Schon heute die Weichen stellen für die Biotechnologie von morgen – das ist das Ziel des Strategieprozesses „Nächste Generation biotechnologischer Verfahren – Biotechnologie 2020+“. 2010 hat das BMBF diese Initiative ins Leben gerufen, um gemeinsam mit den Hochschulen und den außeruniversitären Forschungsorganisationen die notwendigen Schritte auf dem Weg der Biotechnologie der Zukunft einzuleiten. Der Strategieprozess führt Fachleute aus den Biowissenschaften und aus Chemie, Physik, Medizin und Ingenieurswissenschaften in Kongressen und themenbezogenen Fachgesprächen zusammen. In den vergangenen Jahren ist es hierbei gelungen, notwendige Basistechnologien für die Biotechnologie der Zukunft abzustecken.
Zwei Fördermaßnahmen gestartet
Doch im Strategieprozess wird nicht nur diskutiert: Auf den Ergebnissen der Fachgespräche fußen inzwischen zwei konkrete BMBF-Fördermaßnahmen, die 2011 gestartet sind: „Basistechnologien“ und der „Forschungspreis“. In beiden Fällen sollen Forschungsansätze gefördert werden, die an der Entwicklung von völlig neuartigen, heute noch nicht realisierbaren biotechnischen Produktionsverfahren arbeiten. Am 12. Dezember trafen sich nun erstmals alle frischgekürten Projektleiter in Berlin, um ihre Vorhaben einander vorzustellen. Zum Auftakt hatte das BMBF die Tüftler an der Zukunft der Biotechnologie in die geschichtsträchtigen Gemäuer des Robert-Koch-Forums in Berlin. Hier hatte Robert Koch 1882 seinen bahnbrechenden Vortrag über die Ursache der Tuberkulose gehalten, ein Durchbruch, der ihm später den Medizinnobelpreis einbrachte.
42 Millionen Euro für originelle und zukunftsträchtige Ansätze
Matthias Kölbel aus dem Referat Bioökonomie des BMBF verwies zum Auftakt vor den 80 Teilnehmern in Berlin auf die große Resonanz an der Ausschreibung zu den Basistechnologien. „Insgesamt sind 118 Projektskizzen eingereicht worden, davon wurden nun 35 Projekte zur Förderung ausgewählt“, bilanzierte er. „Insgesamt gibt das BMBF in den kommenden Jahren dafür 42 Millionen Euro aus“. Kölbel betonte, dass es sich bei den Vorhaben um explorative, originelle und risikoreiche Projekte handele, die bewusst auch langfristig angelegt seien.
Es folgte ein sportlich getaktetes Programm, der holzgetäftelte Robert-Koch-Saal wurde zur Vortragsarena. Die Forscher hatten jeweils zehn Minuten Zeit, um ihre Ziele, Visionen und Hürden ihren Kollegen aus dem Publikum vorzustellen. Hierbei offenbarte sich nicht nur die große Bandbreite an innovativen Ansätzen. Je nach Idee und Bedarf sind bestimmte Förderformate entstanden, die sowohl Einzelprojekte wie auch Verbundvorhaben umfassen.
Von der molekularen Zuckerfabrik bis zur Naturstoff-Synthesemaschine
Zum Beispiel die „explorativen Einzelprojekte“ (insgesamt werden sieben gefördert): Der Biotechnologe An-Ping Zeng von der Technischen Universität Hamburg möchte ein System entwickeln, mit dem sich der Grundstoff 1,3-Propandiol zellfrei herstellen lässt. „Mit Hilfe von Enzymmodulen wollen wir die Produktausbeute um 100 Prozent erhöhen im Vergleich zu herkömmlichen Fermentations-Verfahren.“ Eine hochspezialisierte Zuckerfabrik für die maßgeschneiderte Herstellung von sogenannten Glykanen hat sich indes der Aachener Forscher Lothar Elling vorgenommen. Dazu will er ein System nach dem Baukastenprinzip entwickeln, in dem Schritt für Schritt Zuckerstrukturen zusammengesetzt werden – ähnlich wie es die Zelle in dem Golgi-Apparat genannten Organ vollführt.
Partner kennen sich schon seit vielen Jahren
Mit insgesamt 14 geförderten Projekten ist das Format „Kooperationsprojekte“ das am häufigsten vergebene. Hier arbeiten Partner aus verschiedenen Hochschulen und Forschungseinrichtungen zusammen. Zum Beispiel der Verbund „BactoCat“, den Michael Köhler von der TU Ilmenau vorstellte. „Wir suchen mit neuester Mikrosystemtechnik nach Mikroorganismen, die tolerant gegenüber Metallnanopartikeln sind“, erläuterte Köhler. Solche Organismen könnten sich dann, so die Hoffnung, für die Produktion innovativer Wirk- und Werkstoffe eignen. Der Forscher betonte, die Partner im Konsortium würden sich schon seit langem kennen – ein wichtiges Pfund für den anvisierten Projekterfolg. Das gilt auch für ein Forscherverbund von dem Biotechnologen Hubert Bernauer (Freiburg) und dem Pharmakologen Rolf Müller (Saarbrücken). Ihr neues Projekt mit dem Titel „Synthetische Biologie zum Design von Produktionssystemen für komplexe Naturstoffe“ baut auf einem gemeinsamen Vorläuferprojekt auf.
Das Ziel: Die Forscher wollen bestimmte Gencluster von Myxobakterien künstlich herstellen und so Biosynthesemaschinen entwickeln, die neuartige Wirkstoffe erzeugen können. Forschungsansätze aus der Synthetischen Biologe verfolgt auch Katrin Castiglione von der Technischen Universität München. Im Rahmen einer für die nächsten vier Jahre finanzierten Nachwuchsgruppe möchte sie künstliche Reaktionsräume entwickeln, in denen Enzyme einmal ganz gezielt und stabil bestimmte Produkte herstellen können.
Tandemprojekte – Expertisen kombinieren
Als äußerst beliebtes Förderformat haben sich die „Tandemprojekte“ entpuppt. Die Idee: Im Duett arbeiten zwei Spezialisten aus völlig unterschiedlichen Fachdisziplinen an einem Projekt. Insgesamt elf solcher Tandems gehen nun an den Start. So etwa der Regensburger Chemiker Burkard König und der Biotechnologe Volker Sieber von der TU München. „Wir wollen photochemische Prozesse mit der Biokatalyse koppeln“, erläuterte König. Dazu sollen in einem lichtgetriebenen Prozess (Photokatalyse) sogenannte Reduktionsäquivalente gewonnen werden, die dann auf neu zu entwickelnde Enzyme übertragen werden. „Mit einem solchen System könnte man zum Beispiel artifizielle Pflanzen entwickeln, die Licht in Form von chemischer Energie speichern“, visionierte Volker Sieber.In einem Jahr werden die an den 35 Projekten beteiligten Forscher wieder zusammenkommen, um eine erste Bilanz zu ziehen, wie weit sie auf ihrem Weg in die Zukunft der Biotechnologie gekommen sind.