Künstliche Photosynthese: Bioingenieure basteln Stoffwechselweg
Marburger Max-Planck-Forscher haben aus 17 Enzymen einen neuartigen Stoffwechselweg designt, der CO2 effizienter aus der Luft binden kann als die Photosynthese der Pflanzen. Ein imposantes Beispiel für Synthetische Biologie.
Mit der Photosynthese haben Pflanzen innerhalb von zweieinhalb Milliarden Jahren den mit Abstand wichtigsten Stoffwechselprozess auf der Erde entwickelt. Er ermöglicht es, die schier unerschöpfliche Energie des Sonnenlichts und gasförmiges Kohlendioxid einzufangen und sie in Form von energiereichen chemischen Verbindungen (Zucker) umzuwandeln und zu speichern. Schon lange ist es ein Forschertraum, die Photosynthese technisch nachzuahmen und sie sogar noch leistungsfähiger zu machen. Biochemisch betrachtet besteht die Photosynthese aus zwei elementaren Schritten: die Lichtreaktion steht im Zeichen photochemischer Reaktionen, in der Energie umgewandelt wird. In der Dunkelreaktion, dem Calvin-Zyklus, steht die Substanzumwandlung im Mittelpunkt - CO2 wird in vielen enzymatischen Schritten zu organischen Molekülen verwandelt.
Turbo-Enzym integriert
Für diesen zweiten CO2-Speicher-Schritt interessieren sich Forscher am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg. Sie haben einen Weg gefunden, ihn künstlich nachzubauen und dabei auch noch zu verbessern. Wie das Team um den Marburger Molekularbiologen Tobias Erb im Fachjournal „Science“ berichtet, haben sie dafür im Reagenzglas einen bisher einmaligen komplett biologischen Stoffwechselweg kreiert, der Kohlendioxid mithilfe von Enzymen aus der Luft bindet - und zwar besser als die pflanzlichen Vorbilder. Ein Beitrag zur Vision der Künstlichen Photosynthese, und ein imposantes Beispiel für Synthetische Biologie.
Die Photosynthese der Pflanzen ist nicht frei von Schwachstellen. Eine davon ist das CO2-fixierende Enzym Rubisco. Es arbeitet vergleichsweise langsam und irrt sich häufig. „Da gibt es in der Natur CO2-fixierende Enzyme ganz anderer Qualität“, erklärt Tobias Erb. Enzyme, die schneller und effizienter sind. Eines dieser Enzyme namens Crotonyl-CoA Carboxylase/Reductase konnte der Marburger Forscher aus einem Bakterium isolieren. Erb zufolge irrt sich dieses Enzym so gut wie nie, während dies CO2-bindende Enzym im natürlichen Calvin-Zyklus der Pflanzen versehentlich auch Sauerstoffmoleküle einfangen. Außerdem reagiert das aus Bakterien isolierte Enzym zudem zwanzigmal schneller als sein Pendant aus der Pflanzenwelt.
Stoffwechselweg aus 17 Enzymen designt
Um das Turboenzym herum hat Erbs Team einen völlig neuen Stoffwechselweg designt und im Reagenzglas aus seinen biologischen Einzelteilen zusammengefügt. Unter Tausenden von Enzymen fand der Forscher schließlich ein Paar dutzende Kadidaten, die dafür geeignet waren. Gemeinsam mit seinem Team fügte er sämtliche Kandidaten in einem Reagenzglas zu einem „robust funktionierenden, optimierten Zyklus“ zusammen und suchte nach der optimalen Zusammensetzung. Im Ergebnis entstand ein künstlicher, noch nie dagewesener Zyklus, der CO2 fixiert. Im Ergebnis haben die Marburger einen komplett neuen, auf den Namen CETCH getauften Zyklus (für Crotonyl-CoA/Ethylmalonyl-CoA/Hydroxybutyryl-CoA) geschaffen.
An dem CETCH-Zyklus sind insgesamt 17 verschiedene Enzyme, darunter drei „Designer-Enzyme“ aus neun verschiedenen Organismen, darunter dem Mensch, beteiligt. Die Energie bezieht das System zwar nicht aus Licht, sondern aus einer chemischen Reaktion. Am Ende entsteht auch hier die sogennante Glyoxalsäure. Sie ist vielen vor allem jungen grünen Blättern enthalten und wird als Ausgangsstoff für die Synthese von Antibiotika oder Pflanzenschutzmitteln verwendet. Der eigentliche Vorteil der künstlichen Photosynthese ist, dass damit verschiedene Substanzen hergestellt werden können. „Der CETCH-Zyklus kann so verändert werden, dass dabei zum Beispiel Rohstoffe für Biodiesel entstehen können.“ Hinzukommt die höherer Effizienz des synthetischen Kreislaufs. Der Studie zufolge könnten damit 20 Prozent mehr Kohlendioxid aus der Luft gebunden werden, als das Pflanzen schaffen.
Bisher nur im Reagenzglas konstruiert
Bisher funktioniert das Konstrukt nur im Reagenzglas. Ein fernes Ziel könnte sein, den genetischen Bauplan des neuen Zyklus in Algen oder Bakterien zu verfrachten. So könnten die Mikroorganismen zu effizienten Minifabriken umprogrammiert werden, die effizient aus CO2 aus der Atmosphäre interessante organische Verbindungen herstellen. Das klimaschädliche Treibhausgas würde somit zum Rohstoff. Wie man biologische Prozesse von Grund auf neu konstruieren kann, wird in der Max-Planck-Gesellschaft auch innerhalb des Forschungsnetzwerks MaxSynBio intensiv erforscht. An dem ambitionierten Vorhaben sind Forscher aus neun verschiedenen Max-Planck-Instituten beteiligt.
pg/bb