Junge Biotechnologen stellen Zukunftspapier vor
Vor 40 Jahren sorgte eine Studie zum Potenzial der Biotechnologie für Furore. Zum Jubiläum haben junge Forscher der Fachgesellschaft Dechema ein neues Zukunftspapier vorgelegt.
Vor 40 Jahren veröffentlichten Experten der Fachgesellschaft Dechema eine Studie mit dem schlichten Titel „Biotechnologie“. Das maschinengetippte Büchlein lotete das Potenzial einer aufstrebenden Zukunftstechnologie aus – und wurde schnell zum einflussreichen Klassiker. In dieser Tradition hat ein Team junger Biotechnologen des Zukunftsforums der Dechema zum runden Jubiläum nun ein neues Zukunftspapier vorgelegt. Das Papier mit dem Titel „Biotechnologie – der Schlüssel zur Bioökonomie“ wurde am 11. Juni im Rahmen einer Festveranstaltung in Berlin vorgestellt. Es liefert einen kompakten Überblick über die Forschungs- und Entwicklungstrends der modernen Biotechnologie, hält sich aber mit Botschaften an Politik und Forschungsförderer zurück.
Die 16 Autoren sind Mitglieder des Zukunftsforums Biotechnologie der Dechema, einer Art akademischer Denkfabrik, der überwiegend junge Forschungsgruppenleiter angehören. Im Kern beleuchtet das neue Diskussionspapier auf knapp 100 Seiten, in welchen Feldern die Biotechnologie auf dem Weg in eine biobasierte Wirtschaft eine herausragende Rolle spielen wird. Die Autoren haben sich dabei insbesondere an den Handlungsfeldern der „Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“ der Bundesregierung orientiert. So gibt es Kapitel zur Ernährungssicherheit, zur nachhaltigen Agrarproduktion, zur industriellen Nutzung nachwachsender Rohstoffe und zu Energieträgern aus Biomasse. Zusätzlich wurde dem Bereich Gesundheit viel Platz eingeräumt.
Leitthema Synthetische Biologie
„Eines der Leitthemen in der Studie ist die Synthetische Biologie“, so Kai Muffler von der TU Kaiserslautern, einer der Co-Autoren des Papiers. Zentral für die Biotechnologie der Zukunft seien zweckgerichtet programmierte Zellen, die mit Werkzeugen der neuesten Generation hergestellt werden könnten. Neue Technologien ermöglichten es immer besser, biologische Systeme quantitativ zu erfassen, zu verstehen und zu modellieren. Auch die Grüne Gentechnik halten die Autoren für unverzichtbar für eine nachhaltige Agrarproduktion. Sie sei eine „notwendige, aber keineswegs hinreichende technologische Lösung“. Mit völlig neuen, unerhörten Konzepten oder markanten Botschaften an Politik und Forschungsförderer haben die jungen Autoren in ihrem Diskussionspapier indes gespart. Das Werk bietet vielmehr einen kompakten wie umfassenden Überblick über die Forschungs- und Entwicklungstrends der modernen Biotechnologie.
Brückenschlag zur „legendären“ Studie
Die Festveranstaltung im Berliner Humboldt Carré, zu der rund einhundert Gäste gekommen waren, spannte immer wieder den Bogen zu der vor 40 Jahren erschienenen Studie „Biotechnologie“. Der auch im Zuge der Ölkrise 1974 erstmals von der Dechema veröffentlichte Band sorgte national wie international für Aufsehen, wurde wegen großer Nachfrage dreimal aufgelegt und war wichtiger Impuls für die spätere Biotechnologie-Förderung durch das Bundesforschungsministerium.
„Viele Themen, die in der legendären Studie bereits erwähnt sind, sind heute Realität“, sagte Alfred Pühler von der Universität Bielefeld in seinem Vortrag. So sei schon 1974 die Rohstoffsicherung durch Verwertung von Abfällen und Rückständen als Zukunftsthema für die Biotechnologie formuliert worden. Heute stünden dafür Konzepte wie die „Bioraffinerie“ oder die Nutzung von Lignocellulose oder Kohlenstoffdioxid als Rohstoff. Auch die damals als Forschungsaufgabe formulierte Optimierung von mikrobiellen Produktionsstämmen für die Industrie habe sich seither rasant entwickelt. Hierbei seien die Genomforschung, Systembiologie und die Synthetische Biologie wichtige Schrittmacher. Andere Themen hingegen, wie die biologische Stickstofffixierung, hätten sich jedoch bis heute als harte Nuss für eine biotechnologische Nutzung erwiesen.
Mikroben als Fabriken für hochwertige Chemie
Dass biotechnologisch umprogrammierte Mikroben außerordentlich wertvolle kleine Produzenten sein können, hat der Biotechnologe Simon Boecker von der TU Berlin bewiesen. Ihm ist es in seiner Diplomarbeit gelungen, den Pilz Aspergillus niger zu einer Zellfabrik umzufunktionieren, die fortan hohe Ausbeuten der Substanz Enniatin in Reinform herstellen kann. Dieser antimikrobielle Stoff ist in der Pharmaindustrie gefragt – und hat ihren stolzen Preis: „Mit den 400 Milligramm des Pulvers, die ich in meiner Diplomarbeit hergestellt habe, könnte man sich einen Porsche Boxter kaufen“, so Boecker. Zunächst einmal darf er sich schon mal über den mit 3000 Euro dotierten Preis des Dechema-Zukunftsforums freuen, der ihm in Berlin überreicht wurde.