Die Symbiosespezialistin
Caroline Gutjahr
Beruf:
Pflanzenphysiologin & Max-Planck-Direktorin
Biopionierin für:
Arbuskuläre Mykorrhiza & Pflanzenwachstum
Ein Stück wilder Flur zwischen abgemähten Feldern.
Der Spätsommer treibt hohe Gräser und farbenfrohe Wiesenblumen: weiße Schafgarben, blaue Wegwarten, gelben Rainfarn und Goldruten. Eine zierliche Gestalt wandelt mit suchendem Blick einen verwilderten Pfad entlang. In der Hand eine Schaufel, um nach etwas zu graben, was man hier nicht unbedingt vermuten würde. Caroline Gutjahr ist Biologin und Pflanzenphysiologin. Ihr Spezialgebiet beschäftigt sich mit den molekularen Prozessen unter der Erde:
Wir können uns vorstellen, dass alle Pflanzen hier um uns herum oder ein Großteil der Pflanzen in Symbiose mit Pilzen leben, sogar die Pappeln, die man dahinten sieht. Dass diese spezielle Symbiose so weit verbreitet ist, ist nahezu unbekannt in der Bevölkerung, weil der Pilz sich ebenso unsichtbar im Boden befindet.
Tatsächlich werden Pilze gemeinhin vor allem im Wald verortet. Dort springen ihre markanten Fruchtkörper ins Auge, der rote Fliegenpilz mit seinen weißen Punkten oder die braunkappigen Steinpilze und Maronen. Das Wurzelgeflecht im Waldboden, das die Pilze mit ihren Hyphen zusammen mit den Baumwurzeln bilden, die Mykorrhiza, verkörpert eine der bekanntesten Symbiosen der Biologie: Der Pilz stellt MIneralstoffe und Wasser bereit, die Pflanzen Zucker über die Photosynthese. Soweit die Verhältnisse im Wald.
Doch wie gestaltet sich die Symbiose zwischen Pilzen und den Feld- und Wiesenpflanzen? Caroline bückt sich und sticht mit der Gärtnerschaufel nach einer Kleepflanze im Boden. Zum Vorschein kommt ein mit Erdklumpen beschwerter Wurzelballen, weiter nichts, zumindest nichts, was man sehen könnte:
Hier um die Wurzeln herum sind Pilze angesiedelt. Im Labor kann man das sichtbar machen. Diese Pilze gehören zu den sogenannten Glomeromycota. Sie bilden zarte Hyphen im Boden und sehr kleine Sporen. Damit die Symbiose zustande kommt, besiedeln die Pilze die Wurzel und bilden in den Wurzelzellen kleine bäumchenartige Strukturen. Deshalb werden sie auch arbuskuläre Mykorrhizapilze genannt.
Geschätzte 80 % der Pflanzen sollen in Symbiose mit diesen Pilzwinzlingen leben. Wie das Zusammenspiel genau funktioniert, versucht die Biologin am Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam-Golm herauszufinden. Wenige Schritte vom Feld entfernt, leitet sie dort als Direktorin die Abteilung Wurzelbiologie und Symbiose. Caroline ist augenscheinlich eine junge Direktorin. Obwohl sie nach dem Abitur erst einmal Musik studierte und sich auch für Sprachen und Philosophie interessiert, war ihr die große Faszination für die Biologie gewissermaßen in die Wiege gelegt.
Prof. Dr. Caroline Gutjahr ist Verfechterin des Max-Plack-Mottos: Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen. Das wird auch wirklich gelebt. Und das empfinde ich als sehr großes Privileg.
Mein Vater hat mich als Biologielehrer fast jedes Wochenende mit in den Botanischen Garten genommen, hat mir die Pflanzen gezeigt, die verschiedenen Anpassungen, zum Beispiel die Mimose, die ihre Blätter schließt, wenn man sie berührt oder den Bambus Stamm der Töne von sich gibt, wenn man dagegen klopft. Und das hatte mich als Kind schon sehr fasziniert.
Für die Symbiose-Forschung am Max-Planck-Institut werden die Pilze und Pflanzen zunächst separat angezogen. Der Pilz wächst in der Petrischale, vergesellschaftet mit einer Karottenwurzel. Caroline hält eine Schale ans Licht.
Jetzt werden neben den breiteren Pflanzenwurzeln die feinen spinnwebartigen Hyphen erkennbar sowie kleine rundliche Gebilde, kleiner noch als Stecknadelköpfe: die Pilzsporen. Diese können nur ausgebildet werden, wenn die Symbiose funktioniert. Bereits 2017 fand die Forscherin eine Besonderheit im Nährstoffaustausch der arbuskulären Mykorrhiza:
Eine unserer größten Entdeckungen in meinem damaligen Labor an der LMU München war, dass der Pilz auch Lipide von der Pflanze erhält. Das Dogma vorher besagte, dass er ausschließlich Zucker von der Pflanze bekommt. Tatsächlich ist der Pilz ist völlig abhängig von der Pflanze, weil ihm die Gene für die Fettsäurebiosynthese fehlen. Ohne Lipide können die Arbuskel jedoch nicht richtig ausgebildet werden.
