SUSKULT – Gemüse aus der Kläranlage
Was haben Kläranlagen mit frischem Gemüse zu tun? Schaut man sich die Vision von SUSKULT an, jede Menge. Im Rahmen des Verbundprojekts wird ein kreislaufbasiertes Agrarsystem der Zukunft entwickelt, bei dem Kläranlagen zu Nährstoff-Lieferanten für den lokalen Gemüseanbau werden.
Video Transkript
SUSKULT – Gemüse aus der Kläranlage
Landwirtschaftliche Emissionen, die Folgen des Klimawandels und knapper werdende Ressourcen stellen die Agrarwirtschaft vor große Herausforderungen. Ohne den Gedanken an Kreisläufe wird eine ökologische Landwirtschaft in Zukunft nicht möglich sein. Das Projekt SUSKULT stellt sich dieser Aufgabe.
Dipl.-Ing. Volkmar Keuter: „Die Vision ist für 2040, 2050 einen Kreislauf zu etablieren. In SUSKULT werden Produkte angebaut, die dann unter anderem mit den Nährstoffen aus einer Kläranlage kultiviert werden. Aber auch weitere Ressourcen, zum Beispiel CO2 oder Wärme, werden wiederverwendet.“
Gemüse mit Nährstoffen aus der Kläranlage? Die Idee klingt ungewöhnlich, aber clever.
Denn mit SUSKULT werden knappe Ressourcen wieder verwendet und die wachsende Stadtbevölkerung durch lokalen Anbau mit frischen Lebensmitteln versorgt.
Kläranlage wird zum Nährstoff-Center
Dipl.-Ing. Volkmar Keuter: „Früher waren Kläranlagen am Rand der Stadt angesiedelt. Durch die Ausbreitung der Städte sind mittlerweile die Kläranlagen, in das eigentliche Stadtgebiet hineingedrückt. In unserem Konzept wird die Kläranlage umgebaut und zu einem Nährstoff-Center entwickelt.“
15 Partner aus Forschung und Praxis arbeiten an der Umsetzung dieser Vision und entwickeln SUSKULT als ein Agrarsystem der Zukunft. Die Pflanzen werden in so genannten hydroponischen Systemen angebaut, die auf Erde oder anderes Substrat verzichten. Wie die idealen Wachstumsbedingungen für Salat, Tomate und Co aussehen, wird an der Hoschschule Osnabrück erforscht.
Prof. Dr. Andreas Ulbrich: „Also wir haben die Tropfer. Jeder Tropfer versorgt eine dieser Rinnen. Die Nährlösung fließt an den Salatpflanzen vorbei. Die Salatpflanze hat die Option, Wasser und Nährstoffe aufzunehmen. Die Nährlösung, die nicht aufgenommen wird, wird wieder zurückgeführt, aufbereitet und erneut wieder über das Tropfersystem in das System geschickt.
Also wir müssen sehen, dass Pflanzenart spezifisch einmal das Nährlösungs-Konzept passt und das Belichtungs-Konzept. Und das kann sich variieren in der Licht-Intensität und der spektralen Licht-Zusammensetzung. Mithilfe der neuen LED-Technologien können Tageslänge ganz normaler Form nachmodellieren. Wir können einen Sonnenaufgang darstellen, wir können einen Sonnenuntergang, wir können Spitzenzeiten zu den Mittagszeiten. Aber wir können auch je nach Pflanzenart identifizieren, ob die Pflanze das überhaupt braucht. Und wenn man das jetzt in einer vertikalen Form umsetzt, dann nutzt man die Fläche sehr, sehr effektiv und in urbanen Räumen ist genau das die Herausforderung.“
Im Jahr 2050 werden laut Prognosen weltweit 66% der Menschen in Städten leben.
SUSKULT kann dazu beitragen die Lebensmittelversorgung im urbanen Raum zu sichern.
