Chemische Synthese im Miniformat

Chemische Synthese im Miniformat

Chemische Reaktionen auf kleinstem Raum schnell testen - diesem Ziel sind Forscher vom Karlsruher Institut für Technologie nun näher gekommen. Mit ihrem miniaturisierten Verfahren können bis zu 50.000 Reaktionen parallel getestet werden.

Auf nanometergroße Strukturen laufen beim cLIFT-Verfahren gleichzeitig verschiedene chemische Reaktionen ab und erzeugen, wie hier im Bild, ein Farbsignal.
Auf nanometergroße Strukturen laufen beim cLIFT-Verfahren gleichzeitig verschiedene chemische Reaktionen ab und erzeugen, wie hier

Viele Verfahren zur chemischen Synthese sind oft sehr aufwändig und langwierig. Mit bisherigen Methoden muss vieles nacheinander und schrittweise ablaufen. Forscher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben nun einen Weg gefunden, um chemische Reaktionen auf kleinsten Raum, sehr schnell parallel zu testen. Wie das Team im Fachjournal Nature Communications (2016, Online-Veröffentlichung) berichtet, schafft ihr neuartiges miniaturisiertes Verfahren namens cLIFT (combinatorial Laser-induced forward transfer) bis zu 50.000 Reaktionen gleichzeitig. Es ist vor allem für Moleküle wie Peptide oder Antikörper geeignet, die an ein Trägermaterial binden können. Es könnte daher langfristig ein effizientes Forschungswerkzeug für Medikmanentenentwickler sein.

Bei der Herstellung neuer Farb- oder Arzneistoffe ist die chemische Synthese ein zentraler Punkt jedes Entwicklungsprozesses. Ob chemischer Baustein, Katalysator oder Lösungsmittel - das richtige Mischungsverhältnis zu finden, ist oft langwierig und erfordert zahlreiche Tests. Das Problem: Ob der gewählte Weg der Richtige war, zeigt sich erst in einem sehr späten Syntheseschritt. „Bei allen chemischen Synthesen muss ein Baustein A mit einem Baustein B im Lösungsmittel X vermengt werden, sodass sie miteinander reagieren können. Dies ist sehr mühevoll und zeitraubend“, erläutert Frank Breitling, Forschungsgruppenleiter am Institut für Mikrostrukturtechnik des KIT.

Schnelle Synthese auf kleinstem Raum

Das Ausprobieren kostet aber nicht nur Zeit, sondern vor allem viele teure Chemikalien. Gemeinsam mit dem Physiker Alexander Nesterov-Müller hat Biochemiker Frank Breitling deswegen ein neuartiges Verfahren entwickelt, das den aufwendigen Prozess der chemischen Synthese effektiver macht. „Wir haben dieses Verfahren miniaturisiert, so dass wir nicht auf herkömmliche Weise aufwendig Schritt für Schritt gehen müssen, sondern auf kleinstem Raum viele Reaktionen zugleich stattfinden lassen können“, erklärt Alexander Nesterov-Müller.

Dafür haben die KIT-Forscher eine Maschine konstruiert, mit der nanometerdünne Schichten verschiedener fester Materialien mit eingebetteten Reaktionsmolekülen automatisiert über- und nebeneinander geschichtet werden können. Sogenannte Spots - winzige, in ihrer Größe genau bestimmbare Bereiche - werden dafür aus der nur ein Tausendstel Millimeter dünnen, wiederverwendbaren Materialschicht mit Hilfe eines Lasers ausgestanzt und auf den Syntheseträger übertragen. Durch Zufuhr von Hitze oder Lösungsmitteln verflüssigen sich diese Materialschichten, sodass sich die darin befindlichen chemischen Bausteine - wie beim konventionellen Syntheseverfahren - durchmischen und miteinander reagieren.

50.000 Materialspots gleichzeitig getestet

Für das neue Verfahren eignen sich danach besonders Moleküle, die sich an einen Trägerstoff binden lassen - also Biomoleküle wie Peptide oder Antikörper. Wie das Team im Fachjournal Nature Communications berichtet, konnten sie am Beispiel der Synthese von Peptiden zeigen, dass 50.000 solcher übereinander gestapelter Materialspots pro Glasobjektträger gleichzeitig getestet werden können. Aufgrund der sehr hohen Dichte der Peptid-Arrays und durch die Vielzahl möglicher Kombinationen unterschiedlicher Aminosäure-Bausteine auf engstem Raum konnten die KIT-Forscher in kurzer Zeit eine große Zahl von biochemischen Reaktionen testen.

Werkzeug für Medikamententwickler

„Unser Verfahren dient in erster Linie als Forschungswerkzeug“, erklärt Breitling. Gerade in der Medizin sind viele Einsatzfelder denkbar, denn hier stehen Peptide oder Antikörper sehr häufig im Zentrum therapeutischer Verfahren oder diagnostischer Methoden. So hoffen die Forscher, dass mit Hilfe des Verfahrens eines Tages Immunsysteme ausgelesen und Antikörper im Blut schneller und einfacher aufgespürt werden können. Damit ließen sich beispielsweise bei Rheumapatienten veränderte Aminosäuren erkennbar. Das neuartige Verfahren könnte aber auch ein wertvolles Werkzeug für Pharmafirmen bei der Entwicklung neuer Impfstoffe sein. Als nächstes  wollen Nesterov-Müller und Breitling mit anderen KIT-Forschern die neuartige Synthesemaschine noch kleiner und bedienerfreundlicher machen und auf weitere chemische Synthesen ausweiten.

bb