Andersherum ist es für die Pflanze genauso wichtig, die Gaben des Pilzes zu erhalten. Allen voran das Phosphat, da es besonders schwer für Pflanzen zugänglich ist, aber auch andere Mineralstoffe wie Kalium, Zink und Eisen oder Stickstoffverbindungen wie Ammonium und Nitrat, und Wasser. Ganze 20 % ihrer Photosynthese-Leistung investiert die Pflanze für ihre unterirdischen Partner, die Pilze.
Die Zucht beginnt im Gewächshaus des Instituts, wo sich unzählige Töpfe mit kleinblättrigen dunkelgrünen Pflanzen und putzigen gelben Blüten befinden. Dabei handelt es um den unter Pflanzenforschenden beliebten japanischen Hornklee Lotus japonicus, eine Modellpflanze, die mit Erbsen, Bohnen und Linsen verwandt ist.
Die Samen werden auf Agar gekeimt und die Keimlinge dann in Sand eingepflanzt und mit den Pilzsporen beimpft. Der Sand eignet sich besonders gut für molekulare Studien an der Wurzel, weil er sich leicht abwaschen lässt und die Wurzel nicht großartig schädigt. Eine Voraussetzung dafür, die Funktion bestimmter Proteine in vivo zu verstehen:
Eine europäische Version des Hornklees, Lotus corniculatus, war uns zuvor bei der Wurzelgrabung auf dem Feldspaziergang begegnet. Im Gewächshaus werden besondere Samen vermehrt. Denn einige der Mutterpflanzen tragen Mutationen. Diese Mutanten werden genutzt, um die Rolle bestimmter Gene bei der Mykorrhiza-Entstehung verfolgen zu können.
Unsere modernen hochauflösenden Laser Scanning Mikroskope, erlauben die Zelle in 3D aufzunehmen und über fluoreszierende Marker, genau den Ort zu sehen, wo sich das Protein aufhält und aktiv ist. Schließlich wollen wir verstehen, wo welche Botenstoffe ausgeschieden werden. Denn der Pilz wächst auf die Wurzel zu, weil er z.B. Signalmoleküle von der Pflanze erhält, die ihn an ganz bestimmte Stellen hinleiten. Während der Pilz in die Wurzelzellen hineinwächst, wird er von einer Schutzmembran umgeben, auf der sich wiederum Proteine für den Nährstofftransport ausbilden.
Die Wurzeln werden auch gemörsert, um Proteine zu extrahieren und vor allem Gene, die spezifisch während der Ausbildung reguliert und exprimiert werden. – Carolines Erforschung der Symbiose ist getreu dem MPG-Motto unschwer dem Erkennen verpflichtet, doch sie hat die Anwendung bereits fest im Blick.
Beobachtungen im Labor und Gewächshaus zeigen, dass es sowohl von der Pflanzensorte als auch von der Pilzart abhängt, wie stark die Pflanze von der Symbiose profitiert. Dieses Wissen könnte der Landwirtschaft zugutekommen. Erste Einsichten gibt es aus Vergleichsexperimenten mit verschiedenen Maissorten und ihrer Wachstumsantwort auf den Pilz, unter verschiedenen Bedingungen, wie unter Trockenstress.
Mein Traum wäre es, dass wir die Symbiose irgendwann so gut verstehen, dass wir aufgrund von genetischen Markern auf der Pflanzen Seite und auf der Pilz Seite schon voraussagen können, welche Pflanze und welcher Pilz besonders gut zusammen funktionieren, so dass man optimale Paare anwenden kann in der Landwirtschaft und diese am besten auch noch optimiert hin auf bestimmte Standorte, Boden und Klimabedingungen.
Auch wenn sich ein genetisch abgestimmter und pilzoptimierter Ackerbau noch in den Kinderschuhen befindet, kann ihm die Landwirtschaft schon jetzt den Boden bereiten. Indem sie die Äcker weniger intensiv bearbeitet, nicht überdüngt und mit geeigneten Zwischenfrüchten pflegt, werden Bodenfruchtbarkeit und Mycelwachstum nachhaltig gefördert. Für die zu erforschenden Traumpaare zwischen Pflanze und Pilz aus dem Labor von Caroline Gutjahr wären damit die Äcker bestens bestellt.
Caroline Gutjahr im Video
Caroline Gutjahr - Die Symbiosespezialistin
Caroline Gutjahr ist der Star unserer neuen Podcast-Folge. Die Biologin arbeitet als Max-Planck-Direktorin am Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam-Golm. Sie ist Expertin für die arbuskuläre Mykorrhiza, eine für das bloße Auge unsichtbare, aber weit verbreitete Form der Pilzwurzel, die auf Wiesen, Fluren und Feldern vorkommt. Ihre Grundlagenforschung könnte für die Landwirtschaft einmal von großem Nuzten sein.