Biodiversität auf Äckern leichter vermessen
Wie kann man die Artenvielfalt auf den Feldern messen? Ein europäisches Forscherteam hat jetzt ein leichtes und kostengünstiges Monitoring entwickelt, um die Biodiversität der Landwirtschaft zu analysieren.
Die Biodiversität landwirtschaftlicher Nutzflächen ist seit Jahren rückläufig. Wie hoch der Verlust der Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren und Mikroorganismen tatsächlich ist, lässt sich auf Grund der Komplexität bisher nicht exakt bestimmen. Im EU-Forschungsprojekts “Indikatoren für Biodiversität in biologischen und extensiven Landwirtschaftssystemen" (BIOBIO) haben Wissenschaftler ein Instrumentarium geschaffen, mit dessen Hilfe leicht und kostengünstig die Artenvielfalt auf den Äckern Europas gemessen werden kann. Bei dem Agro-Monitoring handelt es sich um ein Set aus 23 Indikatoren, dass sowohl die Vielzahl der Lebensräume, die darin beheimateten Pflanzen- und Tierarten sowie deren genetische Vielfalt aber auch Bewirtschaftungsarten abgleicht. An der Studie, die im Fachjournal Journal of Applied Ecology (2015, Online-Vorabveröffentlichung) erschienen ist, waren auch Forscher der Universität München beteiligt.
Felder, Wiesen und Weiden sind der Lebensraum für Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen. Doch durch die Intensivierung der Landwirtschaft und eine zunehmende Industrialisierung der Tierhaltung gehen Lebensraum und Nahrungsgrundlage vieler Arten verloren. Damit steht auch die Funktionalität unseres Ökosystems auf der Kippe. Doch wie kann man die Artenvielfalt ermitteln und damit das Ausmaß des Verlustes an Biodiversität feststellen? Im Rahmen eines Forschungsprojektes haben Wissenschaftler europaweit nach einer Antwort gesucht. Ziel des EU-Projektes “Indikatoren für Biodiversität in biologischen und extensiven Landwirtschaftssystemen" (BIOBIO) war es einen Satz von Indikatoren zur Biodiversität zu finden, die wissenschaftlich fundiert und auf europäischer Ebene für alle Interessensgruppen gleichermaßen bedeutsam und nützlich sind.
Bei der Entwicklung eines geeigneten Messinstrument waren zwölf europäische Länder, darunter Österreich, Frankreich, Bulgarien und Norwegen beteiligt. In die deutsche Fallstudie war das Team um Sebastian Wolfrum vom Lehrstuhl für Ökologischen Landbau und Pflanzenbausysteme der Technischen Universität München involviert. „Wir haben uns an diesem Projekt beteiligt, um die Arten- und Lebensraumvielfalt der bayerischen Agrarlandschaft langfristig zu verbessern. Unsere Erkenntnisse sollen dabei helfen, die Wirksamkeit betrieblicher Agrarumweltmaßnahmen zu beurteilen, sie falls nötig anzupassen und somit den Einsatz staatlicher Fördermittel zu optimieren“, erklärt Wolfram.
Monitoring bündelt 23 Indikatoren
Ausgangspunkt für die Entwicklung des sogenannten „Agro-Monitorings“ waren Gespräche mit erfahrenen Praktikern aus Agrarverbänden, Naturschutz und Verwaltung. Von den Experten erfuhren die Wissenschaftler, von welchen Indikatoren der Artenvielfalt sie den höchsten Mehrwert erwarten. Aus den Antworten ergab sich ein Paket aus Messgrößen, dass sowohl Angaben über Lebensräume und Pflanzenarten aber auch Bewirtschaftungsarten und Informationen zu Wildbienen, Regenwürmer und Spinnen beinhaltete.
Von den insgesamt 23 Indikatoren waren 16 für alle Betriebsarten wie Acker- und Gemüsebau, spezialisierte Weideviehbetriebe, gemischte Landwirtschaft und Dauerkulturbetriebe relevant, während die Übrigen nur auf bestimmte Betriebsarten anwendbar waren.Im Rahmen sogenannter Fallstudien wurde das Indikatoren-Set schließlich in den zwölf europäischen Ländern großflächig getestet. Entsprechende Untersuchungen wurden aber auch in Uganda, Tunesien und Ukraine durchgeführt, um die Anwendbarkeit außerhalb der EU zu prüfen.
Einfach und günstig Biodiversität messen
Das Ergebnis: Die wenigen Messgrößen ergänzen sich so gut, dass sie größere Veränderungen in der Agro-Biodiversität sichtbar machen können. Ob das Indikatoren-Set in der Praxis tatsächlich seine Anwendung finden wird, liegt Sebastian Wolfrum zufolge nicht allein an den Forschern. „Unsere Ergebnisse sind vielversprechend, aber es liegt nun an der Politik, etwas daraus zu machen“. Die Kosten dafür sind zumindest geringer als gedacht. Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass ein EU-weites Agro-Monitoring der Artenvielfalt mit maximal 0,75 Prozent nur einen bescheidenen Anteil vom europäischen Budget für Agrarpolitik (GAP) beanspruchen würde und die einzelnen Ergebnisse der Mitgliedsländer zu einem europäischen Gesamtbild zusammenfügen könnte.