Der erste Bioökonomie-Influencer

Der erste Bioökonomie-Influencer

Christian Patermann gilt als Vater der Bioökonomie in Europa. Zum 80. Geburtstag wurde er kürzlich im Bundeswirtschaftsministerium für sein Lebenswerk geehrt – und viele Weggefährten waren gekommen. Zum Schluss griff der Jubilar selbst am Piano in die Tasten.

Christian Patermann und Antje Grobe
Ehrengast Christian Patermann mit Moderatorin Antje Grobe beim Bioökonomie-Symposium im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.

„Nun ist aber auch mal genug“, sagte Christian Patermann ob der zahlreichen Grußworte, Geschenke und Huldigungen beim Symposium für industrielle Bioökonomie im Ludwig-Ehrhardt-Saal des Bundeswirtschaftsministeriums am 2. September in Berlin.

Zum Schluss konnte Patermann endlich auch selbst das Heft in die Hand nehmen und hatte für das Publikum zwei Überraschungen parat: Ein Limerick-Gedicht mit bioökonomischen Reimen und ein Dixieland-Jazzstück, für die der banderfahrene Ehrengast persönlich am Klavier Platz nahm und routiniert ein Jazz-Ensemble begleitete. Ein Finale nach Maß.

Rund 120 Weggefährten in Berlin präsent

Zu dem Bioökonomie-Symposium eingeladen hatten das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gemeinsam mit dem Branchenverband BIO Deutschland. Rund 120 Weggefährten von Christian Patermann und Bioökonomie-Akteure waren gekommen.

Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär im BMWK, hatte sich als Gastgeber viel Zeit für den Ehrengast genommen. „Christian Patermann ist der Vater der Bioökonomie in Europa und in Deutschland, er hat sie unermüdlich vorangetrieben. Heute wollen wir dieses Lebenswerk würdigen“, sagte Kellner zur Begrüßung. Mit dem Symposium wolle man gleichzeitig beschreiben, wohin sich die Bioökonomie in Deutschland entwickele.

Schneller Produkte in den industriellen Maßstab bringen

„Um die Potenziale der Bioökonomie zu heben, müssen biobasierte Produkte und Verfahren schneller in den industriellen Maßstab gebracht werden“, betonte Kellner. Aus diesem Grund habe man die Dialogplattform Industrielle Bioökonomie als Expertennetzwerk ins Leben gerufen. Auf deren Vorschlag habe das BMWK auch das Förderprogramm Industrielle Bioökonomie eingerichtet, das den Skalierungsprozess unterstützt. Mut mache ihm auch, dass Deutschland derzeit über 28 Beispielregionen der industriellen Bioökonomie verfüge. Es brauche aber öffentliche Akzeptanz und einen nachhaltigen Gesamtansatz für diese Transformation. Mit dem Ziel einer nachhaltigen Biomasseerzeugung und -nutzung wird derzeit die neue Biomassestrategie der Bundesregierung erarbeitet.

Die Biotechnologin und Unternehmerin Christine Lang als Vertreterin von BIO Deutschland sagte, in einer Zeit der Krisen liefere eine nachhaltige Bioökonomie Lösungen. „Christian Patermann hat mit unermüdlichem Engagement und diplomatischen Geschick der wissensbasierten Bioökonomie in Europa den Weg geebnet“, sagte sie. Heute sei die Bioökonomie als Handlungsfeld angekommen, habe sich politisch weiterentwickelt und werde mit großer Priorität umgesetzt. Patermann habe auch für internationale Sichtbarkeit gesorgt und entscheidend an den drei Ausgaben des vom Bioökonomierat II organisierten Global Bioeconomy Summit mitgewirkt.

Vordenker und Wegbereiter

Der Jurist Christian Patermann zählt zu den Wegbereitern der Bioökonomie in Europa. Im EU-Forschungsdirektorat prägte er 1996 bis 2007 als Programmdirektor für Biotechnologie, Landwirtschaft und Nahrungsmittel die Ausgestaltung der relevanten Forschungsrahmenprogramme. Er ebnete dem Konzept der wissenbasierten Bioökonomie (KBBE) den Weg und war maßgeblich daran beteiligt, Bioökonomie in der EU und in Deutschland politisch zu verankern.

Michael Duetsch vom finnischen Konzern UPM erläuterte, wie sein Unternehmen in Leuna mit einer Investition von 750 Mio. Euro derzeit eine kommerzielle Bioraffinerieanlage errichtet. Sie soll Ende 2023 in Betrieb gehen. „Um eine klimaneutrale und nachhaltige Produktion zu erreichen, müssen wir in die Massenprodukte reingehen“, sagte er. „Zudem wird es ohne Kreislaufwirtschaft nicht gehen.“ Hierbei spielten sogenannte Drop-in-Lösungen eine entscheidende Rolle. Die UPM-Bioraffinerie wird mit Laubholz als Rohstoff arbeiten, um unter anderem Bio-Monoethylen-Glycol herzustellen, das als Drop-in-Chemikalie für die Kunststoffherstellung (etwa PET) und für Kühlmittel geeignet ist.

