Mikroalgen beschreiben das Ökosystem Ostsee

Mikroalgen beschreiben das Ökosystem Ostsee

Warnemünder Meeresbiologen nutzen Plankton-Vorkommen als Indikator für den Zustand von Nahrungsnetzen in der Ostsee.

Warnemünder Meeresbiologe nutzt Plankton-Vorkommen als Indikator für den Zustand von Nahrungsnetzen in der Ostsee.
Warnemünder Meeresbiologe nutzt Plankton-Vorkommen als Indikator für den Zustand von Nahrungsnetzen in der Ostsee.

Bis zum Jahr 2020 will die Europäische Union (EU) die europäischen Meere wieder in einen guten ökologischen Zustand überführen. Um den Erfolg zu überprüfen, bedarf es mehrerer, aussagekräftiger Merkmale. Für die Ostsee wurden deshalb elf sogenannten Deskriptoren definiert, die gemeinsam den ökologischen Zustand des Meeres verlässlich beschreiben. Einer der Deskriptoren ist das „Nahrungsnetz“. Das Nahrungsnetz ist ein Modell, in dem verschiedene Arten über ihre Nahrungsaufnahme und die Räuber-Beute-Beziehung zueinander in Bezug gesetzt werden. Da es sich um ein sehr komplexes System handelt, ist es oft schwierig, aussagekräftige Messungen und Beschreibungen vorzunehmen. Das Team um den Meeresbiologen Norbert Wasmund vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde (IOW) hat nun in der Fachzeitschrift „Frontiers of Marine Science“ vorgestellt, wie Plankton zur Charakterisierung des Nahrungsnetzes genutzt werden kann. Die Veröffentlichung besteht aus einem ersten und zweiten Teil.

Massenvermehrung der Mikroalgen im Frühling

Im Frühling, wenn die Tage länger werden, kommt es in der Ostsee zur sogenannten Frühjahrsblüte. Mikroalgen nutzen das Licht und vermehren sich massenhaft. In der Ostsee sind dies vor allem Kieselalgen (Diatomeen) und Panzergeißler (Dinoflagellaten). Die Mikroalgen, auch Phytoplankton genannt, bilden die Basis der Ernährungspyramide, auf der fast alles weitere Leben im Meer aufbaut. An der Spitze der Pyramide stehen Säugetiere wie Kegelrobben beziehungsweise der Mensch und die Fischereiwirtschaft.

Plankton als Indikator nutzen

Sinkt das Plankton nach dem Absterben ab, so erreichen die schwereren Kieselalgen schneller den Boden als die Panzergeißler. Dadurch können sich sowohl schwimmende als auch am Boden lebende Organismen von den abgestorbenen Kieselalgen ernähren. Die langsam absinkenden Panzergeißler bieten vor allem Nahrung für schwimmende Organismen, da sie gefressen werden, bevor sie den Meeresgrund erreichen. Der sogenannte Diatomeen/Dinoflagellaten-Index oder kurz den Dia/Dino-Idex beschreibt, welche der beiden Gruppen bei der Frühjahrsblüte überwiegt. „Dominieren die Kieselalgen vor den Panzergeißlern, so ist das für viele Bereiche des Nahrungsnetzes besser. Wir haben also durch dieses einfache Verhältnis ein gutes Maß für seinen Zustand“, erläutert Wasmund.

Monitoring und Verwendung historischer Daten

Die notwendigen Messungen zur Erstellung des Indexes sind relativ einfach, was die Beobachtung, das sogenannte Monitoring, erleichtert. Um den ökologischen Zustand der Ostsee in der Vergangenheit zu rekonstruieren und mit dem heutigen zu vergleichen, hat Wasmund frühere Beobachtungsdaten herangezogen. Etwa seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Aufzeichnungen zum Phytoplankton gemacht, die der Meeresbiologe ausgewertet hat. Dabei zeigte sich, dass bis in die 1980er Jahre die Diatomeen gegenüber den Dinoflagellaten dominierten. Danach kehrte sich das Verhältnis um, was mit einer schlechten Phase für das Nahrungsnetz einherging. Seit der Jahrtausendwende verbessern sich die Werte des Dia/Dino-Indexes wieder. Aktuelle Daten werden jetzt beim Monitoring der Helsinki-Komission (HELCOM) systematisch erhoben und stehen für die Berechnung des Indexes kontinuierlich zur Verfügung. Für eine umfassende ökologische Beschreibung der Ostsee werden dann zusätzlich die übrigen Deskriptoren einbezogen.

bp