„Bodenlebewesen sind wichtige Ökosystem-Ingenieure“

„Bodenlebewesen sind wichtige Ökosystem-Ingenieure“

Nico Eisenhauer

Beruf:
Promovierter Biologe und Universitätsprofessor
 
Position:
Professor für Experimentelle Interaktionsökologie am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig und der Universität Leipzig, sowie Sprecher des „Jena-Experiments“, Leiter des MyDiv-Experiments und des iDiv Ecotron

Biodiversitätsforscher Nico Eisenhauer
Vorname
Nico
Nachname
Eisenhauer

Beruf:
Promovierter Biologe und Universitätsprofessor
 
Position:
Professor für Experimentelle Interaktionsökologie am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig und der Universität Leipzig, sowie Sprecher des „Jena-Experiments“, Leiter des MyDiv-Experiments und des iDiv Ecotron

Biodiversitätsforscher Nico Eisenhauer

Die Auswirkungen des Kimawandels auf die Biodiversität im Boden stehen im Forschungsfokus von Leibniz-Preisträger Nico Eisenhauer.

Klimawandel und Industriealisierung setzen Ökosysteme weltweit unter Druck. Auch die kostbare Ressource Boden gerät in Bedrängnis und gefährdet die biologische Vielfalt. Welche Auswirkungen die globalen Veränderungen auf die Biodiversität im Boden haben, damit beschäftigt sich seit Jahren Nico Eisenhauer. Der Jenaer Biologe untersucht dabei vor allem, wie das Zusammenspiel von Pflanzen und Bodenorganismen beeinflusst wird. Hier sind es insbesondere Regenwürmer und Springschwänze, die dem Forscher als Gradmesser der Biodiversität dienen. Eisenhauer konnte nachweisen, dass vor allem Klimaextreme wie Dürre und Hitze die biologische Vielfalt bedrohen. Er befürchtet, wenn der Wandel zu schnell voranschreitet, könnten bestimmte Arten lokal aussterben, weil sie sich nicht schnell genug anpassen können. Für seine Forschungsarbeit auf dem Gebiet der Biodiversität im Boden wurde Eisenhauer erst kürzlich mit dem renommierten Leibniz-Preis ausgezeichnet.

 

Frage

Welche Auswirkungen hat der Klimawandel schon heute auf die Biodiversität und insbesondere auf das Ökosystem Boden?

Antwort

Der Klimawandel hat viele verschiedene Facetten, die sich auch abhängig vom Standort verschieden auswirken können. So können zum Beispiel steigende Temperaturen einen Rückgang der Biodiversität an bereits trockenen Standorten mit sich bringen, während ein ähnlicher Anstieg an einem eher nassen und kalten Standort zu einem Anstieg der biologischen Vielfalt führen kann. Was sich aber wohl grundsätzlich verändert ist die Zusammensetzung von Gemeinschaften. Rezente globale Studien zeigen, dass sich die ökologischen Gemeinschaften mit der Zeit immer ähnlicher werden; man spricht von einer „Homogenisierung“ der Gemeinschaften. Außerdem kommt es bei den Folgen des Klimawandels auch immer darauf an, wie schnell sich das Klima verändert und ob sich die lokalen Gemeinschaften anpassen und Arten verbreiten können. Wenn der Wandel zu schnell abläuft, kommen die Arten nicht „hinterher“ und können zumindest lokal aussterben.

Frage

Welche Klimafaktoren beeinflussen die biologische Vielfalt am meisten und welche Folgen hat das für das Zusammenspiel von Pflanzen, Tieren und Bodenorganismen?

Antwort

Die biologische Vielfalt ist vor allem von Klimaextremereignissen bedroht, wie zum Beispiel Dürren und Überschwemmungen. Es sind also weniger die langsam ablaufenden Veränderungen der Temperatur, sondern die damit oft einhergehende Zunahme von Extremereignissen, die zu Aussterbeereignissen führt. Wir konnten ja in den letzten Jahren gut beobachten, wie die Natur unter den wiederkehrenden trockenen Sommern gelitten hat. Wenn dann einzelne Arten verloren gehen, kann das eine ganze Kaskade an weiteren Aussterbeereignissen zur Folge haben, weil alle Arten durch eine Vielzahl an Wechselwirkungen miteinander verknüpft sind. Schon Alexander von Humboldt hat auf dieses Netzwerk der biologischen Vielfalt hingewiesen. Unsere Studien zeigen, dass zum Beispiel der lokale Verlust von Pflanzenarten bewirkt, dass auch Insektenarten verschwinden und dass weniger wirbellose Tiere und Mikroorganismen im Boden vorkommen. Das hat wiederum Auswirkungen auf Tiere, die von diesen Insekten abhängen, wie zum Beispiel Vögel, und so weiter.

