Artenverlust schadet Grünland-Ökosystemen

Artenverlust schadet Grünland-Ökosystemen

Das "Jena Experiment" liefert den Beweis: Biodiversität ist gut für Ökosysteme. Allerdings zeigen sich viele positive und negative Effekte erst nach einigen Jahren.

Luftbild des Jena Experiments: Parzellen der Biodiversitätsforschung.
Luftbild des Jena Experiments: Parzellen der Biodiversitätsforschung.

Ein gut funktionierendes Ökosystem ist auf das perfekte Zusammenspiel von Pflanzen, Insekten und Boden angewiesen. Durch den dramatischen Artenverlust vor allem bei fliegenden Insekten wird bekannterweise der natürliche Kreislauf gestört. Aber nicht nur die Bestäubung der Pflanzen bleibt aus. Auch der Stoffkreislauf im Boden wird beeinflusst. Wie sehr, dass zeigen die Ergebnisse vom „Jena-Experiment“. Das Freiland-Labor wurde 2002 vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie und der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) ins Leben gerufen und ist mit seinen 15 Jahren nicht nur das am längsten dauernde, sondern auch das größte Freiland-Experiment Europas auf dem Gebiet der Biodiversitätsforschung. Daran beteiligt waren auch Forscher aus Österreich, der Schweiz und den Niederlanden. Die Ergebnisse dieser einmaligen Langzeitstudie sind nun im Fachjournal „Basic and Applied Ecology“ erschienen.

Biodiversitäts-Effekte erst Jahre später sichtbar

Auf mehr als 500 Versuchsparzellen hatten die Forscher unterschiedlich viele Pflanzenarten angesät, von Monokulturen bis zu Mischungen von 60 Arten. Neben Pflanzen wurden auch viele weitere im Ökosystem vorkommenden Organismen untersucht, sowohl im als auch oberhalb des Bodens. Daneben nahmen die Forscher auch Stoffkreisläufe von Kohlenstoff, Stickstoff und Nitrat sowie den Wasserkreislauf ins Visier. Die Laufzeit des Projektes machte es möglich, die Auswirkungen von Artenverlust und –vielfalt auf Grünlandflächen genau zu beobachten und zu analysieren. Denn die Folgen für das Ökosystem zeigten sich erst Jahre später, wie der langjährige Leiter des „Jena Experiments“ Wolfgang Weisser berichtet: „Da der Einfluss der Biodiversität verzögert sichtbar wird, konnten wir manche Effekte erst ab dem Jahr 2006 oder 2007 beobachten – also vier oder fünf Jahre nach Beginn des Projektes.“

Stoffwechselkreislauf im Visier

Die Effekte der Biodiversität- positiv wie negativ- verstärkten sich der Studie zufolge im Laufe der 15 Jahre. Die Forscher konnten beobachten, dass das Artensterben schleichend vonstatten geht. „Dies bedeutet, dass die negativen Effekte des derzeitigen Artenverlustes erst in einigen Jahren vollständig augenscheinlich werden“, warnt Weisser. Auch die negativen Folgen von Monokulturen wurden erst später deutlich. Gleiches galt für Veränderungen bei den Stoffwechselkreisläufen. „Kein anderes Experiment hat bisher die Nährstoffkreisläufe mit solcher Genauigkeit untersucht“, sagt Wolfgang W. Wilcke vom Lehrstuhl für Geoökologie am KIT in Karlsruhe.

Ökosystem provitiert von Artenreichtum

Artenreiche Wiesen hatten einen durchweg positiven Einfluss auf das Ökosystem. Das betraf sowohl die Kohlenstoffspeicherung im Boden, als auch die mikrobielle Atmung und die Entwicklung der Bodenfauna. Auf den bunten Wiesen wurden vielmehr Insekten und Pflanzen gezählt, so dass häufiger Bestäubungen stattfanden. Außerdem konnten artenreichere Wiesen Oberflächenwasser besser in den Boden transportierten und waren im Vergleich zu artenarmen Systemen unempfindlicher gegenüber Störungen wie Dürren oder Überschwemmungen.

Biodiversität so wertvoll wie Düngen

Auch der Bioenergiegehalt war auf bunten Flächen deutlich höher. Zudem war die Produktivität bei hoher Artenvielfalt durchweg besser als auf einseitig bepflanzten Wiesen. Eine vergleichbar gute Leistung konnten die Forscher zwar auch durch zusätzliches Düngen und häufigeres Mähen erreichen. Doch im Durchschnitt würde diese Bewirtschaftung dem Landwirt nicht mehr einbringen, wie die Forscher schreiben.

Mit dem Landzeit-Experiment wird vor allem eines deutlich: Sollte das Artensterben nicht gestoppt werden, könnte das „unangenehme Folgen“ für die Menschheit haben. Denn der Verlust der Vielfalt, so betonen die Biodiversitäts-Forscher, beeinflusst über die  Stoffkreisläufe direkt den Wasserhaushalt.

bb