Botschafter der Fernerkundung

Botschafter der Fernerkundung

Holger Lilienthal

Beruf
Geograph und Klimatologe

Position
Koordinator des Forschungszentrums für landwirtschaftliche Fernerkundung am Julius-Kühn-Institut in Braunschweig

 

Holger Lilienthal
Vorname
Holger
Nachname
Lilienthal

Beruf
Geograph und Klimatologe

Position
Koordinator des Forschungszentrums für landwirtschaftliche Fernerkundung am Julius-Kühn-Institut in Braunschweig

 

Holger Lilienthal

Holger Lilienthal gehört zu den Botschaftern der landwirtschaftlichen Fernerkundung. Als Koordinator des Braunschweiger Fernerkundungszentrums will der Geograph Satelliteninformationen besser verfügbar machen.

Der Blick vom All auf die Erde hat die Menschen schon immer beeindruckt. Auch für Holger Lilienthal waren es einst die ästhetisch schönen Bilder, die den gebürtigen Göttinger auf den Weg der landwirtschaftlichen Fernerkundung führten. „Wenn man Deutschland im Satellitenbild sieht, erkennt man viele Strukturen wieder, die man in der Theorie gelernt hat. Man sieht Mittelgebirge oder wo gute Böden für die Landwirtschaft sind. Das alles auf einem Bild wiederzufinden, ist eine tolle Sache."

Satellitendaten für die Landwirtschaft nutzen

Was einst eher Astronauten und Forschern vorbehalten war, ist heute dank leistungsstarker Satelliten und Computer für jedermann und zu fast jeder Zeit mit einem Klick erlebbar. Doch Satellitenbilder sind nicht nur faszinierende Aufnahmen. Als Koordinator des Forschungszentrums für landwirtschaftliche Fernerkundung (FLF) am Braunschweiger Julius-Kühn-Institut (JKI) nutzt der promovierte Geograph Satellitendaten als Quelle, um Wachstumsmodelle für Ackerkulturen zu betreiben, Düngestrategien zu entwickeln oder gar politische Entscheidungen sichtbar zu machen und zu hinterfragen.

Wachstumsunterschiede sichtbar machen

Satelliten der Europäischen Raumfahrtorganisation (ESA), insbesondere Sentinel-1 und Sentinel-2, die im Rahmen des europäischen Raumfahrtprogramms Copernicus um unseren Planeten kreisen, liefern seit 2014 präzise Informationen zur Art der Landnutzung, Bodenbeschaffenheit, zu Pflanzenwachstum und Umweltbedingungen. In den riesigen Datenmengen schlummert ein Potenzial, das Lilienthal und seine Kollegen am FLF derzeit auswerten und für die Landwirtschaft nutzbar machen wollen. "Ich kann dem Landwirt Daten in die Hand geben, die ihm die Wachstumsunterschiede aufzeigen", erklärt Lilienthal. "Die Daten des Satelliten zeichnen die Erdoberfläche zum Zeitpunkt des Überfluges auf. Und anhand des Lichtspektrums können wir beispielsweise abschätzen, wie viel Biomasse auf dem Feld steht.“

Von den ersten digitalen Satellitenbildern bis zur effektiven Nutzung der Aufnahmen als Datenquelle für die Landwirtschaft war es ein weiter Weg. In den 1970er Jahren fehlte es schlichtweg an den technischen Möglichkeiten, die Daten überhaupt auszuwerten. Erst die Einführung von Großrechnern Anfang der 1990er Jahre machte eine digitale Verarbeitung möglich – aber mit Abstrichen: „Die Rechner waren technisch sehr beschränkt und die Bildgrößen klein. Damals haben wir die Rechner angeschmissen und sind erst einmal Kaffee trinken gegangen, und irgendwann gab es ein Ergebnis", erinnert sich Lilienthal.

Höhen und Tiefen der landwirtschaftlichen Fernerkundung

In seiner Berufslaufbahn hat Holger Lilienthal die Höhen und Tiefen der landwirtschaftlichen Fernerkundung in Deutschland miterlebt und deren Entwicklung mitgeprägt. Sein Lehrer für Erdkunde war es, der beim Abitur das Interesse des Schülers weckte und die Weichen in Richtung Geographie stellte. Dass Lilienthal seine Abiturarbeit zum Thema Landwirtschaft in Hessen schrieb, war damals eher Zufall. Doch der Blick für die Landwirtschaft war geschärft und führte den Abiturienten direkt zum Geographie-Studium an die Universität Trier.

