Mikroben-Mix an Pflanzenwurzeln vermessen
Pflanzen beherbergen an ihren Wurzeln Mikroben-Gemeinschaften. Je nach Art und Standort sind diese WGs charakteristisch zusammengesetzt, wie Kölner Max-Planck-Forscher beobachtet haben.
Im Erdboden ist Teamwork gefragt: Pflanzen beherbergen in und auf ihren Wurzeln bakterielle Lebensgemeinschaften, die ihnen zu Diensten sind. Klaus Schläppi und Paul Schulze-Lefert vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln haben beobachtet, dass diese Lebensgemeinschaften erstaunlich stabil sind und im Kern aus wenigen Bakterienfamilien bestehen. Deren Zusammensetzung hängt von der Zugehörigkeit zu einer Pflanzenfamilie und den Standortvorlieben der Pflanzen ab. Die Forscher berichten im Fachjournal PNAS (2013, Online-Vorabveröffentlichung).
Im Erdboden existieren die artenreichsten mikrobiellen Ökosysteme der Welt. Ein Teil dieser Bodenbakterien besiedeln auch die Pflanzenwurzeln. Deshalb stellt sich die Frage, ob das mikrobielle Leben in der Wurzel ein Spiegelbild der Bodenflora ist oder ob die Wirtspflanze die Zusammensetzung gezielt beeinflusst. Beherbergt eine Pflanzenfamilie also eine familientypische Auswahl an Bodenbakterien, die bei jedem Vertreter mehr oder weniger gleich ist – egal, wo er gerade Wurzeln geschlagen hat?
Die Verwandtschaft analysiert
Die Max-Planck-Forscher sind dieser Frage mithilfe von Erbgut-Analysen nachgegangen. Schon 2012 hatten sie bereits bei der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana das sogenannte . Nun haben sie geprüft, wie ähnlich die bakteriellen Lebensgemeinschaften bei unterschiedlich nah verwandten Arten sind. Für diesen Zensus haben sie vier Arten von Kreuzblütengewächsen an zwei natürlichen Standorten und im Gewächshaus untersucht. Die Arten haben sich entwicklungsgeschichtlich vor 8 bis 35 Millionen Jahren auseinanderentwickelt. Bei den Pflanzen handelt es sich um die Modellpflanze Arabidopsis thaliana und ihre „jüngeren“ Schwesterarten Arabidopsis lyrata und A. halleri sowie die „ältere“ Cardamine hirsuta. A. thaliana, A. lyrata und Cardamine hirsuta mögen keine Nahrungskonkurrenz und kommen an offenen und trockenen Standorten wie Steppen oder Berghängen vor. A. halleri kommt hingegen auch mit Nahrungskonkurrenz gut zurecht und kann auf feuchten Wiesen leben.
Jeweilige Arten bevorzugen bestimmte Bewohner
Bei ihrem Mikroben-Zensus sind den Forschern bestimmte Muster aufgefallen: „Während die eine Hälfte der bakteriellen Gemeinschaft in der Wurzel ein Spiegelbild der von der Umwelt abhängigen Bodenflora ist, finden sich in der anderen Hälfte Bakterien, die davon unabhängig sind. Interessanterweise besteht dieser konservierte Kern aus einer taxonomisch begrenzten Gruppe mit Bakterien aus drei Familien.“ Allerdings gibt es Unterschiede bei der Anzahl der vorhandenen Bakterien. Einige der untersuchten Pflanzen beherbergen mehr von der einen Bakterienfamilie, andere mehr von der anderen Familie. „Diese Unterschiede lassen sich nicht alleine durch die evolutionsgeschichtliche Distanz zwischen den untersuchten Pflanzenarten erklären.“ Die Unterschiede gehen nach Ansicht der Kölner Wissenschaftler auch auf die verschiedenen Standortvorlieben zurück. A. thaliana und A. lyrata bevorzugen ähnliche Standortortbedingungen, sie haben auch die ähnlichsten mikrobiellen Lebensgemeinschaften. Am engsten miteinander verwandt sind aber A. lyrata und A. halleri. „Die quantitativen Unterschiede bei den bakteriellen Lebensgemeinschaften haben sehr wahrscheinlich auch mit der arttypischen Anpassung an den Lebensraum zu tun“, erklärt Schläppi.
Nur für geladene Gäste ?
Ob die Kreuzblütengewächse die drei prominenten Bakterienfamilien gezielt in ihre Wurzel einladen und ihnen eine molekulare Eintrittskarte zuspielen oder ob sich die drei prominenten Bakterienfamilien einfach nur besser gegen ihre Konkurrenten im Boden durchsetzen können, lässt sich derzeit noch nicht beantworten. Schläppi und seine Kollegen vermuten, dass beide Prozesse eine Rolle spielen. Vor allem die Konkurrenz wird nicht zu unterschätzen sein, denn Pflanzen sind für alle Arten von Bakterien attraktiv. Die Gewächse scheiden nämlich einen Teil ihres bei der Photosynthese hergestellten Zuckers durch die Wurzel in den Boden aus. „Natürlich wollen alle Bakterien an diese Zuckertöpfe“, sagt Schläppi. „Wir gehen davon aus, dass die Pflanzen von den wurzelassoziierten Bakterien wertvolle Dienste als Gegenleistung erhalten. Sonst würde die Symbiose nicht funktionieren.“