Kirstin Gutekunst – Die Lichtleserin

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Kirstin Gutekunst – Die Lichtleserin

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Bei der Suche nach alternativen Energiequellen wird Wasserstoff zum großen Hoffnungsträger, gerade wenn er nachhaltig, z.B. durch Windkraft, entsteht. Einen spannenden Lösungsansatz hat Kirstin Gutekunst, Biologin an der Universität Kassel, zu bieten. Sie untersucht, wie Pflanzen und Bakterien das Sonnenlicht in Energie für ihren Stoffwechsel umwandeln. Bestimmte Organismen, wie die Cyanobakterien, produzieren dabei auch Wasserstoff. Gutekunst forscht daran, wie sich die H2-Ausbeute biotechnologisch erhöhen lässt. Wegweisende Forschung für eine leuchtende Zukunft: Wasserstoff-Produktion via Photosynthese, ganz ohne CO2-Abgase – Grüner geht’s nicht! 

DIE BIOPIONIERE | Die Lichtleserin - Kirstin Gutekunst gewinnt Wasserstoff aus photoaktiven Mikroben

Wenn es uns gelingen würde, fotosynthetischen Wasserstoff in ausreichender Menge zu produzieren, das wäre einfach gigantisch. Also das wäre wirklich toll!

Mein Name ist Kirstin Gutekunst und ich bin Biologin und Professorin in der molekularen Pflanzenphysiologie an der Universität Kassel. Wir befassen uns vor allem mit der Bioenergie von phototrophen Organismen. Das sind eigentlich alle die Organismen, die das Sonnenlicht nutzen, oder die Sonnenenergie für ihren Stoffwechsel. Und das sind in erster Linie Pflanzen, aber natürlich auch Moose, Algen und die Zellen und Bakterien.

Die Photosynthese ist deshalb ein so beeindruckender Prozess, weil hier Wasser gespalten wird mithilfe von Sonnenenergie und letztendlich wird die Energie genutzt, um dann Kohlenhydrate zu synthetisieren, also Zucker. Diese Zucker werden von Menschen und Tieren dann verarbeitet. Da werden also die Zucker wieder in CO2 zerlegt und dann wird die Sonnenenergie wieder freigesetzt. Und damit wachsen wir und bewegen uns.

Die Bakterien sind eigentlich sehr, sehr alte Organismen. Man geht davon aus, dass sie vor 2,5 bis 3,5 Milliarden Jahren aufgetreten sind. Und das Tolle an denen ist, dass sie sich wirklich das erste Mal diese sogenannte Photosynthese ausgedacht haben, wo Wasser gespalten wird mithilfe von Sonnenlicht. Und dass das ganz wichtig ist. In dem Prozess ist das erste Mal Sauerstoff entstanden und das ist natürlich für das heutige Leben auf der Erde eine ganz große Grundvoraussetzung.

Wenn man sich Bakterien anguckt, die im Wasser leben, da wird Photosynthese betrieben und zusätzlich werden Kohlenhydrate aus der Umgebung aufgenommen und auch verstoffwechselt. Das kann passieren, weil irgendwelche Blätter ins Wasser gefallen sind und sich da zersetzen. Und das ist wirklich spannend, weil sie dadurch einfach sehr viel schneller wachsen können als die Organismen, die entweder nur Photosynthese betreiben oder halt nur Zucker veratmen.

Die Bakterien sind auch deshalb besonders spannend, weil einige von denen haben ein Enzym, das heißt Hydrogenase und mithilfe dieser Hydrogenase können Cyanobakterien Wasserstoff produzieren. Die Cyanobakterien produzieren einmal Wasserstoff im Dunkeln, wenn sie Zucker vergären. Das ist die eine Situation und die andere ist die, wenn wir Zellen aus dem Dunkeln das Licht holen, dann gibt es eine kurze Phase, wo die CO2-Fixierung noch nicht aktiv ist. Und das ist der Moment, in dem die Hydrogenase dann diesen fotosynthetischen Wasserstoff produziert.

Das, was wir aber machen, ist, dass wir die Bakterien genetisch veränderten. Da wird Wasserstoff dann nicht nur für Minuten, sondern wirklich für Stunden produziert. Wenn man jetzt diesen Wasserstoff in eine Brennstoffzelle einspeist und dort mit Sauerstoff wieder zusammenbringt, dann macht man diese ganze Reaktion wieder rückgängig und erhält ganz viel Energie in der Knallgasreaktion, die dann freigesetzt wird. Und es entsteht als Abfallprodukt praktisch nur Wasser.

