Präzisionszüchtung: Eine Genkarte für deutschen Hopfen
Hohenheimer Pflanzenforscher wollen neue Hopfensorten für Bierbrauer entwickeln und den Weg für neue Züchtungsverfahren ebnen. Deshalb erstellen sie zunächst eine Genkarte deutscher Hopfen-Gewächse.
In keinem Land der Welt wird soviel Hopfen angebaut wie in der Biernation Deutschland. Experten befürchten jedoch, dass die Spitzenposition beim Hopfenanbau gefährdet ist, wenn Innovationen in der Züchtungsforschung ausbleiben. Unter Leitung der Universität Hohenheim wollen Forscher nun die Hopfenzüchtung in Deutschland vorantreiben und Sorten entwickeln, die den veränderten Klimabedingungen besser angepasst sind und den neuen Marktanforderungen hinsichtlich der Geschmacksvielfalt mehr gerecht werden. Als ersten Schritt in Richtung Präzisionszüchtung will die Forschergruppe bis 2017 eine genetische Landkarte deutscher Hopfenpflanzen erstellen.
Deutschland gilt traditionell als Bierbrauer- und Biertrinker-Nation, und in diesem Jahr feiert das Reinheitsgebot sein 500. Jubiläum. Beim Konsum der „kühlen Blonden“ rangieren die deutschen Biertrinker mit einem jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 107 Liter (2014) in Europa auf Platz Zwei hinter Tschechien. Beim Bierabsatz ist Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes mit 86 Millionen Hektoliter pro Jahr sogar Spitzenreiter. Und hinsichtlich der bundesweiten Anbaufläche für Hopfen ist das Land mit einem weltweiten Anteil von 36 Prozent sogar Marktführer. Doch die Spitzenposition scheint gefährdet. Denn Deutschland hat mit den USA Konkurrenz bekommen. Der Grund: Die amerikanische Hopfenwirtschaft hat seit Jahren in neue Pflanzungen und Forschung investiert und ist damit der Lage, schneller und gezielter auf wechselnde Geschmackstrends zu reagieren.
Investition in Präzisionszucht
„Die jüngsten Zahlen zeigen, dass Deutschland bereits 2015 als weltweit größtes Hopfenanbauland von den USA eingeholt wurde“, erklärt Michael Helmut Hagemann vom Fachgebiet Ertragsphysiologie der Sonderkulturen an der Universität Hohenheim. Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Bayrischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Hüll/Freising, dem Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen, der Hopfenpflanzer in Tettnang und der Hopfenverwertungsgenossenschaft will Hagemann Deutschland durch Präzisionszucht auf Kurs halten und fit für die Konkurrenz machen. Das Projekt wird durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Baden-Württemberg, die Erzeugergemeinschaft Hopfen HVG e.G. in Wolnzach und die Universität Hohenheim finanziert.
Hopfen schneller züchten
Das Ziel der Forscher: die Entwicklung moderner Züchtungsverfahren, um Hopfen präziser und schneller züchten zu können. Denn bis eine neue Sorte im Kessel der deutschen Bierbrauer landet, vergehen oftmals bis zu zwölf Jahre. „Das zeigt, wie aufwendig und vor allem kostenintensiv die Züchtung langjähriger Pflanzen ist. Genau hier setzt unser Kooperationsprojekt an.“ Ob der Hopfen geschmacklich perfekt ist, offenbart sich derzeit meist erst bei der Ernte. „Bisher müssen sich deutsche Hopfenzüchter ausschließlich auf ihren langjährigen Erfahrungsschatz und Intuition verlassen. Junge Hopfenpflanzen werden vom Züchter vor allem nach äußeren Eigenschaften wie Aussehen, Wuchs und den ersten Dolden ausgewählt“, erklärt Hagemann.
Genkarte des Hopfens
Mit einer genetischen Landkarte des Hopfens will das Forscherteam um Hagemann nun die Grundlage für die Präzisionszüchtung legen. Den Grundstock für das Forschungsprojekts bilden rund 1.000 Hopfen-Sämlinge, die bereits im Gewächshaus der Universität Hohenheim auskeimen. „Unsere bayerischen Kollegen haben hierfür zwei Elternpflanzen miteinander gekreuzt, die in ihrem Erbmaterial sehr unterschiedlich sind. Auf diese Weise haben wir bei den Nachkommen eine hohe genetische Vielfalt“, erklärt Hagemann weiter. Das Erbgut der 1.000 Nachkommen liefert den Wissenschaftler die Grundlage für die Erstellung einer Genkarte. Sie erlaubt es, bestimmte Merkmale wie Schädlingsresistenz, mehr Ertrag oder bestimmte Aromen mit entsprechenden Erbgut-Abschnitten in Zusammenhang zu bringen. Sind solche Genorte erst einmal bekannt, können bereits junge Hopfenpflanzen per DNA-Check überprüft werden, ob sie interessante Merkmale von ihren Eltern geerbt haben. Die Präzisionszüchtung nutzt das Wissen um die Erbinformation also für diagnostische Zwecke. Die Erstellung der Hopfen-Genkarte soll im Mai starten und bis 2017 abgeschlossen sein.
Im Ergebnis hoffen die Hopfenforscher auf neue Sorten, die an Klimaveränderungen angepasst sind, Resistenzen gegenüber Schädlingen aufweisen und damit zukünftig weniger Pflanzenschutzmitteln benötigen. Zugleich sollen die Pflanzen auch den neuen Marktanforderungen der sogenannten Craft-Bier-Szene entgegenkommen. Die Branche der kleineren Spezialbierbrauer, die mit ungewöhnlichen Geschmacksrichtungen auf den Markt drängen, hat in den vergangenen Jahren rasant zugelegt.