Forschung für nachhaltige In-vitro-Produktion
Ein neues Forschungsnetzwerk unter Leitung des Forschungsinstituts für Nutztierbiologie will die Herstellung von zellbasiertem Fleisch von Antibiotika und fötalem Kälberserum unabhängig machen.
Die Weltbevölkerung wächst und damit auch die Nachfrage nach Fleischprodukten. Doch die konventionelle Fleischproduktion – insbesondere die Tierhaltung – steht wegen ihrer negativen Folgen für Umwelt und Klima seit langem in der Kritik. Themen wie Tierwohl und Umweltschutz lassen Verbraucherinnen und Verbraucher zudem immer öfter zu Fleischalternativen greifen und beflügeln damit die Entwicklung von Ersatzprodukten wie In-vitro-Fleisch. Hier werden Muskelstammzellen von Huhn oder Rind in der Petrischale kultiviert, ohne ein Tier zu töten.
Antibiotikafreie und tiergerechte Verfahren entwickeln
Auch wenn die Forschung an Laborfleisch auf Hochtouren läuft – bis Steak oder Schnitzel aus dem Labor hierzulande wie selbstverständlich auf den Speisekarten stehen, müssen noch viele wissenschaftliche Fragen geklärt werden. Hier setzt das neue Forschungskonsortium „CELLZERO Meat“ an. Unter der Leitung von Monika Röntgen vom Forschungsinstitut für Nutztierbiologie (FBN) wollen Forschende in den kommenden zwei Jahren die Wissenslücken schließen und nachhaltige Verfahrenslösungen entwickeln, damit Fleisch aus dem Labor künftig antibiotikafrei und tiergerecht hergestellt werden kann.
Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit insgesamt 1,9 Mio. Euro bis 2024 gefördert. Daran beteiligt sind neben dem FBN das Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V. in Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern), die Hochschule Anhalt in Bernburg (Sachsen-Anhalt) sowie die PAN-Biotech GmbH in Aidenbach (Bayern).
Wissenslücken schließen und Produktionshürden überwinden
„Es gibt eine Reihe von ungelösten wissenschaftlichen Hürden, die eine Herstellung zellbasierter Fleischalternativen und damit auch die Entstehung eines Marktes bisher verzögert haben. Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, diese zu überwinden“, sagt Projektleiterin Monika Röntgen. Ziel des Projektes ist die Entwicklung eines Verfahrens, an dem das FBN-Team um Röntgen seit einigen Jahren forscht. „Unsere langjährige Forschung zur Muskelentwicklung beim Schwein und zur Funktionalität muskulärer Stammzellen war die Basis der Projektidee zu CELLZERO Meat, die in einer bereits vom BMBF geförderten Sondierungsphase erfolgreich geprüft und weiterentwickelt wurde.“
Nicht-invasive Entnahme von Stammzellen zur Kultivierung
In der im Juni 2022 gestarteten Machbarkeitsphase will das multidisziplinäre Forschungskonsortium nun die wesentlichen Verfahrensschritte praktisch umsetzen. Drei Hauptprobleme der zellbasierten Produktion von tierischem Protein fokussiert das Vorhaben: den Einsatz von fötalem Kälberserum sowie Antibiotika in den für die Zellkultur genutzten Nährmedien und die Nutzung gentechnischer Verfahren.
Die Forschenden am FBN konzentrieren sich dabei auf die zellbiologischen Aspekte des Verfahrens, das ohne gentechnische Interventionen auskommt und alle Schritte von der Gewinnung des Ausgangsmaterials bis zum zellbasierten Produkt umfasst. Besonders wichtig ist dem Team, dass die für die Kultivierung benötigten Stammzellen ethisch vertretbar gewonnen werden, also nicht-invasiv und ohne dass Tiere leiden oder getötet werden.
Ersatzprodukte für fötales Kälberserum und Nährlösungen für die Zellkulturen
Die Untersuchung der fleischtechnologischen, funktionellen und sensorischen Rohstoffeigenschaften, die für die Herstellung schmackhafter und gesunder zellbasierter Fleischprodukte erforderlich sind, übernehmen Forschende der Hochschule Anhalt. Ersatzprodukte für fötales Kälberserum und neue Nährlösungen für die Zellkulturen werden wiederum in Zusammenarbeit mit dem bayerischen Unternehmen PAN-Biotech GmbH entwickelt. Am INP in Greifswald wird zudem ein neues, rückstandsfreies Dekontaminationsverfahren auf Plasma-Basis entwickelt, damit während des gesamten Prozesses auf den Einsatz von Antibiotika verzichtet werden kann. Erste Ergebnisse will das Forschungskonsortium in zwei Jahren präsentieren.
bb