Bioökonomie erleben: Paludikulturen - Verpackungen aus dem Moor
„Bioökonomie erleben“ ist zu Besuch beim Fraunhofer IVV in Freising. Dort findet unsere Reporterin Margarita Milidakis heraus, wie man aus Moorpflanzen nachhaltige Papiere und Verpackungen gewinnt.
Durch die Wiedervernässung von Agrarflächen wird nicht nur der Fortbestand der Moore unterstützt, sondern auch eine große Menge CO2 gebunden. Die pflanzliche Verwertung renaturierter Moore verringert zudem die Abhängigkeit von Rohstoffimporten bei der Papierherstellung.
Das Projekt „Paludiverpackungen“ des Fraunhofer Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung findet im Rahmen der „Initiative Biogene Wertschöpfung und Smart Farming“ statt. Es wird vom Bundesforschungsministerium und vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie gefördert.
Video Transkript
Margarita: Herzlich willkommen bei Bioökonomie erleben. Ich bin Margarita, Biologin und Wissenschaftsredakteurin. Heute sind wir unterwegs zu einem Moor in Bayern im Raum Freising. Was das aber mit Bioökonomie zu tun hat, das erklärt uns jetzt Lorenzo.
Lorenzo: Hallo zusammen!
Margarita: Lorenzo Tomei erforscht, wie man pflanzliche Rohstoffe verarbeiten kann. Zum Beispiel solche, die aus dem Moor kommen. Doch wenn ich hier so rausschaue, sehe ich nur Wiesen und Felder. Das Moor von früher ist verschwunden.
Margarita: Wo sind wir denn hier genau?
Lorenzo: Wir befinden uns auf einem Testfeld von der Hochschule Weihenstephan Triesdorf. Und wie du sieht, ist das ein schönes Areal, wo spezielle Pflanzen erforscht werden für eine nachhaltigere Zukunft.
Margarita: Jetzt sollen die Flächen wieder vernässt werden, was die ursprünglichen Pflanzen wachsen lässt, die man ernten und nutzen könnte. Diese Form der Landwirtschaft nennt sich Paludikultur.
Margarita: Und das sind also die Pflanzen, mit denen wir heute was machen?
Lorenzo: Richtig, wir haben hier verschiedene Pflanzen. Wir haben Seggen, wir haben Rohrglanzgras und da drüben ist Schilfrohr. Für uns war es interessant, diese Pflanzen zu ernten und als eine alternative Art von Biomasse zu verwenden.
Margarita: Moore sind die effektivsten Kohlenstoffspeicher aller Landlebensräume. Sie binden doppelt so viel CO2 wie alle Wälder dieser Erde zusammen. Werden sie aber entwässert, scheiden sie große Mengen Treibhausgase aus. Paludikulturen sollen dies verhindern. Dafür muss der Anbau erforscht werden.
Margarita: Und was sehen wir hier?
Lorenzo: Vor uns stehen ein paar Teststationen, wo die Paludikulturen, wie in diesem Fall Seggen, technologisch erforscht werden. Hier geht es tatsächlich um Wassermanagement. Wie du siehst, diese Stationen sind so gebaut, dass man das Niveau des Wassers im Boden kontrollieren kann, um die Saisonalität dieses Niveaus nachzuahmen. Und die Idee dahinter ist, diese Kulturen landwirtschaftlich sinnvoll und vorteilhaft anzubauen.
Margarita: Landwirte können mit Paludikulturen CO2-Zertifikate erwerben und als Einkommensquelle nutzen. Aber es gibt noch einen weiteren Nutzen. Lorenzo: Schau mal, was ich für dich habe. – Das sind unsere Paludikulturen in Form einer Verpackung!
Margarita: Also sind diese Verpackungen wirklich von den Moorpflanzen hergestellt worden, die wir hier gerade sehen?! Lorenzo: Genau von diesem Feld. Margarita: Aber wie funktioniert denn das?
L & M: Lass uns an Institut gehen! Okay, let’s go.
Margarita: Wie man Moorpflanzen praktisch nutzen kann, untersucht Lorenzos Team am Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung, IVV. Die Forschung findet im Rahmen der Initiative Biogene Wertschöpfung und Smart Farming statt. Sie wird vom Bundesforschungsministerium und vom Bayerischen Staatsministerium gefördert. Papier und Verpackung aus Moorpflanzen. Wie macht man das? Schritt eins: Die Fasern müssen chemisch bearbeitet werden.
