die Reaktion der Wissenschaft auf COVID-19 sei sehr eindrucksvoll und schnell gewesen, und das lasse für die Bioökonomie hoffen, die ebenfalls auf den Biowissenschaften beruhe. „Die Biologie ist auf dem Weg von einer beschreibenden zu einer angewandten Wissenschaft“, befand er. Natürlich brauche es dazu einiges an finanziellen Mitteln, „aber weit weniger als beispielsweise für die Nuklearphysik“. Man müsse diese steigende Finanzierung nun sicherstellen, und „die Entscheider sind bereit dafür“.

Marcelo Regunaga von der Gruppe der Produzierenden Länder am Südlichen Horn verwies als Beispiel zur Nachahmung auf die in Südamerika ausgegebenen Zertifikate für CO2-arme Produktionsweisen und auf die etablierte Präzisionslandwirtschaft. „Das können aber nicht individuelle Initiativen leisten, das benötigt Kooperationen.“ Flora Ismail Tibazarwa, Programmdirektorin des Southern African Innovation Support Program (SAIS), erinnerte daran, wie wichtig es sei, graduierte Studierende zu inspirieren. „Mentorenschaft ist ein Schlüssel, damit Start-ups überleben.“ Im südlichen Afrika gehe es zudem darum, regionale Innovationspolitik zu unterstützen, Partnerschaften aufzubauen sowie Multiplikatoren und Inkubatoren zu fördern. Zahlreiche Projekte seien bereits unterwegs, von kostenarmen Zugängen zu Wasser bis hin zur Wüstenlandwirtschaft.

Charlotte Sode, die bei der Europäischen Kommission den Bereich Bioökonomie leitet, betonte einmal mehr, für die EU stehe die Bioökonomie im Herzen des Green Deal und der Erholung von der COVID-19-Pandemie. Sie verwies auf die 250 Mio. Euro, die EIB und Kommission für die Kreislaufwirtschaft bereitgestellt haben, und auf die Initiative BBI-JU, die jetzt in vollem Schwung sei: „Sie demonstriert die neuen Technologien, bringt Produkte näher an die Märkte und bietet quer durch Europa Jobs, in Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Industrie.“ Für jeden Euro, den die öffentliche Hand investiere, rechne man mit drei Euro, die privat investiert werden. „Die zirkulare Bioökonomie ist das beste Beispiel für grünes Wachstum.“

„Nachfrage und Finanzierung“ seien entscheidend, damit die Bioökonomie die Nische verlasse, urteilte Christine Lang als eine der Vorsitzenden des IACGB. „Wir müssen Prozesse und Produkte zu den Verbrauchern bringen.“ Regierungen müssten jetzt handeln und in ihren Programmen biobasierte Produkte bevorzugen, Markteintrittsbarrieren verringern und Anreize schaffen, um Geld in die Bioökonomie zu stecken – denn Geld sei da, beispielsweise in Pensionsfonds. Joachim von Braun ergänzte, die Green Deals in der EU, in China oder den USA seien eine gute Sache, aber es brauche einen globalen Green Deal. Es fehle die Bioökonomie auf diplomatischer Ebene, wo es um Regulationen und Handelsvereinbarungen gehe

Auf aus seiner Sicht blinde Flecke des Kommuniqués verwies der ehemalige Direktor des UN-Umweltprogramms und frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer: „Was ist mit den Rechten an geistigem Eigentum, was mit dem Cartagena-Protokoll?“ (Anmerkung: das Cartagena-Protokoll beschäftigt sich mit der Problematik der biologischen Sicherheit). „Wir müssen die ethischen Aspekte vertiefen und religiöse sowie kulturelle Eigenheiten berücksichtigen“, mahnte er. „Ohne Rücksichtnahme auf die sozialen Strukturen gibt es keine Nachhaltigkeit.“ Zudem müsse die Kommunikation zwischen öffentlichen und privaten Akteuren verbessert werden. Positiv aufgefallen sei ihm, dass im Kommuniqué im Vergleich zu 2015 die Diskussion sich von der „Dekarbonisierung“ zur „Defossilierung“ verschoben habe, so Töpfer „Wir müssen weg von der Linearität hin zu Zirkularität und einer Ära der Biologie.“
 

GBS 2020 - Organisatoren und Moderatorin
IACGB-Mitglied Christine Lang mit dem GBS2020-Kommuniqué, Moderatorin Conny Czymoch und Joachim von Braun (ebenfalls IACGB).

Derk Loorbach, Direktor des Research Institute for Transitions an der Erasmus-Universität in Rotterdam, fokussierte auf Transformationsprozesse für eine nachhaltige Entwicklung. „In den vergangenen fünf Jahren gab es eine bemerkenswerte Verschiebung in der Gesellschaft und immer mehr Signale, dass die lineare und extraktive Wirtschaft mit ihren vielen Ungerechtigkeiten sich destabilisiert.“ Seit 50 Jahren wissen wir, dass dieses System nicht nachhaltig ist, jetzt werden wir herausgedrängt. „Der Umgang mit dieser Instabilität erfordert eine veränderte Geisteshaltung, ein neues Verständnis von Innovation und der dominierenden Werte in der Wirtschaft.“ Dieser Übergang könne zu Zusammenbrüchen und Zerstörung führen, aber sei auch ein großer Sprung des Systems hin zu einer „Natur-positiven Wirtschaft. Wir haben allen Grund anzunehmen, dass dies funktionieren wird.“ Dennoch warnte er: „Viel der aktuellen Erholung ist auf die herkömmliche Wirtschaft ausgerichtet. Aber die alte Wirtschaft weniger schlecht zu machen ist keine Transition.“ Es sei nötig, die Periode des transformativen Übergangs zu begrüßen.

Die Perspektive des Nachwuchses aus dem Treffen der Bioeconomy Youth Champions präsentierten Tokelo Shai und Johann Liebeton. Shai berichtete von speziellen Herausforderungen und Chancen der Bioökonomie, die die jungen Akteure identifiziert hätten, welche Maßnahmen diese erfordern würden und wer sie umsetzen müsse. Themen waren dabei Landwirtschaft, Bildung, Energie und Gesundheit. „Was wir tun können ist, Informationen verbreiten und für das Thema werben.“ Den viel geforderten internationalen und interdisziplinären Austausch wolle auch die junge Generation pflegen. „Wichtig ist dabei die Ausbildung, um die Möglichkeiten in der Bioökonomie allen jungen Menschen verfügbar zu machen.“ Dass das Gipfel-Kommuniqué vorsehe, Frauen und junge Menschen stärker im IACGB zu berücksichtigen, lobte Liebeton. „Die Young Bioeconomy Champions sind Botschafter der Bioökonomie für die jungen Generationen.“

Christine Lang und Joachim von Braun zogen zum Ausklang eine erste Bilanz des GBS 2020: „Die Bioökonomie ist Teil des gesellschaftlichen Wandels geworden, aber wir sind noch nicht am Ziel“, sagte Lang. Ihr Kollege von Braun mahnte, die Bioökonomie dürfe kein Konzept von Reichen für Reiche sein. Es brauche ein Wirtschaftssystem, das Menschen und Natur wertschätze. „Wir müssen aus der COVID-19-Krise mit einem neugestarteten Wirtschaftssystem herauskommen, das die Menschen und die planetare Gesundheit respektiert, sonst geraten wir in noch tiefere Schwierigkeiten.“ Je länger man zögere, harsche Maßnahmen zu ergreifen und die globalen Probleme an der Wurzel zu packen, desto größer würden die Probleme. „Wir müssen ambitionierter werden!“