Mikrobenkräfte präzise messen
Ein deutsch-finnisches Forscherteam präsentiert eine Messtechnik, mit der erstmals präzise erfasst werden kann, mit welcher Kraft Mikroorganismen auf Oberflächen haften.
Ob auf Gesteinen und Pflanzen, an Schiffsrümpfen oder auf Zähnen: Biofilme sind allgegenwärtig und werden nicht selten als störend empfunden. Beeindruckend ist jedoch die Kraft dahinter, mit der Zellen und Mikroorganismen auf den verschiedensten Oberflächen haften oder sich in Richtung Nahrungsquelle bewegen: Mit einer Größe von meist nur einigen Nanonewton ist sie so winzig, dass sie schwer messbar ist. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen sowie von der finnischen Aalto University in Espoo haben nun eine Technik entwickelt, mit der diese mechanischen Kräfte präzise gemessen werden können. Im Fachjournal „Nature Protocols“ stellt das Team die neue Methode vor.
Krafteinwirkung auf Pipette direkt messbar
Bei dem neuartigen Messgerät handelt es sich um sogenannte Mikropipetten-Kraftsensoren. Die Mikropipette ist dabei eine hohle Glasnadel mit einem Durchmesser nicht größer als ein menschliches Haar. „Das Arbeitsprinzip der Mikropipetten-Kraftsensor-Technik ist eigentlich ganz einfach“, sagt Matilda Backholm, Wissenschaftlerin im Fachbereich Angewandte Physik der Aalto University. „Durch das Betrachten der Auslenkung einer kalibrierten Mikropipette können die Kräfte, welche auf die Pipette wirken, direkt gemessen werden.“
Beobachtung und Kraftmessung in einem Schritt
Die Messmethode hat gleich mehrere Vorteile: Zum einen kann sie auf eine große Bandbreite biologischer Systeme angewandt werden. Das Spektrum reicht von einer einzelnen Zelle bis zu Millimeter großen Mikroorganismen. Am Beispiel des Fadenwurms Caenorhabditis elegans und der Mikroalge Chlamydomonas reinhardtii haben die Forscher die Vielseitigkeit der Technik bewiesen. Zum anderen wird hier die Auslenkung des Sensors mit einem modernen optischen Mikroskop gemessen, wie Matilda Backholm erklärt. „Dadurch können wir die Form und die Bewegung des Mikroorganismus' genau studieren, während wir zeitgleich die Kräfte messen können.“
Breites Einsatzspektrum für neuartige Kraftmessung
Den Forschern zufolge sind Zelle oder Mikroorganismus während der Kraftmessung am Leben, so dass getestet werden kann, wie sie auf Medikamente, Nährstoffe, Temperatur oder andere Umweltfaktoren reagieren. „Die Kraftauflösung ist wirklich bemerkenswert. Durch unsere neuesten technologischen Weiterentwicklungen ist es uns gelungen, Kräfte von bis zu zehn Pikonewton zu messen. Damit ist die Technik fast genauso gut wie ein Rasterkraftmikroskop“, betont Oliver Bäumchen, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen. Er ist überzeugt, dass diese vielseitige Technologie künftig auch in diversen anderen biologischen Systemen angewendet werden kann.
bb