Pflanzenwurzeln für Bodenleben in den Tropen wichtiger als gedacht

Pflanzenwurzeln für Bodenleben in den Tropen wichtiger als gedacht

Ohne Kontakt zu Wurzeln leben im Boden ein Drittel weniger Zersetzer. Das haben Biodiversitätsforschende aus Deutschland bei Studien in tropischen Regenwäldern und Plantagen herausgefunden.

Regenwald, angrenzend an eine Ölpalmenplantage
Die Forschenden verglichen die Auswirkungen von lebenden Wurzeln oder Laubstreu in kleinen Versuchsflächen im Regenwald (links) mit Ölpalmenplantagen (rechts).

Abgestorbene Blätter sind ein wichtiger Lebensraum und Nahrung für Millionen kleiner Lebewesen. Doch anders als bislang gedacht, sind sie für das Leben unterhalb der Oberfläche weitgehend bedeutungslos. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Universität Göttingen konnte nachweisen, dass die Zahl der Bodenlebewesen entscheidend davon abhängt, ob es dort lebende Wurzeln und deren Stoffwechselprodukte gibt. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden im Fachjournal „Ecology Letters“ veröffentlicht.

Viele Bodenlebewesen zersetzen abgestorbene Biomasse

Regenwürmer, Springschwänze, Milben, Insekten und andere Gliederfüßer: Sie alle leben im Boden, zersetzen dort abgestorbene Biomasse und halten so den Boden gesund. Dementsprechend ging die Forschung lange davon aus, dass Laubstreu als abgestorbene Biomasse die wichtigste Ressource für die sogenannten Zersetzer sei. Doch das Forschungsteam konnte mit einer Studie auf Sumatra diese Annahme widerlegen. Dazu entfernte das Team in einem Experiment alles Laubstreu vom Boden, in einem zweiten trennten sie durch eine Plastikbarriere Baumwurzeln vom übrigen Bodenökosystem.

Die Experimente führte das Team an drei Orten durch: einmal im Regenwald, einmal auf einer Kautschukplantage und einmal auf einer Ölpalmenplantage. Erwartungsgemäß war der Effekt durch das entfernte Laubstreu auf letzterer klein, weil dort wenig Laubstreu existiert. Im Regenwald und auf der Kautschukplantage verringerte sich jedoch die Zahl der Tiere um 60 % – allerdings primär deshalb, weil viele Tiere direkt im Laub leben. Auf die Tiere im Boden wirkte sich die Laubentfernung praktisch nicht aus.

Ohne Pflanzenwurzeln gibt es deutlich weniger Zersetzer

Anders verhielt es sich nach dem sogenannten „root trenching“, mit dem die Forschenden Wurzeln von deren Umgebung isolierten. Ohne Kontakt zu lebenden Wurzeln ging im Regenwald die Zahl der im Boden lebenden Tiere um 42 % zurück, auf den Plantagen um 30 %.

„Die Studie bietet neue Perspektiven für die Bewirtschaftung von Pflanzenabfällen in tropischen Plantagen, aber auch für die Förderung der Artenvielfalt von Bodentieren tropischer Ökosysteme durch Einbeziehung von wurzelbasierten Ressourcen“, resümiert Stefan Schau von der Universität Göttingen. Dies sei wichtig, um nachhaltige Agrarlandschaften in den Tropen zu entwickeln. Einen weiteren Nutzen ergänzt Anton Potapov vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig: „Die Ergebnisse dieser Studie sind nicht nur für den Erhalt der tropischen Bodenbiodiversität von Bedeutung, sondern auch für die Entwicklung von globalen Ökosystemmodellen, die den Kohlenstoffkreislauf in den Tropen beschreiben.“

 

bl