Geschlechtercheck im Ei auf dem Weg in die Praxis
Befruchtete Eier durchleuchten und so frühzeitig das Geschlecht des heranwachsenden Embryos ermitteln - Leipziger Forscher wollen die Technik praxisreif und das Töten von männlichen Küken verzichtbar machen.
In Legehennen-Betrieben haben männliche Tiere keinen Platz – deshalb werden in Deutschland jährlich 45 Millionen Küken getötet, oftmals sogar lebend geschreddert. Das Bundeslandwirtschaftsministerium will dieser Praxis ein Ende setzen und fördert deshalb die Entwicklung einer optischen Technik zur Geschlechtsbestimmung im befruchteten Hühner-Ei. Hierdurch können das Ausbrüten und der Schlupf männlicher Küken verhindert werden. Ein Team von Forschern der Universität Leipzig erhält nun eine weitere Förderung von rund einer Million Euro, um das Verfahren zu automatisieren. Das ambitionierte Ziel: bis 2017 sollen Geräte-Prototypen reif für den Einsatz in Brütereien sein.
„Deutsche Technologie soll zum Trendsetter in Sachen Tierwohl werden“, sagte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt bei einer Pressekonferenz am 9. Juli. „Mein Ziel ist es, dass das Kükenschreddern 2017 aufhört“, betonte der Minister.Die Geschlechtsbestimmung am befruchteten Hühnerei habe nach derzeitigem Kenntnisstand das größte Potenzial, um künftig das Töten männlicher Küken zu vermeiden. Ein Verbot der gegenwärtigen Kükentötung würde das Problem lediglich ins Ausland verlagern. „Wir haben mit der In-Ovo-Geschlechtsbestimmung eine praktikable Alternative, die wir jetzt in die Marktanwendung bringen müssen“, so Schmidt. In der neuen Förderphase werde die Grundlage gelegt für eine serienmäßige und flächendeckende Anwendung in der Wirtschaft.
Leipziger Durchleuchtungstechnik
Bereits seit 2008 wird der optische Geschlechtscheck im befruchteten Hühnerei entwickelt. Federführend in dem Projekt ist die Tiermedizinerin Maria-Elisabeth Krautwald-Junghans von der Universität Leipzig. Zusammen mit vier Projektpartnern wurde die Raman-Spektroskopie im nahinfraroten Wellenlängenbereich als Durchleuchtungsmethode weiterentwickelt. Damit ist eine kontaktlose Untersuchung möglich. Die spektroskopische Geschlechtsbestimmung macht sich die unterschiedliche Größe der Geschlechtschromosomen von männlichen und weiblichen Hühnern zunutze. Bereits nach dreitägiger Bebrütung entwickeln sich kleine Blutgefäße, die sich für eine Geschlechtsdiagnose nutzen lassen. D
Guckloch in die Schale gefräst
Doch für den Blick ins Ei muss mithilfe eines Lasers zunächst ein kleines Loch in die Kalkschale gefräst werden. „Die Eierschale ist einfach eine perfekte Verpackung, die wir nur auf diese Weise öffnen können“, so Krautwald-Junghanns in Berlin. Ist das Guckloch geöffnet, kommt das Raman-Mikroskop zum Zug: Je nach Geschlecht wird das Licht an den Blutzellen anders gestreut. Nach der Analyse wird das Loch in der Kalkschale von Eiern mit weiblichen Embryonen wieder verschlossen. Die Eier mit männlichen Embryonen werden aussortiert. Sie sollen als proteinreiche Quelle in Tierfutter verarbeitet werden, etwa Fischfutter.
Geschlechtscheck dauert Sekunden
Eine Geschlechtsbestimmung dauert gegenwärtig etwa 15 bis 20 Sekunden pro Ei. Technische und datenanalytische Verbesserungen lassen aber in Zukunft Analysezeiten von deutlich unter 10 Sekunden realistisch erscheinen. „Das Verfahren ist hochzuverlässig“, so die Leipziger Forscherin. Jetzt gelte es, einen vollautomatischen Geräte-Prototyps zu entwickeln. Der Prototyp soll das Geschlecht im nur drei Tage bebrüteten Ei bestimmen und die Eier entsprechend automatisch sortieren. Parallel zu der Entwicklung des Geräteprototypen laufen derzeit bereits Praxisversuche mit der neuen Methode. „Unser Vorhaben ist ambitioniert, denn es ist schwierig, das Lebewesen Ei zu automatisieren“, so Krautwald-Junghanns. Gleichwohl wollen die Forscher bis 2017 ein Gerät präsentieren, das für den flächendeckenden Einsatz in den Brütereien geeignet ist
pg