Lorenzo: Wir werden unseren Reaktor hier nutzen, um das Lignin von diesen Fasern zu extrahieren.
Margarita: Okay. Warum wollen wir das Lignin nicht drin haben? Lorenzo: Das Lignin hält die ganzen Zellulosefaser zusammen. Und wenn wir Verpackungen aus Fasern herstellen wollen, brauchen wir die freien Fasern, die Zellulosefasern.
Margarita: Moorpflanzen enthalten weniger Lignin, was sich auch leichter herauslösen lässt. So wird im Aufschluss deutlich weniger Energie benötigt als bei der Papierherstellung aus Holz.
Lorenzo: Und was Du hier siehst, ist unser Endprodukt. Das sind unsere aufbereiteten Fasern. Man sieht die Zellulosefasern. Und die brauchen wir für unsere Papiere und unsere Verpackungen.
Margarita: Und weiter geht's zur nächsten Station. Marie Föllmer ist Expertin für Materialentwicklung. Sie erforscht, wie sich aus dem Rohstoff das optimale Fasernetzwerk für Papiere bilden lässt.
Margarita: Und hier sehe ich ja, dass wir auch schon andere Fasern haben, die sehr ähnlich aussehen. Also ist das auch der nächste Schritt?
Marie: Genau. Also der nächste Schritt ist, dass wir Wasser hinzugeben. Das kannst du gerne machen. Dann werden die Fasern nochmals im nassen Zustand zermahlen. Sie sind jetzt feucht und schön aufgequollen. Jetzt kommen sie hier in unseren Ultrathorax. Der Schritt stellt jetzt quasi eine Mahlung der Fasern dar. Achtung, es quietscht!
Marie: Jetzt schauen wir im Prinzip, ob es gut fibrilliert wurde und machen ein Blatt Papier daraus. Margarita: Endlich geht’s zu den Verpackungen!
Marie: Hier ist jetzt unser Labor-Blattbildner, wo wir schauen können, ob die Fasern gut fibrilliert wurden und ob sich die Paludifasern grundsätzlich eignen, um Papier und später auch Verpackungen herzustellen.
Margarita: Na dann gucken wir mal, ob ich bis jetzt alles richtig gemacht habe! Marie: Und jetzt siehst du’s ja schon: Die Fasern verwirbeln sich noch so ein bisschen und gleichzeitig setzen sie sich auf einem Sieb ab. – Ich zeig dir das mal!
Margarita: Wow. Das sieht ganz gut aus! Marie: So, ich habe jetzt hier rüber gegautscht. Jetzt nehmen wir das Sieb raus. Ja. Möchtest du abschlagen? Probiere es mal! Also, mit Schwung. Und hier draufschlagen. Okay. Und los! Mensch, das sieht ja super aus.
M & M: Danke sehr! Für den ersten Versuch, perfekt. Und das muss jetzt in unseren Trockner.
Marie: So, hier hast Du jetzt dein Paludipapier. Margarita: Wow, aus den Pflanzen, die wir heute Morgen erst gesehen haben. Das ist echt krass. Okay. Und wie macht man jetzt Verpackungen hieraus?
Marie: Also, das passiert nicht hier bei uns, sondern an unserem zweiten Standort in Dresden. Aber wenn du willst, wir haben ein paar Verpackungen hier, und die könnte ich dir jetzt zeigen.
Marie: Also so könnten jetzt theoretisch die Verpackungen der Zukunft aus Paludikulturen aussehen. Wir haben ja erfolgreich Papier gemacht. Daraus könnte man Faltschachteln machen, wie man sie hier sieht. Wir haben auch gesehen, dass wir das Papier bedrucken können, was ja auch wichtig ist bei einer Verpackung. Wir können die Papiere tiefziehen, wenn wir entsprechende Additive zugeben. Dann kann man hier was reintun. Und was in Dresden speziell gemacht wurde, war der Faserguss. Da wird dann die Fasersuspension nicht auf so einem flachen Sieb reingeschüttet, sondern auf eine 3D-Form.
Margarita: Vielen, vielen Dank, dass du dir heute die Zeit genommen hast, Marie. Und ihr, hättet ihr gedacht, dass man aus Moorpflanzen solche Verpackungen herstellen kann? Ich nicht. Aber hier ist der Beweis. Vielen Dank, und bis zum nächsten Mal mit Bioökonomie erleben.