Jan Große-Kleimann - Der Ackerförster
Wie kann sich Landwirtschaft heute weiterentwickeln? Jan Große-Kleimann hat den Familienhof im Münsterland in vierter Generation übernommen. Der studierte Agrarwirtschaftler hat ein Agroforstsystem mit Apfelbäumen auf seinem Weizenacker eingeführt. Dafür sprechen nicht nur wissenschaftliche Fakten, sondern auch viele praktische Beispiele rund um den Globus. Doch wie gut lässt sich das System auf dem eigenen Hof tatsächlich umsetzen? Im Spagat zwischen Schweinemast und Baumpflege versucht Jan seinen Weg zu mehr Nachhaltigkeit zu finden, begleitet von unserer Kamera. Unbedingt reinschauen in das spannende Portrait aus der Reihe "Die Biopioniere"!
Video Transkript
Agroforst lohnt sich in meinen Augen, weil wir, während wir regionale Lebensmittel produzieren, auf weniger Fläche bestmöglichen Klimaschutz betreiben, wir für Artenvielfalt sorgen und bei all dem auch die Gesellschaft mit einbeziehen können. Das ist ein Gesamtpaket, was in meinen Augen unschlagbar ist.
Mein Name ist Jan Große-Kleimann. Ich bin Landwirt in Steinfurt, im Münsterland, in vierter Generation und darf den Hof Große-Kleimann zusammen mit meiner Familie und unseren Mitarbeitenden leiten. Ich bin hier auf dem Hof tatsächlich selber groß geworden. Es war für mich immer ein großes Geschenk, in der Natur auf dem Land aufzuwachsen und direkt den Zusammenhang von Nahrungsmittelerzeugung und -verwertung live zu erleben und selbst mitzugestalten und hoffentlich auch irgendwann an unsere Kinder übergeben zu können, wenn sie es denn wollen.
Unser Haupteinkommen bestreiten wir landwirtschaftlich durch die Schweinemast, das heißt wir erzeugen hier knapp 10.000 Schweine im Jahr, also auf dreieinhalbtausend Mastplätzen, und bewirtschaften rund 220 Hektar Ackerland. Für mich zeichnet die regenerative Landwirtschaft aus, dass wir den Boden aufbauen wollen, das heißt nach der Nutzung nicht nur den Zustand erhalten, wie er gerade ist, weil er in meinen Augen in vielen Fällen auch bei uns auf dem Betrieb überhaupt nicht so ist, wie ich mir an einen guten Boden wünschen würde. Ein Prinzip der regenerativen Landwirtschaft ist der weitestgehende Verzicht auf Bodeneingriff.
Man sieht im Prinzip fast gar nicht, dass wir gesät haben. Das hat den Riesenvorteil, dass die Bodenstruktur komplett erhalten bleibt. Ich störe die Pilze zum Beispiel nicht, die sich entwickeln. Ich lasse die Regenwürmer in Frieden, die Gänge machen, die wir für Infiltrationsleistung, also das Wasseraufnahmevermögen des Bodens brauchen. Gleichzeitig ist der Boden geschützt durch die Mulch-Decke.
Die Idee zum Agroforst ist über das Eintauchen in die Welt der regenerativen Landwirtschaft mit aufgeploppt. Und dann durfte ich mich im Studium in meiner Masterarbeit sehr ausführlich mit dem Thema beschäftigen. Ich habe da auch mal ein Beispiel gerechnet, mit dem Apfelsystem, wie wir es angelegt haben gegenüber anderen Systemen. Und da war mir eigentlich durch meine intensive Lektüre klar: Diese Landnutzungsvariante hat so viele Vorteile, die auch evident sind, die weltweit bewiesen sind in diversesten Standorten, dass ich gesagt habe, diesen Weg müssen wir gehen. Das müssen wir ausprobieren.
