Mit Holz und Heißdampf Basischemikalien erzeugen

Mit Holz und Heißdampf Basischemikalien erzeugen

Forschende haben das Verfahren der Torrefizierung weiterentwickelt, um pflanzliche Biomasse stofflich und energetisch besser zu verwerten.

roh (rechts) und torrefizierte Hackschnitzel
Mittels überhitztem Wasserdampf torrefizierte Buchenholz-Hackschnitzel (links) haben im Vergleich zu unbehandelten Hackschnitzeln (rechts) einen erhöhten Brennwert und sind zudem wasserabweisend.

Ob Heu, Stroh, Holz- oder Pflanzenreste: In der Land- und Forstwirtschaft fallen enorme Mengen Reststoffe an. Die Bioökonomie strebt die effiziente und nachhaltige Verwertung solcher Rohstoffe an, um Kreisläufe zu schließen und damit Ressourcen und Umwelt zu schonen. Diese wertvollen Nebenprodukte der land- und forstwirtschaftlichen Produktion werden zum Teil bereits energetisch zur Stromerzeugung als auch stofflich zur Herstellung neuer biobasierter Produkte genutzt werden. Weder stofflich noch energetisch ist das Potenzial allerdings ausreichend ausgeschöpft. Hier setzt das Projekt „Die neue Bioraffinerie - Valorisierung von Kondensatströmen aus der Torrefizierung von Biomasse – VALORKON“ an.

In dem Verbundvorhaben „Die neue Bioraffinerie – Valorisierung von Kondensatströmen aus der Torrefizierung von Biomasse“ haben Forschende in den vergangenen Jahren ein neues Bioraffinerie-Konzept entwickelt, das Reststoffe aus der Land-und Forstwirtschaft – vor allem Holzreste – besser verwertet. „Wir wollten ein Verfahren entwickeln, das möglichst flexibel ist, möglichst viele Reststoffe behandeln kann, und viele Produkte generiert“, erklärt Projektleiter Antoine Dalibard vom Fraunhofer Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB). Das Projekt wurde von 2019 bis 2022 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Technologie-Initiative Bioraffinerien mit rund 474.000 Euro gefördert. Daran beteiligt waren neben dem IGB auch Forschende der Hochschule Reutlingen sowie die Heckmann Metall- und Maschinenbau GmbH als Praxispartner.

Thermochemische Zerstetzung statt Fermentation

Die energetische Verwertung der Biomasse in Biogasanlagen erfolgt gewöhnlich in Fermentern mithilfe von Mikroorganismen. Das Projektteam wählte jedoch einen anderen Weg: Zur Aufbereitung der lignocellulosehaltigen Biomasse wurde überhitzter Wasserdampf als Prozessgas genutzt. Diese fermentationsfreie Methode hatten Forschende vom IGB gemeinsam mit dem Industriepartner Heckmann bereits in vorherigen Projekten entwickelt.

Pilotanlage am Fraunhofer IGB
Pilotanlage am Fraunhofer IGB


Das Prinzip: Die Biomasse wird hier unter Ausschluss von Sauerstoff mit überhitztem Wasserdampf zwischen 200 und 300 Grad Celsius erhitzt und dabei torrefiziert, also thermochemisch zersetzt. „Zuerst muss der Feststoff im Vorfeld der Torrefizierung aber getrocknet werden. Diese Trocknung erfolgt mit dem gleichen Verfahren und mit überhitztem Wasserdampf“, erläutert der Forscher. Trocknung und Torrefizierung erfolgen demnach in einer Anlage und jeweils mit Dampf.

Zurückgewinnung von Wasser bei Trocknung und Torrefizierung

Der Vorteil: Bei der Trocknung verdampft das in der Biomasse gebundene Wasser und kann anschließend durch Kondensieren komplett zurückgewonnen werden. „So können wir die Energie, die wir im Prozess nutzen, zurückgewinnen“, erklärt Dalibard.  „Auch bei der anschließenden Torrefizierung der getrockneten Biomasse entstehen Volatile bei der Zersetzung der Biomasse, die wir ebenso kondensieren. Dieses Kondensat enthält wiederum Wertstoffe, die wir abtrennen und als Produkt – konkret Basischemikalien – verkaufen können.“

Plattformchemikalien mit hoher Qualität gewonnen

Bei den Wertstoffen handelt es sich um kostbare Basischemikalien wie Essig- oder Ameisensäure, Methanol oder Furfural. Ziel des Projektes war es, möglichst viele dieser Plattformchemikalien zu generieren und das möglichst in hoher Qualität. Mittels Destillation, Extraktion und Elektrodialyse hat das Team um Dalibard schließlich Furfural und Methanol aus dem Kondensat gewonnen. „Bei der Gewinnung von Furfural konnten wir einen Reinheitsgrad von 90 bis 95 % erreichen“, erzählt der promovierte Ingenieur.

Getrennte Volatilfraktionen
Getrennte Volatilfraktionen

Getrocknete Biomasse als Rohstoff nutzbar

Neben den Basischemikalien ist auch die torrefizierte Biomasse energetisch als Brennstoff nutzbar – etwa durch Verbrennung in Kraftwerksanlagen zur Erzeugung von Strom und Wärme –, aber auch stofflich. „Es besteht die Möglichkeit, diese torrefizierte Biomasse als Input für weitere Verfahren zu nutzen, um beispielsweise Bioplastik oder Adsorbtionsmittel – etwa zur Entfernung von Kontaminanten aus Gasströmen – oder hochwertigen Treibstoffe wie Biokerosin herzustellen. Sie kann aber auch in der Eisenindustrie Kohle ersetzen.“

Im Ergebnis konnte das Projektteam mithilfe des neu entwickelten Prozesses zwei Produkte aus Holzreststoffen erzeugen – torrefizierte Biomasse und Basischemikalien. Hinzu kommt das Wasser, das bei Trocknung anfällt und wiederverwertet werden kann. Mit dem fermentationsfreien Prozess liefern die Forschenden zugleich ein Verfahren, das sich flexibel an verschiedene lignocellulosehaltige Reststoffe anpassen lässt.

Positive CO2-Bilanz für neue Bioraffinerie-Prozesskette

Anliegen der Projektpartner ist es, das Kombi-Verfahren zur Trocknung und Torrefizierung von Biomasse auf den Markt zu bringen. Im Rahmen des Projektes wurde daher auch untersucht, ob das Verfahren ökologisch und wirtschaftlich ist. Forschende der Hochschule Reutlingen kommen hier zu dem Ergebnis, dass die gesamte Bioraffinerie-Prozesskette schon jetzt eine durchweg positive CO2-Bilanz aufweist. Vielversprechend ist demnach auch das wirtschaftliche Potenzial.

Dalibard zufolge mangelt es an Interessenten jedenfalls nicht. „Seit der Energiekrise ist die Anzahl der industriellen Anfragen deutlich gestiegen“, sagt der Forscher. So wird das neue Verfahren bereits von einem Start-up in Estland eingesetzt. „Im Februar wurde ein Prototyp der Anlage zur Trocknung und Torrefizierung von Biomasse in Betrieb genommen. Das Know-how haben wir an das Start-up lizenziert.“

Derzeit sind die Forschenden dabei, organische Säuren wie Essig- und Ameisensäure aus dem Kondensat abzutrennen. Sollten weitere öffentliche Fördermittel bereitstehen, soll eine Demonstrationsanlage gebaut werden.

Autorin: Beatrix Boldt