Die trockenen Hitzesommer in den Jahren 2018 und 2019 haben Landwirten in Deutschland vielerorts hohe Ernteverluste beschert und die Böden nachhaltig geschädigt. Die Folgen der langanhaltenden Dürre sind bis heute sichtbar: Der Oberboden trocknet in einem Dürresommer besonders schnell aus. Wichtige Nahrungspflanzen wie Weizen und Mais leiden, weil ihre Wurzeln nicht ausreichend mit Wasser und Nährstoffen versorgt werden. Eine Lösung ist der Anbau von Zwischenfrüchten, die den Boden für die nachkommende Frucht fit machen. Im Ökolandbau ist das gängige Praxis, für die konventionelle Landwirtschaft bisher jedoch zu ineffektiv. Projektkoordinatorin Sandra Spielvogel erklärt warum: „Im ökologischen Landbau ist es so, dass Zwischenfruchtmischungen manchmal zwei Jahre stehen gelassen werden. Das ist für die Bildung von Wurzelröhren zwar viel effektiver, aber man hat auch ein oder zwei Jahre keinen Ertrag auf dem Ackerland. Und das würde ein konventioneller Landwirt wirtschaftlich nicht verkraften.“
Zwischenfruchtmischungen für den konventionellen Landbau
Im Projekt RootWayS will ein Team um Sandra Spielvogel vom Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde der Christian-Albrechts-Universität Kiel nun den Einsatz von Zwischenfruchtmischungen für den konventionellen Landbau attraktiv machen. Mithilfe von tiefwurzelnden Zwischenfruchtmischungen wollen sie Nutzpflanzen in kurzer Zeit den Weg zu den Wasser-und Nährstoffressourcen im Unterboden ebnen. Im Fokus steht hier die Maispflanze. Das im April gestartete Vorhaben wird im Rahmen der Fördermaßnahme „Pflanzenwurzeln und Bodenökosysteme: Bedeutung der Rhizosphäre für die Bioökonomie - Rhizo4Bio“ bis 2024 vom Bundesforschungsministerium mit rund 1 Mio. Euro gefördert.
Wasser und Nährstoffe aus dem Unterboden ziehen
„Da der Boden in der Regel von oben nach unten austrocknet, könnten Pflanzen Wasser und Nährstoffe aus dem Unterboden noch länger aufnehmen. Das fällt aber vielen Kulturpflanzen wie dem Mais schwer“, erklärt die Projektkoordinatorin. „Wenn man jetzt Zwischenfrüchte anbaut, könnten diese mit ihren Wurzeln Straßen in den Unterboden einbauen. Dann könnte der Mais als Folgefrucht bereits die vorhandenen Wurzelkanäle nutzen und schneller in den Unterboden kommen.“
Wurzelfenster der Maispflanze auf dem Feld
Durchwurzelungstiefe erhöhen
Die Hauptwurzelmasse der Maispflanze dringt etwa 50 Zentimeter in den Boden vor. Das Ziel der Forscher ist es, die Durchwurzelungstiefe der Vorfrüchte zu erhöhen und dem Mais zu ermöglichen, schneller eine größere Tiefe zu erreichen. Dafür setzt das Team um Spielvogel auf Zwischenfrüchte, die von Natur aus sehr tief wurzeln. Drei Kandidaten werden als „Straßenbauer“ dafür ins Visier genommen: Rotklee, Rohrschwingel und Ölrettich. Sie haben das Talent, zwischen 80 Zentimeter und einem Meter tief zu wurzeln.
