„Alle Module der Farm begünstigen sich gegenseitig“
Martin WildBeruf:
Wirtschaftsinformatiker
Position:
Mitgründer und Geschäftsführer des Start-ups Organic Garden in Ingolstadt
Beruf:
Wirtschaftsinformatiker
Position:
Mitgründer und Geschäftsführer des Start-ups Organic Garden in Ingolstadt
Mit seinem Food-Tech-Start-up Organic Garden will Martin Wild die Ernährung neu denken und schon bald selbst in einer Hightech-Farm Biolebensmittel im Kreislauf produzieren.
Gesunde und schmackhafte Lebensmittel nachhaltig und lokal zu produzieren: dieses ambitionierte Ziel hat sich Martin Wild auf die Fahne geschrieben. Mit seinem 2019 gegründeten Food-Tech-Start-up Organic Garden will er die Lebensmittelproduktion für die Zukunft fit machen. Dafür steht sein Konzept einer digitalen Kreislaufwirtschaft. Wild ist überzeugt: Die Zukunft der Ernährung liegt im richtigen Zusammenspiel von Wissenschaft und Kulinarik. Dafür arbeitet der Organic-Garden-Geschäftsführer auch mit Forschenden zusammen. Mit Hochdruck arbeitet das Start-up gegenwärtig an seiner ersten Hightech-Farm, um künftig Biolebensmittel im Kreislauf selbst zu produzieren – ohne Pestizide und CO2-neutral. Im Rahmen einer Crowdfunding-Kampangne sucht das Team derzeit nach Unterstützern.
Organic Garden will Ernährung neu denken und ganzheitlich angehen. Wie wird Ihr Unternehmen diesem Anspruch gerecht?
Bei Organic Garden denken wir den Begriff “menschen- und planetengesunde Ernährung” von Anfang bis Ende: mit naturgesunder Landwirtschaft, nachverfolgbaren Prozessen, kurzen Transportwegen und der ganzheitlichen Verwertung von Lebensmitteln. Sozusagen von der – bald eigenen – Farm bis auf den Teller der Konsumenten und von der Wurzel bis zum Blatt. Dafür kennen und kontrollieren wir die gesamte Wertschöpfungskette. Für den Konsumenten aber soll Organic Garden vor allem eins: richtig gut schmecken. Die Rezepte unserer Speisen und Gerichte stammen deshalb allesamt aus der Feder unseres Culinary Teams rund um den Ernährungsexperten und Spitzenkoch Holger Stromberg. So verbinden wir Gesundheit mit Verantwortung und Genuss.
Ihr Engagement zielt auf innovative Lebensmittel ab. Hier setzen Sie auch auf die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern. Welche Produkte sind in der Entwicklung?
Die Zukunft der Ernährung liegt ohne Zweifel im Food-Tech-Bereich – sprich im richtigen Zusammenspiel von Wissenschaft und Kulinarik. Momentan widmen wir uns zum Beispiel der Kreation von Gerichten, in denen Algen ihren Einsatz finden. Gerade die Alge ist als Nährstofflieferant noch sehr unterschätzt. Deshalb erforschen wir, wie man die jeweilige Alge kultivieren muss, um eine bestmögliche Nährstoffzusammensetzung für unsere Produkte zu erzielen. Wir haben sogar einen eigenen wissenschaftlichen Beirat bei Organic Garden, der uns mit Experten-Know-how zur Seite steht.
Als nächstes ist der Bau einer Hightech-Farm geplant, in der Sie Biolebensmittel im Kreislauf anbauen wollen. Wie sieht das Farmkonzept konkret aus und welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung?
Das Besondere an unserem modularen Farmkonzept ist: Jedes Modul zahlt auf ein anderes ein. Ein paar Beispiele: Das Brauchwasser aus der Fischzucht wird zum Bewässern der Gemüsemodule verwendet, anfallende Ernterückstände werden im Erdenwerk zu schadstofffreier Kultur-Schwarzerde verarbeitet, und CO2 aus der Pilzzucht findet in unseren Gewächshäusern Verwendung. So produzieren wir mit Hilfe modernster Technik hochwertige regionale und CO2-neutrale Lebensmittel. Je nach Ausbaustufe der Farm und örtlichen Gegebenheiten setzt sich das Angebot aus verschiedenen Elementen zusammen, die perfekt miteinander in einem synergetischen Kreislauf harmonieren und digital miteinander vernetzt sind.
