Biologisierung auf Politikagenda
Führende Regierungsmitglieder stellen eine Neuausrichtung der Innovationspolitik für die nächste Legislaturperiode in Aussicht. Die Bioökonomie soll dabei einen wichtigen Platz einnehmen.
Das Bundeskabinett hat die Latte beim Thema Innovation hochgelegt. „Bis 2025 wollen wir den Anteil von Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt von 3% auf 3,5% steigern“, sagte Bundesforschungsministerin Johanna Wanka bei der Vorstellung der offiziellen Bilanz zu zehn Jahren Hightech-Strategie der Bundesregierung. Der Bericht „Forschung durch Fortschritt und Innovation“ wurde am 29. März durch das Bundeskabinett beschlossen. Demnach liegt die Bundesrepublik gemessen an der Zahl an Patenten pro Einwohner weit vor Forschungsweltmeister USA. Auch bei den Forschungspublikationen belegen heimische Wissenschaftler Spitzenplätze und hinsichtlich der F&E-Ausgaben sei man unter den Top-5 weltweit. „"Wenn wir Deutschlands Stellung als Innovationsführer und Exportweltmeister behalten und ausbauen wollen, müssen wir bereit sein, noch stärker in Forschung und Innovation zu investieren“, erklärte Wanka. Die Bioökonomie als Treiber einer biobasierten, nachhaltigen Wirtschaft dürfte hier künftig eine wichtige Rolle spielen. Man arbeite „an einem Blueprint einer Agenda Biologisierung“, sagte die Forschungsministerin.
Forschungsgipfel mit Fokus Innovationskultur
Einen Tag vorher hatte der Stifterverband der Deutschen Wissenschaft und der Wissenschaftsakademie Leopoldina prominente Redner aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zum Forschungsgipfel 2017 unter dem Motto „Aufbau einer Innovations- und Wagniskultur“ geladen. Kanzleramtsminister Peter Altmaier stellte hier öffentlich die Frage, „ob wir neben der Digitalen Agenda auch eine Agenda Biotechnologie brauchen.“ Nach der Digitalisierung sei der Bereich der Biotechnologie der nächste große Innovationstreiber der deutschen Volkswirtschaft. BMBF-Staatssekretär Georg Schütte bestätigte auf dem Spitzentreffen, dass es Gespräche zu einer Agenda Biologisierung gebe. Noch gibt es jedoch keine offiziellen Angaben darüber, wie eine solche Agenda konkret aussehen wird.
Innovationsdialog Biotechnologie im Kanzleramt
Erstmals angestoßen wurde die Priorisierung der Biologisierung beim „Innovationsdialog Biotechnologie“, der im November 2016 auf Initiative der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina gemeinsam mit Vertretern der Forschungsorganisationen im Bundeskanzleramt stattfand. Grundlage des von der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften Acatech vorbereiteten Treffens bildete ein Dossier zum Stand der Biotechnologie-Industrie in Deutschland, dessen überarbeitete Fassung in der ersten Aprilwoche von Acatech veröffentlicht werden soll. Hierin wird unter anderem die große Bedeutung lebenswissenschaftlicher Innovationen für den Aufbau einer biobasierten Wirtschaft hervorgehoben und eine Bestandsaufnahme der Biotech-Szene Deutschlands vorgenommen.
Im Anschluss an das Treffen wurde das Thema vom Bundeskanzleramt an das Bundesforschungsministerium weitergegeben, das hier unter dem Dach der Biologisierung fortgeführt wird. Schon jetzt ist der Fortschritt in den Lebenswissenschaften eine wichtige Basis bei der konkreten Ausgestaltung der Bioökonomie. Hier hat sich Deutschland mit der Nationalen Forschungsstrategie Bioökonomie sowie der Politikstrategie Bioökonomie schon früh an der Vision einer nachhaltigen Wirtschaft ausgerichtet. Daher wird dieses Thema auch in der Neufassung der High-Tech-Strategie von Bedeutung sein. Als Basis dienen hier auch die Handlungsempfehlungen des High-Tech-Forums, das im Mai seine finalen Ergebnisse offiziell vorstellen und an die Bundesregierung übergeben will. Die Bioökonomie stand hier unter anderem im Fachforum „Nachhaltiges Wirtschaften“ auf der Agenda.
Mit der nun angekündigten Agenda zur Biologisierung würde sich Deutschland an der vordersten Front der Bioökonomie-Staaten weltweit platzieren und auch auf europäischer Ebene punkten. Denn in welche Richtung die Bioökonomie-Strategie der Europäischen Kommission künftig weiterentwickelt wird und ob dies überhaupt geschieht, bleibt offen. Bei dem jüngst in Brüssel veranstaltetem Forum des EU-Konsortiums „Biostep“ wurde bekannt, dass die Begutachtung zum zweiten Mal in zwei Jahren verschoben wurde. Ergebnisse werden nun offenbar erst Ende 2018 erwartet, wie Medien berichten.
Steuerliche Forschungsförderung könnte kommen
Mit Blick auf weitere Finanzierungsmöglichkeit risikoreicher Forschungsprojekte in der Wirtschaft steht die Einführung einer steuerlichen F&E-Förderung seit Jahren auf dem Forderungskatalog von Unternehmensverbänden und der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI). Nun könnte sie tatsächlich bald kommen. „Egal wer nach der Bundestagswahl im Herbst die Regierung stellt, die steuerliche Forschungsförderung wird in den Koalitionsverhandlungen ein zentrales Thema sein“, sagte Altmaier auf dem Forschungsgipfel. In der aktuellen Legislataturperiode hatten sich SPD und CDU/CSU nicht über die Umsetzung einigen können. Ein Gesetzentwurf der Grünen, der die Förderung aus Kostengründen und wegen der Bevorzugung von Großunternehmen bei der Projektförderung auf KMU beschränken wollte, fand keine Mehrheit.