Wasserlösliche Polymere verändern Wasserflöhe

Wasserlösliche Polymere verändern Wasserflöhe

Bayreuther Forschende warnen vor unterschätzten Folgen synthetischer Stoffe auf aquatische Ökosysteme.

Großaufnahme eines Wasserflohs
WSSP verändern das Fortpflanzungsverhalten von Wasserflöhen, hier im Bild die wenige Millimeter große Art Daphnia magna.

Es ist ein dringender Ruf nach mehr Forschung: Ein Team der Universität Bayreuth hat nachgewiesen, dass sich sogenannte wasserlösliche synthetische Polymere (WSSP) auf die Fortpflanzung von Wasserflöhen auswirken. Weil Wasserflöhe als Modellorganismen für den Einfluss von Chemikalien auf aquatische Ökosysteme gelten, könnte dieser Befund ein Hinweis auf ein unterschätztes ökologisches Risiko dieser weit verbreiteten Chemikalien sein.

WSSP sind in vielen Branchen weit verbreitet

Viele Branchen nutzen WSSP. Die Substanzen sind unter anderem in Textilien, Farben, Papier, Klebstoffen, Kosmetika und Arzneimitteln enthalten. Außerdem dienen WSSP der Abwasserreinigung. Kurzum: Es gibt viele Wege, wie die Substanzen in Gewässer gelangen können. Dass sie dies tatsächlich tun, haben inzwischen Studien für Flüsse, Seen und weitere Süßwasserdepots belegt. In welcher Konzentration sie dort vorkommen, ist jedoch unklar. Anders als Plastikmüll und Mikroplastik sind sie in der Umwelt nicht sichtbar.

Für fünf häufig genutzte WSSP haben die Bayreuther Forschenden daher zunächst untersucht, welche Folgen es hat, wenn Wasserflöhe der Art Daphnia magna diesen Substanzen ausgesetzt sind. Konkret handelte es sich um Polyvinylalkohol (PVOH), Polyvinylpyrrolidon (PVP), Polyacrylsäure (PAA), Polyethylenglycol (PEG) und Polyethylenoxid (PEO). „Wasserflöhe haben in vielen Süßwasserseen eine ökologische Schlüsselfunktion“, erläutert Christian Laforsch, Leiter der Fallstudie. „Sie haben einen wesentlichen Einfluss auf die Menge des verfügbaren Phytoplanktons, das die Grundlage der Nahrungsketten in den Seen bildet.“ Wenn die Wasserflöhe durch wasserlösliche Polymere geschädigt würden, könnten sich die Folgen auch auf höhere Ebenen der Nahrungskette erstrecken und so das gesamte Nahrungsnetz eines Ökosystems beeinträchtigen.

Geringere Fortpflanzung, veränderte Körpergröße

Zwar fand die im Fachjournal „Science of The Total Environment" veröffentlichte Studie kein unmittelbares Gesundheitsrisiko für die Tiere, wohl aber Veränderungen in deren Fortpflanzung: Die Substanzen verlängerten die Abstände, in denen die Wasserflöhe sich fortpflanzen, und verringerten zugleich die Anzahl der Nachkommen. Außerdem veränderte sich die Körpergröße der Wasserflöhe.

Was das bedeutet, erklärt die Erstautorin der Studie, Simona Mondellini: „Die bisherigen Forschungsergebnisse liefern noch keinen genauen Aufschluss über die Ursache-Wirkung-Beziehungen, die zu den signifikanten Änderungen der Körpergröße und der Fortpflanzung der Wasserflöhe geführt haben.“ Eine Vermutung gebe es jedoch: „Messungen deuten darauf hin, dass ein höheres Molekulargewicht der WSSP mit einer erhöhten Toxizität einhergehen kann.“

Potenzielle Gefahr für ganze Ökosysteme

„Wenn sich Wasserflöhe in dieser Hinsicht unter dem Einfluss von handelsüblichen, in vielen Industriezweigen verwendeten WSSP verändern, sollte dies ein Anlass für weitere gezielte Untersuchungen sein“, warnt Laforsch und betont: „Die toxischen Wirkungen von Schadstoffen, die sich in der Umwelt verbreiten, betreffen in der Regel nicht allein individuelle Organismen, sondern auch größere Populationen und weitverzweigte Nahrungsnetze – und damit auch die Lebens- und Funktionsfähigkeit ganzer Ökosysteme.“

bl