Frage

Welche Rolle spielen Regenwürmer beim Erhalt der biologischen Vielfalt und inwiefern sind sie ein Gradmesser für die Biodiversität des Bodens?

Antwort

Regenwürmer werden schon seit einiger Zeit als sogenannte Bioindikatoren bezeichnet und genutzt. Das heißt, dass das Vorkommen von Regenwürmern Aufschluss darüber geben kann, wie gesund ein Boden ist, wie gut natürliche Zersetzungs- und Mineralisierungsprozesse ablaufen, wie stark gedüngt und belastet Böden sind und wie stark sie „beackert“ werden. Diese natürlichen Zersetzungsprozesse sind von zentraler Bedeutung für das Funktionieren unserer Ökosysteme und bestimmen, wie gut Nährstoffe verfügbar gemacht werden und wie Pflanzen wachsen können. Außerdem stehen Regenwürmer oft stellvertretend für andere Bodentiere und Mikroorganismen, weil sie als sogenannte „Ökosystem-Ingenieure“ die Biodiversität dieser Organismen fördern. Regenwürmer strukturieren die Umwelt im Boden, arbeiten Pflanzenmaterial in den Boden ein, kreieren ein Gangsystem und haben damit einen großen Einfluss auf andere Bodenlebewesen.

Frage

Welche Rolle spielen Vorhersagemodelle bei der globalen Biodiversitätsanalyse und inwiefern sind die Daten überhaupt vergleichbar?

Antwort

Vorhersagemodelle spielen in der Biodiversitätsforschung eine immer wichtigere Rolle. Sie erlauben es uns zu verdeutlichen, welche Folgen unser vergangenes, heutiges und zukünftiges Handeln für die Biodiversität haben wird, und geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Wir arbeiten kontinuierlich daran, diese Modelle zu verbessern, indem wir die wichtigen Steuergrößen für verschiedene Pflanzen-, Tier- und Mikrobenarten identifizieren. Da gibt es natürlich noch einiges zu tun, aber wir können mit den Modellen und Gegenmaßnahmen nicht warten bis wir ein geeignetes Modell für jede einzelne Art haben, weil es dann bereits zu spät sein wird gegenzusteuern. Für die biologische Vielfalt im Boden haben wir uns deshalb zunächst auf Regenwürmer fokussiert und konnten zeigen, dass ein sich veränderndes Klima einen großen Einfluss auf Bodentiere haben wird. Solche Vorhersagemodelle sind deshalb von großer und wachsender Bedeutung im Naturschutz und der Politikberatung.

Frage

Welchen Beitrag können Sie als Biodiversitätsforscher leisten, um das Ökosystem Boden für die Zukunft fit zu machen?

Antwort

Zunächst einmal gibt es noch viel Biodiversität im Boden zu erforschen; er wird daher häufig als „black box“ bezeichnet. Mit dem generierten Wissen können wir dann besser verstehen, warum welche Artengemeinschaften wo vorkommen und wie sie funktionieren. Im nächsten Schritt sollten Biodiversitätsforscher Lösungen anbieten, um diese Vielfalt erhalten und schützen zu können, damit wir auf nachhaltige Art und Weise mit den Ökosystemen umgehen können. Dafür ist es wichtig, die wissenschaftlichen Erkenntnisse Entscheidungsträgern und der Öffentlichkeit verständlich aufzubereiten und zu präsentieren. Wir sind Teil der Ökosysteme von denen wir abhängen, um zum Beispiel Nahrung zu produzieren und sauberes Wasser und saubere Luft zu haben – diese Erkenntnis sollte unser Handeln beeinflussen.

Interview: Beatrix Boldt