Mit stickstoffbindenden Bakterien Getreide düngen

Mit stickstoffbindenden Bakterien Getreide düngen

Molekularbiologen an der Universität Bremen wollen langfristig den Einsatz von Stickstoffdüngern bei Getreidepflanzen drosseln. Sie setzen auf spezielle Bakterien, die in der Wurzel den Stickstoff aus der Luft binden.

Im Bremer Versuchslabor werden die Reispflanzen unter künstlichen Bedingungen zum Wachsen gebracht.

Stickstoff gilt als Motor des Pflanzenwachstums. Weltweit setzen Landwirte und Bauern auf Nitratdünger, um ihre Erträge  zu steigern. Doch es gibt Pflanzen wie Zuckerrohr, die gänzlich ohne die extrem energieaufwendigen Düngemittel auskommen. Der Trick: Mit Hilfe von Bakterien, die in und an der Wurzel lagern, binden sie Stickstoff direkt aus der Luft und versorgen sich somit selbst. Im Forschungsprojekt "NITRO-SUS" suchen Molekularbiologen um Barbara Reinhold-Hurek von der Universität Bremen seit 2011 nach genomischen Ansätzen, die Stickstoff-Nachhaltigkeit bei Getreide zu verbessern. Dabei experimentiert das Team mit Wildreis, der ebenfalls über stickstoffbindende Bakterien verfügt. Ihr Ziel: Das Stickstoff-Fixierungspotenzial der wilden Pflanze mittels Gentechnik oder Kreuzung auf den Kulturreis zu übertragen und damit langfristig die Stickstoffdüngung bei Reispflanzen und anderen Getreidearten zu reduzieren. Das  Forschungsprojekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund 1 Million Euro unterstützt.

Stickstoff ist der Treibstoff, der das Pflanzenwachstum ankurbelt und den Boden fruchtbar macht. Weltweit werden Getreidefelder daher mit künstlichen Stickstoffdünger bestreut, um Weizen oder Gerste sprießen zu lassen und eine reiche Ernte einfahren zu können. Der Grund: Anders als Hülsenfrüchte wie Bohnen, Erbsen oder Lupinen, die mit Hilfe von Bakterien in den Wurzeln Stickstoff binden, kann sich Getreide nicht selbst mit diesem Nährstoff versorgen, obwohl ein Meer von natürlichem Stickstoff in der Atmosphäre schwebt. Denn 78 Prozent der Luft besteht aus Stickstoffgas.

Getreidewachstum auf natürliche Weise beflügeln

Diese nachhaltige Ressource zu nutzen, um das Wachstum von Getreide auf natürliche Weise zu beflügeln, ist das Anliegen von Barbara Reinhold-Hurek. Die Mikrobiologin und Genetikerin leitet das vom BMBF finanzierte Forschungsprojekt "NITRO-SUS" an der Universität Bremen. Reinhold-Hurek und ihr Team suchen darin nach genetischen Ansätzen für eine stickstoff-nachhaltige und umweltfreundliche Getreideproduktion. Dabei helfen soll das Wissen um Pflanzen, die natürlicherweise über stickstoffbindende Fähigkeiten verfügen. "Kunstdünger ist nicht nur ein Kostenfaktor, sondern auch eine Belastung für die Umwelt. Wenn Stickstoff von Bakterien geliefert wird, ist es auf jeden Fall nachhaltiger", erklärt Reinhold, die sich seit Jahrzehnten mit dem Thema auseinandersetzt. Dieses Fixierungspotenzial auf Kulturpflanzen zu übertragen, ist das Ziel der Forscher, die am Projekt "NITRO-SUS" beteiligt sind.

Reis im Fokus der Forschung

Im Labor haben die Bremer Forscher dafür zunächst zahlreiche Wildpflanzen auf ihre Bakterienaktivität in den Wurzeln untersucht. "So fanden wir die wilde Reisart. Hier schien die Bakterienaktivität hinsichtlich der Stickstofffixierung besonders hoch zu sein.  Dazu kommt, dass dieser Reis auch auf nährstoffarmen Böden sehr gut wächst.“ Im Rahmen des seit 2011 laufenden Projektes versuchen die Bremer nun, dieses hohe endophytische Stickstoff-Fixierungspotenzial vom Wildreis auf den Kulturreis zu übertragen. Dabei gehen sie zwei verschiedene Wege. Zum einen versuchen sie aus dem Wildreis geeignete Gene zu selektieren, durch die die Pflanze besonders gut mit Bakterien zur Stickstoffversorgung kooperieren kann. "Einige dieser Kandidatengene wurden in einem parallelen Ansatz in Kulturreispflanzen eingebracht, um zu sehen, ob wir den Prozess in diesen genetisch modifizierten Pflanzen verbessern können", erklärt die Forscherin. Parallel dazu versucht das Team, diesen Effekt durch Kreuzung von Wildreis mit Kulturreis zu erreichen.  Diese Züchtungsversuche wurden gemeinsam mit dem International Rice Research Institut (IRRI) auf den Philippinen durchgeführt. Während das gentechnische Experiment noch nicht ganz abgeschlossen ist, gibt es bei der konventionellen Züchtung erste "vielversprechende" Ergebnisse, berichtet Reinhold-Hurek. "Bei einigen stieg die Stickstofffixierung, sodass sich vermutlich an der Pflanze durch Interaktion etwas verändert".

Barbara Reinhold-Hurek (links) und ihr Mann bei ihren Versuchen auf den Reisfeld.

Bakterien gezielt mit stickstoffbindenden Fähigkeiten ausstatten

Den Bakterien im Kulturreis mittels Gentechnik eine stickstoffbindende Fähigkeit beizubringen, ist für Reinhold-Hurek persönlich kein Problem. Aber sie ist sich durchaus der Ablehnung der Verbraucher gegenüber gentechnisch-veränderten Pflanzen bewusst. "Die gleichen Gene würden vermutlich auch durch Züchtung weitergegeben. Hier weiß man allerdings nicht, welche das sind", erklärt die Forscherin. Vor diesem Hintergrund hätte es Vorteile, diesen Effekt durch Gentechnik zu erreichen, weil sich schädliche Wirkungen leichter ausschließen lassen. Aber nicht nur das.

Langfristig Stickstoffdüngung reduzieren

"Wenn wir eine Schar von Genen hätten, die den Prozess befeuern, hätten wir vielleicht die Möglichkeit, noch ganz andere Getreidearten damit zu versehen. Das hätte auch für Mais und Weizen ein großes Potenzial", betont Reinhold-Hurek. Die Genetikerin ist optimistisch, in Kürze den Beweis liefern zu können, dass der neue Kulturreis tatsächlich mit Hilfe von Bakterien Stickstoff in der Wurzel sammeln kann. Bis eine solche Pflanze tatsächlich den kommerziellen Anbau erreicht, werden jedoch noch viele Jahre vergehen. Reinhold-Hurek ist zuversichtlich, dass mit dem Anbau der von ihnen entwickelten Kulturpflanze in spätestens zehn Jahren begonnen werden kann. Wenn die Arbeiten erfolgreich sind, dann wäre der Weg geebnet, um die künstliche Stickstoffdüngung weltweit zu reduzieren.

Autor: Beatrix Boldt