Die Co-Vorsitzende des Bioökonomierates Daniela Thrän sprach per Videoschalte zu Jubilar und Publikum. „Wer die Welt mit Forschung verändern will, braucht eine Idee, Ausdauer und Macher – alle diese Zutaten sind bei Christian Patermann vorhanden“, so Thrän. In einer Bioökonomie müsse man vernetzt denken und die Zahl der Nutzungskaskaden in Kreisläufen erhöhen. Zugleich müsse man im System Bioökonomie auch die Zielkonflikte im Blick haben und viele an der Wertschöpfung teilhaben lassen.

Diskussionsrunde beim Bioökonomie-Symposium im BMWK
Fachleute diskutierten über die Herausforderungen der Translation von Bioökonomie.

Knackpunkt Innovationsfinanzierung

In einer von Antje Grobe moderierten Diskussionsrunde wies Christine Lang erneut auf die Lücken im Translationsprozess von biobasierten Innovationen hin. „Wir haben gute Forschung hier, aber das Scale-up hat keine Priorität“, so Lang. Für Jürgen Eck von SymbioPharm ist ein Knackpunkt die Innovationsfinanzierung – besonders die Eigenkapitalfinanzierung sieht er hierzulande als unterentwickelt an. Um Investoren stärker zu interessieren, müsse man die Nachhaltigkeitseffekte von biobasierten Produkten und Prozessen besser quantifizieren – zum Beispiel in Reallaboren. „Es muss ein klarer Nutzen aufgezeigt werden.“

Joachim Schulze vom Cluster BioEconomy sagte: „Wir haben in der industriellen Bioökonomie zu wenig Start-ups“. Deshalb werde in Leuna ein Bioeco-Hub für junge Unternehmen aufgebaut. Zudem beklagte er zu lange Zulassungsprozesse im Rahmen der europäischen Novel Food-Verordnung. Markus Wolperdinger vom Fraunhofer IGB sagte, wichtig sei die Planbarkeit von Investitionen. „Wir haben es in der Bioökonomie nicht mit Blockbuster-Modellen zu tun.“ Albrecht Läufer von Blucon Biotech beschrieb, wie sein Unternehmen aus Stroh den bioabbaubaren Kunststoff PLA künftig im industriellen Maßstab gewinnen will. Und Martina Schraudner von der TU Berlin betonte, auf dem Weg in eine Bioökonomie nicht nur Expertenmeinungen einzuholen, sondern stärker auf partizipative Ansätze zu setzen.

Es folgten beeindruckende Grußworte von Wegbegleitern wie John Bell von der Europäischen Kommission, dem einstigen Präsidenten der TU München, Wolfgang Herrmann, und der Stralsunder Schülerin Franziska Lorenz vom Jugendforum BioÖkonomie.

„Abonnieren Sie unbedingt den bioökonomie.de-Newsletter“

Ehrengast Christian Patermann schätzte sich glücklich ob all der Ehrungen und Geschenke und dankte herzlich all den Weggefährten, die zu dem Symposium gekommen waren. Zudem hob Patermann die Rolle der Kommunikation von Bioökonomie hervor. „Journalisten, Wissenschaftskommunikatoren und Influencer übernehmen eine Schlüsselrolle“, so Patermann, der selbst einst im Bundesforschungsministerium Pressesprecher gewesen war und global hervorragend vernetzt ist.

Dann ließ er sich zu einer ganz besonderen Liebeserklärung hinreißen: „Das Informationsangebot von bioökonomie.de ist das Beste, was es zum Thema hierzulande gibt. Abonnieren Sie unbedingt den wöchentlichen Newsletter.“

Die Bioökonomie habe es in Zeiten der Krisen derzeit nicht einfach. „Wir müssen Bioökonomie stärker in die Regionen bringen“, sagte er. Auch das Problem der Finanzierung schnitt er an. „Hier sollten wir stärker Stiftungen wie die Novo Nordisk Foundation als Förderer für unsere Themen interessieren.“ Patermann sagte: „Bioökonomie ist die werteorientierteste und naturwissenschaftlichste Wirtschaftsform der Welt“.

Dann schritt der erste und wohl erfolgreichste Bioökonomie-Influencer zum Piano und spielte Jazz.

Philipp Graf

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