Und zusammen mit meiner Familie, meiner Frau, die sich da auch sehr viel reingekniet hat, und den Mitarbeitern, alle, die es mitgetragen haben, haben wir dann eine Pflanzaktion gemacht mit 450 Apfelbäumen und haben so den Hof ein Stück weit auch für die Gesellschaft geöffnet, um daran teilzunehmen. Und das begeistert mich total. Daraus sind verschiedene andere Ideen gewachsen, wie zum Beispiel auch das Monitoring Projekt, das von der Uni Münster initiiert worden ist.
Was uns total viel Spaß macht, ist zu sehen, wie sich der ganze Lebensraum auf dieser Ackerfläche verändert, seitdem wir die Bäume gepflanzt haben. Und dann haben wir natürlich noch den Punkt, dass ein Habitat für Nützlinge entsteht, die wiederum Schädlinge, die wir im Weizen nicht haben wollen, wegfressen, wodurch wir perspektivisch den Insektizid-Einsatz reduzieren möchten oder im besten Fall eben gar nicht mehr spritzen müssen.
Und gleichzeitig bringt das Agroforstsystem auch sehr viele Herausforderungen mit sich. Das will ich auch gar nicht verneinen. Das Feld ist relativ groß und weitläufig. Wenn mal irgendwo was ist, kann man nicht sagen, Ich lauf eben eine Minute vom Hof hin, sondern dann sind das teilweise direkt mal zehn Minuten, die man laufen muss, bis man in der hintersten Reihe angekommen ist.
Gleichzeitig gibt es das Thema Rehverbiss. Also da haben wir den Schutzzaun extra nachträglich aufstellen müssen. Das mit dem Mähen ist ein Riesenthema. Deswegen haben wir diesen Gestrüpp-Mäher kaufen müssen. Die nächste Herausforderung bei so einem System ist die Bewässerung: Wie kriegen wir das hin, auch in Trockenphasen die Bäume zu etablieren? Letztendlich ist das Pflanzen das Einfachste im Agroforst.
Die Etablierungsphase, die ersten fünf Jahre zu überstehen und die Bäume hochzukriegen, das ist, worauf es wirklich ankommt. Und da merken wir auch immer, wie riesig dieser Aufwand eigentlich ist.
Der Grundgedanke ist aber, dass wir durch die Mischkultur, durch diese Synergieeffekte, die entstehen, einfach weniger Fläche brauchen, um dieselbe Biomasse zu erzeugen. Also das heißt, mit einem Hektar Agroforst produzieren wir so viel, wie wir auf 1,4 Hektar Monokultur produzieren.
Letztendlich ist es für unsere ganze Familie, glaube ich, und den ganzen Betrieb ein Spannungsfeld: Einerseits zu wissen, es muss der Ertrag stimmen, es muss das Geld passen am Ende des Jahres und andererseits aber auch diesen Wunsch zu haben – ich denke mal, der bei mir oder vielleicht bei uns als Familie noch mal ein bisschen stärker ist – die Dinge zu verändern, ohne den Gesamtbetrieb zu gefährden.
Andererseits möchten wir eine neue Form der Tierhaltung finden, die, ich sage mal ethisch oder was das Tierwohl angeht, noch mal auf einem anderen Niveau stattfindet. Gleichzeitig merken wir aber, dass es innerhalb der Gesellschaft sehr, sehr wenig Rückhalt dafür gibt, bzw. für eine nachhaltige Kaufbereitschaft für Fleisch, das aus höheren Haltungsformen kommt oder unter höheren Tierwohl Standards produziert worden ist. Und das stimmt uns natürlich sehr nachdenklich.
Meine Vision oder unsere als Familienbetrieb ist, dass wir es schaffen, noch mehr die Kreisläufe im Betrieb zu schließen. Ob das jetzt über Bäume passiert oder über Direktsaat oder andere Verfahren, dass wir es einfach möglichst schaffen, die Ressourcen, die wir haben, zu erhalten. Und idealerweise stehen hier dann wahrscheinlich noch mehr Bäume auf unseren Ackerflächen. Da hätte ich zumindest große Lust dran. Und ja, hoffentlich stehen die Schweine vielleicht auch bald unter anderen Bedingungen im Stall. Das ist so der Wunsch, dass wir hier alle friedlich und glücklich miteinander leben können.