Bakterien als Beton-Reparateure

Bakterien als Beton-Reparateure

Evonik hat eine spezielle Rezeptur mit Mikroorganismen entwickelt, die Beton befähigt, Risse selbst zu heilen.

Riss in Beton
Mit den Jahren bekommen Betonstrukturen Risse, die langfristig die Stabilität gefährden können. Selbstheilender Beton hat deshalb eine längere Lebensdauer.

Beton ist ein Sinnbild für Stabilität. Vier Milliarden Tonnen werden davon jährlich verbaut. Doch selbst dieses Baumaterial bekommt mit den Jahren Risse, und dringt Feuchtigkeit in diese Risse ein, ist auf Dauer die Stabilität gefährdet. Bewehrungsstahl kann rosten, Frost das Bauteil weiter schwächen oder sogar sprengen. Der Spezialchemiekonzern Evonik hat dagegen eine besondere Betonrezeptur entwickelt: Sie enthält Bakterien, die Schäden im Beton reparieren. Solange der Beton unversehrt ist, befinden sich die Mikroorganismen in einem Überdauerungszustand. Entstehen Risse und gelangt Wasser an die Bakterien, wachen sie aus ihrer Ruhe auf und fahren ihren Stoffwechsel hoch. Dann erzeugen sie Calciumcarbonat – Kalkstein, der die Risse wieder füllt.

Längere Lebensdauer verringert Klimabelastung

Stabiler und langlebiger sollen Betonbauwerke dadurch werden. Das spart Kosten und nutzt auch dem Klima – denn der im Beton enthaltene Zement verursacht enorme CO2-Emissionen – in Deutschland im Mittel 590 Kilogramm je Tonne. Je später ein Bauwerk ersetzt werden muss, desto geringer sind die Emissionen über die Jahrzehnte betrachtet. „Wenn zum Beispiel Autobahnbrücken 60 statt 50 Jahre durchhalten, spart das langfristig immense Mengen an Material und CO2-Ausstoß“, erläutert Magnus Kloster von Evonik. Die längere Haltbarkeit spart damit auch Rohstoffe, die insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern oft rar sind, wo ein Betonrecycling noch nicht wirtschaftlich möglich ist.

Nach einem Monat sind die Risse weg

Natürlich musste das Material auch die üblichen Qualitätsprüfungen bestehen und beweisen, ob und wie sich der „WallCraft“ getaufte Zusatz mit den Bakterien mit anderen Additiven verträgt. Den Praxistest machten große Betonwannen, denen kontrolliert Risse zugefügt wurden, in die dann Wasser einsickerte. Nach etwa einem Monat hatten die Bakterien die Risse geschlossen, keine Feuchtigkeit drang mehr in die Wannen ein. „Ein Beton, der Risse von selbst kittet, schützt sich also vor schweren Schäden“, resümiert Anke Reinschmidt von Evonik.

Patentierter Bakterienstamm und geheime Nährstoffmischung

Um geeignete Mikroorganismen für diese Anwendung zu identifizieren, hat das Evonik-Team die unternehmenseigene Mikrobenbibliothek durchsucht. Fündig wurden die Biotechnologie-Fachleute bei einem Stamm von Bacillus subtilis, den sie selbst aus einer Umweltprobe isoliert hatten, und der deshalb bereits gut untersucht war. Das weit verbreitete Bakterium kommt sowohl mit dem alkalischen pH-Wert des Zements zurecht als auch mit den rund 60 Grad Celsius, die beim Aushärten herrschen. Damit es im Beton gedeihen kann, hat Evonik ihm „Proviant“ mitgegeben: „Neben dem Bakterienstamm, den wir zum Patent angemeldet haben, ist die Nährstoffformulierung unser wichtigstes Betriebsgeheimnis“, sagt Projektleiter Lukas Falke. Vermarkten will der Konzern die Formulierung weltweit.

bl