Kamelle gegen Karieskeime
Das Berliner Unternehmen Organobalance hat gemeinsam mit BASF ein Lutschbonbon entwickelt, welches das Kariesrisiko senkt.
Das Berliner Biotech-Unternehmen Organobalance hat gemeinsam mit BASF ein probiotisches Lutschbonbon entwickelt, das den wichtigsten Karieserreger Streptococcus mutans aus dem Speichel verdrängt. In den zuckerfreien Pastillen enthaltene Milchsäurebakterien verklumpen mit den schädlichen Mikroben und hindern sie daran, sich auf dem Zahnschmelz abzulagern. So lässt sich Karies verhindern, wie eine klinische Pilotstudie zeigt, die in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazin „Probiotics and Antimicrobial Proteins“ erschienen ist. Im Moment forschen die Mikrobiologen an weiteren Möglichkeiten, wie Bakterien- und Hefestämme gegen Krankheiten eingesetzt werden können.
Das Produktionsverfahren, in dem die winzigen Nützlinge fermentiert, geerntet und anschließend getrocknet werden, hat der Chemiekonzern BASF entwickelt. Die Mikroben werden durch Erhitzen abgetötet, bevor sie einer zuckerfreien Bonbonmasse beigemischt werden. Dass schlussendlich echte Lutschbonbons dabei herauskamen, war der Beitrag des bekannten deutschen Hustenbonbon-Fabrikanten Dr. Soldan. Den betreffenden Lactobacillus-Stamm steuerte die Organobalance GmbH aus ihrer umfassenden Stammdatenbank bei.
Wirkung in klinischer Studie bestätigt
Kürzlich testeten die Forscher die Bondbons erstmals am Menschen. In einer Placebo-kontrollierten Doppelblind-Studie verabreichten sie den Probanden ihre Bakterien-Pastillen. Das Ergebnis: Bereits nach kurzer Zeit sank die Zahl der Karieserreger im Speichel. Die toten Bakterien verklumpten mit S. mutans. So wurden die Erreger daran gehindert, sich in Plaques auf dem Zahnschmelz abzulagern und wurden beim Schlucken aus der Mundhöhle entfernt. Der Gebrauch der getöteten Bakterienkulturen in Lutschbonbons könne somit das Kariesrisiko deutlich senken, schreiben die Forscher in ihrer Publikation.
Bakterienstamm ist hochselektiv und sicher
In Laborversuchen stellten die Mikrobiologen zuvor fest, dass ein spezieller Bakterienstamm von L. paracasei ausschließlich mit dem Übeltäter Streptococcus mutans verklumpt. Sowohl in der klinischen Studie als auch im Reagenzglas seien andere Bakterien der Mundflora unbeeinflusst geblieben, heißt es in der Veröffentlichung. Für den genauen biologischen Vorgang, wie die Milchsäurebakterien bestimmte Krankheitserreger verdrängen, gibt es mehrere Erklärungsansätze. „Ob die probiotischen mit den unerwünschten Bakterien interagieren können, hängt von den individuellen Oberflächenstrukturen der Bakterienstämme ab“, erklärt Klaus Pellengahr von Organobalance. „Man braucht für die Interaktion also keine lebende Bakterie, solange die Oberflächenstrukturen der Zelle erhalten bleiben“, so Pellengahr weiter. „Es handelt sich hier um Lebensmittelorganismen, wie sie alltäglich in Milchprodukten verzehrt oder seit Jahrtausenden zur Lebensmittelherstellung genutzt werden. Daher ist die Methode absolut unbedenklich“, versichert der Forscher.
Diversität der Mikroben nutzen
Bisher war das Mittel der Wahl zur Kariesvorbeugung fluorhaltige Zahnpasta. Das Konzept der Berliner soll noch einen Schritt weitergehen: „Wir härten nicht mehr nur den Zahnschmelz gegen die Säure, die durch Kariesbakterien verursacht wird“, erklärt Mikrobiologin Christine Lang von Organobalance, „sondern wir reduzieren die Zahl der Bakterien, so dass es im Idealfall erst gar nicht zu einer Belastung für den Zahnschmelz kommt.“ Bereits vor einiger Zeit haben die Wissenschaftler eine Bakterien-haltige Zahnpasta entwickelt, die in Kroatien vermarktet wird. Zudem verfolgen sie auch in anderen Bereichen die Strategie, Hefen und Bakterienstämme mit probiotischer Wirkung zu identifizieren und damit gegen Krankheiten vorzugehen. Gegen den Erreger Helicobacter pylori kann das Unternehmen ebenfalls einen wirksamen Lactobacillus-Stamm aus seinem Arsenal vorweisen. Helicobacter ist mitunter für die Entstehung von Magengeschwüren verantwortlich. „Wir freuen uns sehr darüber, dass uns der Schritt von Laborversuchen zu erfolgreichen klinischen Studien in beiden Indikationen gelungen ist, und wir die Wirksamkeit unserer Bakterienstämme somit erstmals in vivo bestätigen konnten“, sagt Pellengahr.