Da die Pflanzen unterschiedlich tief ins Erdreich vordringen, setzen die Forscher im Projekt auf eine Mischung von Tief- und Flachwurzlern. „Pflanzen treten zueinander in Konkurrenz und versuchen, sich aus dem Weg zu gehen“, erläutert Spielvogel. „Wenn ich einen Tiefwurzler mit einem Flachwurzler anbaue, versucht der Tiefwurzler, um dem Flachwurzler auszuweichen, also noch tiefer zu wurzeln.“ Von dem Bau der Wurzelröhren versprechen sich die Forscher auch eine Belebung der sogenannten Rhizosphäre. Sie ist der Bereich des Bodens, der durch die Aktivität der Pflanzenwurzel unmittelbar beeinflusst wird. Das Zusammenspiel von Wurzeln, Mikroorganismen und Böden ist daher entscheidend für die Nährstoff- und Wasseraneignung und die Trockentoleranz von Nutzpflanzen und damit ein Schlüssel für die Anpassungsfähigkeit der Böden. „Wir hoffen, dass sich über diesen Weg nützliche Mikroorganismen in der Rhizosphäre ansiedeln und für die Folgefrucht bereitstehen, sodass diese dann Nährstoffe besser aufnimmt.“
Wurzeltiefe mit Farbe sichtbar machen
Doch wie ist zu erkennen, ob die Maispflanze tatsächlich die vorhandenen Wurzelkanäle der Zwischenfrucht nutzt? „Dafür haben wir eine neue Methode“, erklärt die Bodenwissenschaftlerin. „Wir färben die Wurzeln der Tiefwurzler ein und können dann mithilfe der Spektralkamera erkennen, welche Maiswurzeln durch die vorgefärbten Wurzelröhren gewachsen sind.“ Auch Drohnen kommen zum Einsatz. Mithilfe der so genannten drohnengestützten Thermographie wollen die Forscher anhand von Temperatur und Chlorophyllgehalt messen, wie gut die Maispflanze Wasser aufnimmt. Doch nicht nur die Wasser-, auch die Nährstoffaufnahme im Unterboden wird überprüft.
Enzymaktivität in der Rhizosphäre von Maiswurzeln
Spielvogel wird im Rahmen des RootWayS-Vorhabens, das insgesamt vier Teilprojekte umfasst, den Kohlenstoffeintrag in der Rhizosphäre untersuchen. Dafür werden Isotope als sogenannte Tracer zur Markierung eingesetzt. „Da setzen wir Hauben über die Zwischenfrucht und versetzen die Pflanzen mit CO2, das das Kohlenstoffisotop 13C enthält. Das kommt in der Natur sehr selten vor. So können wir quasi verfolgen, in welcher Bodentiefe das Element ankommt und ob es von Mikroorganismen aufgenommen wird“, erläutert Spielvogel. Nach einem ähnlichen Prinzip wird auch die Aufnahme von Nährstoffen wie Stickstoff gemessen.
Klimabedingungen simulieren
Mithilfe von Dächern wollen die Forscher prüfen, wie die Maispflanze auf Stresssituationen wie Trockenheit reagiert. Auf diese Weise sollen bestimmte Klimabedingungen wie Dürre simuliert werden. Ziel der RootWayS-Forscher ist es außerdem, auf Grundlage der Daten ein Modell zu entwickeln, das vorhersagt, wie hoch der Maisertrag beim Einsatz einer bestimmten Zwischenfruchtmischung auf dem jeweiligen Bodentyp ist.
Ob der Plan der Wissenschaftler aufgeht, werden die Feldexperimente zeigen. Mit Blick auf die klimatischen Veränderungen werden die Untersuchungen in drei Regionen mit unterschiedlichen Bodentypen durchgeführt: In Schleswig-Holstein auf einer lehmigen Parabraunerde, auf dem eher sandigen Pendant Braunerde in Niedersachsen und auf der fruchtbaren Schwarzerde in Sachsen-Anhalt.
Projektpartner RootWayS
Projektkoordination: Prof. Dr. Sandra Spielvogel; Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde
Forschungspartner: Georg-August-Universität Göttingen (Stellvertr. Projektkoordinatorin: Jun.-Prof. Dr. Michaela Dippold); Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ Leipzig
Industriepartner: Feldsaaten Freudenberger GmbH & Co. KG in Krefeld
assoziierter Partner: Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Frick (Schweiz)
„Schwerpunkt in diesem Jahr ist, verschiedene Mischungen aus Flach- und Tiefwurzlern anzubauen und zu schauen, bei welchen Mischungen funktioniert das Prinzip, 'ich zwinge den Tiefwurzler, noch tiefer zu wurzeln' am besten. Damit werden wir in diesem Jahr in Schleswig-Holstein anfangen“, so Spielvogel. Die vielversprechendsten Zwischenfruchtmischungen sollen ab dem zweiten Jahr an den anderen Standorten getestet werden.
Mithilfe der RootWayS-Methode könnte der Anbau von Zwischenfruchtmischungen auch für die konventionelle Landwirtschaft attraktiver werden. Durch die Kombination je einer flach- und einer tiefwurzelnden Zwischenfruchtspezies würden bereits innerhalb der kurzen Wachstumsperiode eines Winters tiefe Wurzelkanäle angelegt und der Acker könnte schon im nächsten Frühjahr wieder bestellt werden.
Autorin: Beatrix Boldt