Dort wurde der Göttinger Mitte der 1990er Jahre mit dem Thema digitale Fernerkundung vertraut gemacht. Hier war es vor allem sein Professor Joachim Hill der den angehenden Diplom-Geographen für die Fernerkundung begeisterte. „Er kam damals vom Forschungszentrum Ispra und war am Puls der Zeit. Dort wurden Sachen gemacht, die man an Universitäten bisher noch nicht kannte."

Satelliten liefern immer größere Datenmengen

Nach Studium und Zivildienst zog es Lilienthal 1999 zunächst in die Wirtschaft - zu Dornier nach Friedrichshafen, einem Unternehmen, das heute zur Airbus Group gehört: „Dort haben wir versucht, das zu machen, was ich heute noch mache - Produkte aus der Fernerkundung für die Landwirtschaft zu entwickeln. Das ist damals aber zu früh gewesen, weil es noch nicht ausreichend Satelliten gab." Heute kreisen die Satelliten alle zwei bis drei Tage über das Land und liefern Unmengen von Daten zur Analyse.

Im Jahr 2000 wurde Lilienthal von seinem heutigen Chef nach Braunschweig ans JKI geholt. An der damaligen Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft sollte Lilienthal sein Wissen beim Aufbau der Fernerkundung mit einbringen. Den Sprung in die Forschung hat er nie bereut. „In der Wirtschaft muss man Produkte liefern. In der Wissenschaft hat man den Luxus, Dinge zu durchdenken und die Freiheit, sich auch Fehlschläge zu leisten."

Natur zeigt Hightech oft Grenzen

Seit gut 25 Jahren ist Lilienthal auf dem Gebiet der Fernerkundung nun unterwegs und bestrebt, aus den Satellitenbildern das Beste für die Landwirtschaft rauszuholen. Fehlschläge gab es durchaus. Mitunter zeigte die Natur der Hightech klare Grenzen und machte durch Wolken Satellitenbilder unbrauchbar. „Wenn ich in der Landwirtschaft mit Fernerkundung arbeiten will, brauche ich eine sehr häufige Abdeckung von der gleichen Fläche. In Mitteleuropa haben wir aber das Problem, dass wir häufig Bewölkung haben.

Wolkenreiche Bilder sind bis heute ein Handikap, wie Lilienthal weiß. Während seiner Promotion 2003 tüftelte er an einem analogen Kamerasystem, das wolkenfreie Aufnahmen von Äckern liefert. „In einer Machbarkeitsstudie haben wir gezeigt, das es geht. Die Idee war, ein solches Kamerasystem auf Windrädern zu installieren. Doch die Systeme waren damals einfach zu teuer. Heute bekommt man die Sensoren für einen Apfel und ein Ei." Die rasante Entwicklung der Technik hat in der Vergangenheit so manche Innovationen des Wissenschaftlers überholt.

Doch solche Fehlschläge sind schnell vergessen, wenn Holger Lilienthal in die Tasten haut. Bis heute sind Klavier oder Synthesizer ein willkommener Ausgleich zu der anspruchsvollen Arbeit des Forschers: „Man setzt sich ans Instrument und der Kopf ist frei und oft ergibt sich hinterher eine Lösung."

Auswirkungen von Gesetzen für die Politik sichtbar machen

Als Koordinator des 2017 gegründeten Forschungszentrums für landwirtschaftliche Fernerkundung will Lilienthal die riesigen Datenmengen der Erdbeobachtungssatelliten aber nicht nur für die Landwirtschaft besser nutzbar machen. Er will auch der Politik aufzeigen, welche Auswirkungen neue Regeln oder Gesetze wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) auf die Landwirtschaft haben. Inwiefern wurden durch das Gesetz Anbaupraxis oder Artenvielfalt beeinflusst? Wie hat sich die Flächennutzung verändert? Wo wurde die kostbare Ressource Boden zubetoniert oder inwiefern haben sich die Aussaattermine der Landwirte aufgrund des Klimawandels schon verändert?

Zustand des Bodens im Blick

Auf all diese Fragen hofft Holger Lilienthal mithilfe präziser Daten und Modelle zukünftig Antworten zu finden. Dabei setzt er auch auf künstliche Intelligenz, um das Potenzial voll ausschöpfen zu können. Inwiefern Algorithmen helfen können, die gewünschten Daten aus der Menge sinnvoll zu extrahieren, wird die Zukunft zeigen. Derzeit sind Lilienthal und sein Team dabei, einen Nachhaltigkeitsindikator für den Boden zu entwickeln. „Wir wollen eine Methode etablieren, mit der wir jedes Jahr über den Zustand des Bodens Aussagen treffen können".

Autorin: Beatrix Boldt