Mit Salat allein wird das schwierig. Für die Forschenden bleibt daher die Frage:
Nährstoffreiche Pflanze für den städtischen Anbau gesucht
Prof. Dr. Andreas Ulbrich: „Wie bekommen wir denn Menschen im urbanen Raum mit solchen Kultursystemen auch ein Stück weit satt? Wenn wir in solche hoch intensiven Kultursysteme gehen, suchen wir Pflanzenarten, die wichtige Inhaltsstoffe beinhalten, wie zum Beispiel Proteine, Vitamine. Da haben wir die Wasserlinde, die Moringa-Pflanze, die Süßkartoffel. Und dann treibt uns natürlich um, wie viel können wir von solchen Pflanzen ernten? Und an der Süßkartoffel ist das wunderbar darstellbar. Wir wollen zum einen natürlich die sekundär verdickte Wurzel als Süßkartoffel ernten, aber wir können auch die gesamten Blattmasse sinnvoll nutzen, also in Form von Frisch-Gemüse.“
In den Containern wird aber nicht nur Gemüse mit hohem Nährwert kultiviert. Erforscht werden zudem neue Anbaumethoden für exotische Pflanzen wie Pfeffer oder Vanille.
Prof. Dr. Andreas Ulbrich: „Aufgrund des Klimawandels am Original-Standort gibt es große Probleme mit dem Anbau. Und da braucht es schlaue Alternativen, die wir zunächst in solchen Indoor-Farmen hier erst mal erproben und erarbeiten können und dann prüfen, inwiefern wir solche Ansätze vielleicht sogar an den originären Kultur-Standort werden transferieren können.“
Dem geernteten Gemüse sieht man seine Herkunft am Ende nicht an. Das Wissen um die Nährstoffe aus der Kläranlage könnte die Kauflust jedoch bremsen.
Mit Transparenz zu mehr Akzeptanz
Dipl.-Ing. Volkmar Keuter: „Die große Herausforderung ist natürlich, dass wir alle solche Produkte dann auch akzeptieren. Natürlich, sehr wichtig ist, dass da keine inhärenten Risiken aus dem Abwasser in die Pflanze übertragen werden. Aber sicher müssen wir bei diesen neuen Produktionsmethoden und gerade auch der Aufbereitung Transparenz schaffen. Die Transparenz wird zu mehr Akzeptanz führen, wenn die Schritte nachvollziehbar sind. Und ein Aspekt in SUSKULT ist auch, dass wir da neue Zertifizierung-Systeme andenken, wo dieser gesamte Produktions-Zyklus eigentlich nachvollziehbar und anschaulich dokumentiert wird.“
Die Frage nach der Akzeptanz in der Bevölkerung hat im SUSKULT-Projekt einen zentralen Stellenwert. Erste Umfragen zeigen, dass es durchaus Offenheit für lokale Produkte aus der Kreislaufwirtschaft gibt. Die Projektpartner schauen zuversichtlich in die Zukunft.
Ein Gewächshaus auf dem Dach der Kläranlage
Prof. Dr. Andreas Ulbrich: „Das ist also jetzt so eine Dach-Gewächshaus-Farm. Dieses Gebäude könnte wirklich auf einer Kläranlage stehen. Hier könnten also Gemüse produziert werden, bestimmte Pflanzenarten kultiviert werden.“
Dipl.-Ing. Volkmar Keuter: „Genau das wäre ja im Grunde genommen eigentlich eine Fortentwicklung von dem, was wir im Moment machen. Aber zukünftig wäre das dann eigentlich eine gute Struktur.“
SUSKULT ändert den Blick auf Kläranlagen gewaltig. Und hat das Potential auch das Stadtbild nachhaltig zu wandeln.
Dipl.-Ing. Volkmar Keuter: „Da kann man natürlich sehr visionär sagen, dass vielleicht zukünftig an der Kläranlage ein Marktstand entsteht, ein Einkaufszentrum entsteht oder dass die Produkte dann über kurze Lieferwege eigentlich in die Stadtzentren hinein geliefert werden. Das wird sich aber zukünftig erst noch entwickeln.“
Redaktion: Katja Wehling
Kamera: Hamid S. Esfahlani
Schnitt: Hamid S. Esfahlani
Sprecherin: Katja Wehling