Die Planungen zur ersten Farm laufen bereits auf Hochtouren. Auch wenn es sicherlich noch ein bisschen dauert: Wir arbeiten mit voller Kraft auf den Start hin. Denn von diesem Moment an bilden wir die gesamte Wertschöpfungskette komplett über Organic Garden ab, inklusive einer eigenen Markthalle. Der Kunde kann dann direkt vor Ort alle Erzeugnisse unserer Farm und unserer regionalen Partner kaufen.
Inwiefern wird die Hightech-Farm dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft bei der Nachnutzung von Rest- und Abfallstoffen gerecht?
Das lässt sich am besten am Beispiel der Tomate erklären: Bevor die Pflanze in die Höhe wächst und Tomaten trägt, macht sie sich als kleiner Setzling auf den Weg in unsere Farm. Dort findet sie in den Schwarzerde-Böden aus unserem eigenen Erdenwerk ein neues Zuhause. Durch nährstoffreiches Gießwasser – ein Nebenprodukt unserer Fischzucht – und Biodünger aus aufbereiteten Ernteresten wächst und gedeiht das Pflänzchen nach und nach zu einer kräftigen Staude. Nach einigen Wochen sind die Tomaten dann bereit zur Ernte. Die dabei anfallenden Abfälle, wie der Strunk, Blätter oder welke Pflanzen, werden kompostiert und finden als Dünger ihren Weg zurück ins Gewächshaus. Der Kreislauf beginnt von vorne. Alle Module der Farm, im kleinsten Rahmen die Energieversorgung, das Erdenwerk, der Gemüseanbau und die Fischzucht, tauschen Ressourcen untereinander aus und begünstigen sich dadurch gegenseitig.
Aktuell läuft eine Crowdfunding-Aktion. Wie ist das Interesse und wofür wollen Sie das Geld verwenden?
Vom ersten Tag an sind wir immer wieder von Menschen angesprochen worden, die unser Konzept überzeugt hat und die gefragt haben, wie sie bei uns “mitmachen” können. Ein Teil davon arbeitet heute sogar bei uns. Mit der Crowdfunding-Kampagne haben wir nun endlich eine Möglichkeit gefunden, viele Menschen teilhaben zu lassen. Unser initiales Funding-Ziel von einer Million Euro war bereits nach wenigen Wochen erreicht. Deshalb haben wir uns entschlossen, unsere Kampagne nochmals zu verlängern. Ein Großteil der Crowdfunding-Investitionen fließt in den Auf- und Ausbau unserer Produktionsstätte. Von dort finden bald alle Produkte und Speisen den Weg in unseren Onlineshop, die Organic Garden Eateries sowie in die von uns belieferten Schulen und Kantinen.
Was sind die nächsten Aufgaben und wo sieht sich Organic Garden in fünf Jahren?
Wir haben viel vor, so viel ist sicher. Schließlich wollen wir die Zukunft der Ernährung entscheidend mitprägen. In den kommenden fünf Jahren geht es jetzt vor allem darum, möglichst vielen Menschen den Zugang zu leckerer, gesunder und planetenfreundlicher Ernährung zu ermöglichen. Allein in den kommenden sechs Wochen eröffnen wir drei weitere “Organic Garden Eateries” im süddeutschen Raum. Auch der Spatenstich für unsere erste Farm steht noch im Jahr 2022 an. Darauf freuen wir uns alle ganz besonders. Bis 2030 sollen zehn Farmen im Einsatz sein. Im besten Fall genießen dann täglich über eine halbe Million Menschen unsere Produkte und Speisen – und tun sich und der Natur damit Gutes. Das ist unser Ziel und dafür arbeiten wir jeden Tag.
Interview: Beatrix Boldt