Die Idee, die Hydrogenase direkt an die Photosynthese zu koppeln oder zu fusionieren, die ist tatsächlich schon ziemlich alt und das, was bei uns dann sozusagen der Durchbruch war, war, dass wir das in der lebendigen Zelle gemacht haben. Und als es geklappt hat, haben wir uns natürlich schon riesig gefreut. Auf jeden Fall.

Alles, was wir erforschen und tun, tun wir natürlich gemeinsam und als Team, das kann ja eine einzelne Person gar nicht alleine machen. Und das, was immer toll ist, ist, wenn man ein Team hat mit Menschen, die ganz unterschiedliche Schwerpunkte setzen, die unterschiedliche Interessen und auch Fähigkeiten haben, dann bringt einfach das Zusammenarbeiten wirklich einen ganz, ganz, ganz großen Spaß.

Also noch ist man nicht so weit, dass man Cyanobakterien biotechnologisch nutzen kann für die fotosynthetische Wasserstoff-Produktion. Aber wenn man so weit kommt, dass da Cyanobakterien Wasserstoff produzieren, dann könnte man den relativ einfach auffangen, weil es ein sehr leichtes Gas ist, was eigentlich aus den Kulturen ausperlt. Entweder gibt man es dann direkt in Brennstoffzellen oder man speichert halt in Wasserstoff. Es ist auf jeden Fall eine Prozessentwicklung, die sich ganz klar lohnt, weil wir einfach im Fall, dass wir damit erfolgreich sind, hätte wirklich ein sehr, sehr nachhaltiges und sehr, sehr umweltfreundliches System, um Sonnenenergie zu speichern und zu nutzen. Und ich habe immer das Gefühl, wir können uns das eigentlich gar nicht leisten, das nicht zu probieren.

Die Tabakpflanze ist auch so ähnlich wie die Cyanobakterien, mit denen wir arbeiten, eine Modellpflanze und wir gucken uns praktisch besonders den Kohlenhydrat-Stoffwechsel in Pflanzen an und in Cyanobakterien.

Man ist lange davon ausgegangen, dass Pflanzen eigentlich nur zwei verschiedene Abbauwege für Zucker haben. Und wir haben dann vor einigen Jahren entdeckt, dass es noch einen dritten Weg gibt und versuchen herausfinden, was der für eine Bedeutung in Pflanzen und auch in Bakterien hat.

Das ist auch ganz spannend einfach zu sehen, was sich da im Laufe der Evolution geändert hat im Kohlenhydrat-Stoffwechsel von Cyanobakterien und Pflanzen und was aber auch gleichgeblieben ist. Diese ganzen Bakterien sind ja in ihrem Stoffwechsel so viel flexibler als zum Beispiel wir Säugetiere, also auch wir Menschen. Die haben schon so viele Milliarden Jahre von Erdgeschichte auch überlebt, mit unterschiedlichsten Gaskonzentrationen in der Atmosphäre. Und deshalb ist es relativ wahrscheinlich, dass die uns auch irgendwann überleben werden.

Wir brauchen immer einen Kreisprozess und das ist das, was man im Kohlenhydratstoffwechsel von Cyanobakterien so schön sehen kann. Und wenn wir das lernen und mit einer gewissen Bescheidenheit und Demut darangehen, dann glaube ich wirklich, dass es hilfreich ist. Wenn wir jetzt die Bakterien einfach nur wieder ausnutzen und da so viel Wasserstoff rauspressen, wie uns recht ist und nicht über diese anderen Dinge nachdenken, dann haben wir nichts gewonnen.

Die Arbeit im Labor und die Natur, das hängt für mich ganz, ganz eng zusammen, weil ich das Gefühl habe, dass ich im Labor Dinge verstehen darf, die draußen in der Natur passieren und das führt jetzt zu einer ganz großen Ehrfurcht vor dem Leben an sich und dadurch eigentlich auch zu seiner Liebe zu dem Lebendigen. Und ich finde, dass das einfach ein großer Antrieb eigentlich ist, Lebendiges auch zu schützen.

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